„Druck wird zunehmen“Kämmerersprecher Klaus Strack über Corona-Folgen für Kommunen

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Das neue Abstrichzentrum des Kreises in Siegburg bedeutet wohl auch höhere Kosten für die Kommunen.

Das neue Abstrichzentrum des Kreises in Siegburg bedeutet wohl auch höhere Kosten für die Kommunen.

Siegburg – Steigende Fallzahlen, Kurzarbeit, Unternehmen in der Krise – Corona reißt massive Löcher in die Haushaltskassen der Kommunen. Über die konkreten Auswirkungen sprach Sandra Ebert mit Klaus Strack, Kämmerer in Eitorf und Sprecher der Kämmerer im Kreis. Wie große Einbrüche haben die Kommunen bei der Gewerbesteuer bis jetzt? Klaus Strack: Von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich, je nachdem, wie viel Industrie und welche Unternehmen dort angesiedelt sind. So verzeichnete Siegburg bei der Gewerbesteuer nur Rückgänge von fünf Prozent, Königswinter aber von 45 Prozent. In in absoluten Zahlen sind das in Siegburg 1,2 Millionen, in Königswinter 5,76 Millionen Euro.

Wie sieht es bei der Einkommenssteuer aus?

Im zweiten Quartal hatten die Kommunen deutliche Rückgänge in etwa gleicher Höhe, die von einem Minus von 14 Prozent zum Beispiel in Niederkassel bis 18 Prozent in Lohmar variieren. Wobei die Ausgangslage unterschiedlich ist. So gibt es in Eitorf das niedrigste Durchschnittseinkommen aller Kommunen, in Wachtberg das höchste.

Was ist mit den Ausgaben?

Im Shutdown wurde die Gebührenpflicht für Kitas aufgehoben, die Personalkosten blieben aber. Die Ordnungsämter brauchen mehr Kräfte, es fallen mehr Überstunden an. Gleichzeitig steigen die Kosten für Hygienemaßnahmen in öffentlichen Gebäuden. Das betrifft nicht nur die Kommunen. Das Kreisgesundheitsamt musste Personal aufstocken, ein neues Abstrichzentrum wurde eingerichtet. Diese Kosten kommen auch noch auf uns zu, die Kreisumlage wird möglicherweise steigen.

Finanziert werden muss auch die Digitalisierung, die in diesen Zeiten enorm wichtig ist, aber vielerorts bislang verschlafen wurde.

Es gibt Kommunen, die den Strukturwandel geschafft haben, die eine Vorreiterrolle wahrgenommen haben wie etwa Siegburg. Und es gibt die, denen die Standortvorteile fehlen und die trotz der Hochkonjunktur der vergangenen Jahre im Haushaltssicherungskonzept sind oder gar in den Stärkungspakt gehen mussten. Das sind in der Regel auch die Kommunen, die nicht vorne waren bei der Digitalisierung.

Mit einem Sonderprogramm sollten doch für Lehrer und wirtschaftlich benachteiligte Schüler Laptops angeschafft werden.

Auch hier geht die Schere auseinander. In Eitorf ist zum Beispiel der Bedarf viel höher als die zugeteilte Menge Geld. Wir zweigen jetzt zusätzlich 34 000 Euro aus einem anderen Förderprogramm ab. Doch diese Summe fehlt dann bei der Schulsanierung. Außerdem: Was nutzt mir die beste Ausstattung, wenn die Voraussetzungen nicht rechtzeitig geschaffen wurden, wenn niemand die Geräte einrichten kann, wenn das WLAN nicht vorhanden ist? Wenn eine Kommune permanent nicht optimal finanziert war – Eitorf ist zum vierten Mal im Haushaltssicherungskonzept –, dann wurden Dinge, die nicht zwingend sind, auch nicht angepackt.

Löst das Rettungspaket für weggefallene Gewerbesteuererträge die Probleme?

Ich bin froh, dass Bund und Land uns helfen. Die 10,9 Milliarden Euro bundesweit sind aber zunächst nur für 2020 vorgesehen. Wie hoch die Erstattung für die einzelnen Kommunen ausfällt, steht noch gar nicht fest. Und ob die staatlichen Hilfen reichen, um wieder geordnete Finanzen herzustellen, bleibt fraglich. Ein Riesenproblem ist auch, dass wir die fehlenden Erträge aus der Einkommenssteuer nicht ersetzt bekommen. Und eins darf man nicht vergessen: Das Geld, was man uns gibt, das kommt am Ende vom Steuerzahler.

Die Kommunen in NRW können die finanziellen Folgen der Pandemie für 2020 und 2021 abschreiben, auf 50 Jahre. Wie bewerten Sie das?

Ein Beispiel: Troisdorf schätzt die isolierte Summe der coronabedingten Ausfälle allein für dieses Jahr auf mindestens brutto 20 Millionen Euro – abzüglich der staatlichen Hilfen – , das bedeutet in der Abschreibung eine jährliche Belastung von 400 000 Euro – 50 Jahre lang. Die Isolierung von 2021 kommt noch obendrauf. Wenn man genug Eigenkapital hat, macht man vielleicht lieber einmal ein ordentliches Minus, statt jedes Jahr ein zusätzliches Konsolidierungsproblem zu haben. Viele Kommunen rechnen daher ganz bewusst nicht alles in die Isolierung hinein.

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Welche längerfristigen Auswirkungen befürchten Sie?

Der Druck auf die Haushalte wird zunehmen. Mit dem Auslaufen des gerade verlängerten Kurzarbeitergeldes wird die Arbeitslosigkeit steigen – damit werden sich auch die Sozialkosten erhöhen, bei weiter sinkenden Einnahmen. Die verlängerten Fristen für die Anzeige von Insolvenzen laufen aus, es werden Firmen und Geschäfte schließen. Der zunehmende Onlinehandel wird den Einzelhandel noch weiter verdrängen. Und weil die Steuereinnahmen weiter sinken werden, fließt auch weniger Geld vom Land. Weitere Kommunen werden ins Haushaltssicherungskonzept rutschen. Und am Ende des Tages drehen wir wieder an der Steuerschraube.

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