Schneise durchs SiebengebirgeMountainbiker legen mutmaßlich illegalen Trail an

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Fassungslos sind Marc Redemann (l.) und Gerhard Müller angesichts der Zerstörungen, die mutmaßlich Mountainbiker im Siebengebirge verursacht haben.

Bad Honnef/Königswinter – „Wir sollten hier mal weitergehen“, sagt Gerhard Müller, verlässt den schmalen Wanderweg und geht vorsichtig einige Meter den recht steilen Hang hinunter. Wir sind gerade mitten im Naturschutzgebiet Siebengebirge, ein Stück oberhalb von Haus Hohenhonnef. Die Sonne scheint durch das leuchtend grüne Laub von Buchen und Eichen an diesem Tag. Eigentlich ein schönes Fleckchen Erde. Nur: „Das hier ist alles nicht natürlich“, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Verschönerungsvereins für das Siebengebirge (VVS) und präsentiert tatsächlich auch für den Laien erkennbar ein ökologisches Desaster: Auf 300 bis 400 Meter Länge ist der Waldboden total verdichtet. Dort wächst kein Halm mehr. Eine regelrechte Schneise zieht sich durch das Naturschutzgebiet den Hang hinunter bis zur Kaisereiche oberhalb des Annatals.

„Mit der Hand kann man das nicht machen“, sagt Müller über die breite Trasse, an der wohl mit Schaufeln, Spaten und Hacken Senken gegraben wurden. Durch zugesägte und verbaute Stämme entstanden kleine Rampen.

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Mit Spaten, Hacken und Akkusägen haben die Unbekannten wohl beim Bau der Rampen und Senken für Mountainbikes gearbeitet. 

Der oder die Täter müssen mit Motor- beziehungsweise Akkusäge an dem Hang abseits jedes regulären Weges gearbeitet haben, mutmaßen Müller und Revierförster Marc Redemann. Gut ein Meter Erde wurde abgetragen, zeigt Müller mit Hinweis auf das ursprüngliche Landschaftsprofil, um die Senke zu schaffen. Selbst an einen Durchstich haben der oder die Bauherren gedacht, damit Regenwasser ablaufen kann.

„Wie kommt man auf die Idee, so etwas zu machen?“, zeigt sich Redemann fassungslos über den massiven Eingriff in die Landschaft, die eigentlich als Naturschutz- und FFH-Gebiet höchsten Schutzstandard genießt. „Ich verstehe es einfach nicht.“

Der mutmaßlich von Mountainbikern angelegte Trail ist der wohl krasseste Beleg eines Problems, das im Naturschutzgebiet Siebengebirge immer größer wird. Radfahrer und Wanderer halten sich nicht daran, nur die für sie freigegebenen Wege zu benutzen. Das vor Jahren umgesetzte Wegekonzept, das Wander- und Radwege im Naturschutzgebiet mit roten beziehungsweise gelben Dreiecken kenntlich machen, scheint gescheitert, meinen auch Müller und Redemann.

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Es gibt einen Durchstich zum Ablauf des Wassers aus der Senke. 

Beispiel Lohrberg: Dort gibt es eigentlich nur noch einen legalen (teils asphaltierten) Rundweg, vorbei unter anderem am berühmten Drei-Seen-Blick. Doch Radfahrer und auch Wanderer haben etliche Pfade in dem Gelände geschaffen. In Höhe des Löwenburger Hofes führt einer dieser Pfade aus dem Wald auf eine Wiese. Vor ein paar Jahren, das kann Gerhard Müller anhand von Online-Sattelitenbildern belegen, gab es den nicht.

Verschönerungsverein für das Siebengebirge hat Strafanzeige erstattet

Beispiel Löwenburg: Ausweislich der Spuren von Reifen mit dickem Profil führt inzwischen ein Pfad an der Westseite vom Berg herunter, den es eigentlich nicht geben dürfte. Am Tag des Rundgangs von Gerhard Müller und Marc Redemann mit dieser Zeitung will gerade ein Ehepaar den Weg hinaufwandern und wird von den beiden Naturschützern darauf hingewiesen, dass ihnen dann ein Bußgeld droht. „Das wussten wir nicht“, betont das Paar.

Dank Open-Street-Map oder Plattformen wie Komoot könne jedermann „einen Weg erstellen, ob es rechtens ist oder nicht“, klagt der Vize des Verschönerungsvereins, dem bekanntlich rund 850 Hektar Wald im Naturschutzgebiet gehören, darunter auch die ökologisch tote Trasse, die mutmaßlich von Mountainbikern geschaffen wurde.

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In diesem Fall hat der VVS als Eigentümer Strafanzeige erstattet, berichtet Müller, wissend, dass es wohl nicht viel bringt. Der Schaden allerdings ist immens. Die Renaturierung würde wohl 5000 bis 8000 Euro kosten, schätzt Müller, wenn man denn einen Kleinbagger einsetzen dürfte. Falls die Untere Naturschutzbehörde beim Rhein-Sieg-Kreis das nicht genehmigen würde und von Hand gearbeitet werden müsste, wären es wohl 20.000 bis 25.000 Euro. Doch auch dann sei „ein historischer Hohlweg unwiederbringlich verloren“, betont Marc Redemann und weist darauf hin, dass sich entlang der illegalen Trails durch Abstecher der MTB-Fahrer nach links und rechts die Lebensräume zerschneidende Wege ähnlich wie in einem Flussdelta immer mehr ausbreiten.

Einen legalen Trail, da dämpft der Revierförster alle Hoffnungen von Mountainbikerin, werde es im Naturschutz- und FFH-Gebiet nicht geben. Wenn man das täte, könnten die Kletterer auch wieder auf den Stenzelberg wollen oder Hobbyhöhlenforscher die Öffnung der Ofenkaulen verlangen. 

Das Wegekonzept im Naturschutzgebiet Siebengebirge

Im Jahr 2015 war mit der Umsetzung des Wegeplans der Bezirksregierung für das Naturschutzgebiet Siebengebirge begonnen worden, der im Zusammenhang mit der Nationalpark-Debatte 2009 heftig umstritten war. Der Plan sah zum Schutz von Pflanzen und Tieren eine Reduzierung des Wegenetzes um rund zehn Prozent auf 250 Kilometer Länge vor.

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Das Wegekonzept im Siebengebirge mit gelben und roten Pfeilen. 

Seither weisen im Naturschutzgebiet in Wegesteine eingelassene Platten die richtige Richtung. Vor allem aber kennzeichnen gelbe Dreiecke auf Bäumen die Wege, die für Radfahrer zugelassen sind. Rote Dreiecke machen reine Wanderwege kenntlich; für Räder sind diese schmaleren Wege eigentlich tabu.

Anfang 2015, als die ersten neuen Steinplatten installiert wurden, hieß es über das bis dahin vorhandene Wegenetz im Naturschutzgebiet, es gleiche dem eines städtischen Parks. „Das kennt man im Wald normalerweise nicht.“ Auf der Internetseite des Naturparks Siebengebirge appelliert man an die Besucher: „Beachten Sie bitte die Wegegebote in den Naturschutzgebieten Siebengebirge und Ennert und bleiben auf den ausgewiesenen Wanderwegen. Radfahrer sollten nur die für sie ausgewiesenen Wege nutzen (...)“. 

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