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„Wie der Sport nach Siegburg kam“68. Ausgabe Siegburger Blätter über den Turnverein

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Freiübungen auf dem Marktplatz bot der Siegburger Turnverein anlässlich des 50-jährigen Jubiläums 1912.

Freiübungen auf dem Marktplatz bot der Siegburger Turnverein anlässlich des 50-jährigen Jubiläums 1912.

Siegburg – Ein Barren, ein Reck, ein Klettergerüst und eine Schlängelbahn zum Laufen, so sah sie 1817 aus, die Grundausstattung des Turnplatzes im Herrengarten. Der vornehmste Grund, den Turnvater Jahn seiner Idee vorangestellt hatte, hatte sich zum Glück seit zwei Jahren erledigt: Der Kampf gegen die Gewaltherrschaft Napoleon Bonapartes, der mit Leibesübungen vorbereitet wurde. „Die Übungen dienten dazu, im Krieg schnell Hindernisse überwinden zu können“, erläuterte Wolfgang Rehmer, der sich für die 68. Ausgabe der Siegburger Blätter damit beschäftigte „Wie der Sport nach Siegburg kam.“ Seinen Beitrag stellte er jetzt im Stadtmuseum vor.

Ein Regierungsassessor, der Friedrich Ludwig Jahn aus Berlin kannte, wo dieser 1811 den ersten Turnplatz eröffnet hatte, machte sich in Königswinter, Beuel, Köln-Mülheim und eben Siegburg auf die Suche nach Gleichgesinnten, um eine Turngemeinde zu gründen. Nicht zum Wohlgefallen des preußischen Königs: Die Sportler, freiheitlich und national gesinnt, galten als Staatsfeinde.

Dass der Turner und Burschenschaftler Kart Ludwig Sand 1819 den russischen Staatsrat August von Kotzebue ermordete, machte die Sache nicht besser. Geräte wurden sichergestellt und eine Turnsperre erst 1842 aufgehoben.

Doch der staatliche Druck hielt über das Revolutionsjahr 1848 hinweg an, so dass sich die Siegburger Turngemeinde 1850 auflöste.Weiter ging es 1862 mit der Gründung des Siegburger Turnvereins, der regelmäßig eine vielbeachtetes Turnfest feierte.

Rehmer zufolge stand anfangs mehr das Miteinander als der Wettbewerbsgedanke im Vordergrund. „Objekt der Begierde“ sei der Siegerkranz gewesen, den es für vorab festgeleget Leistungen gab. „Auf dem Podest tummelten sich meist mehrere Sieger“, schreibt der 75-Jährige, der am Niederkasseler Gymnasium Sport und Chemie unterrichtete und heute noch Stabhochsprungtrainer ist.

Fußball war in den Anfängen kein Thema, auch der Langlauf nicht, dem die Ballsportler frönten. Wichtig war Geselligkeit und das Zusammentreffen mit anderen Sportlern: Rehmer beschreibt, wie STV-Sportler einmal frühmorgens zu einem Wettkampf nach Ründeroth aufbrachen, nach 37 Kilometern Fußmarsch zum Kräftemessen antraten und abends zurückliefen. „Heute unvorstellbar“, so Rehmers knapper Kommentar.

Während Turnen und Leichtathletik lange miteinander gewesen waren, richtete der 1906 gegründete TV Kaldauen 1912 erstmals im Siegkreis ein Fünfkampf-Sportfest mit Kugelschocken, Gewichtheben, 150-Meterlauf, Dreisprung und Stabhochsprung aus. 1908 endlich gründete der STV auch eine Damenriege, nachdem der Sport über fast ein Jahrhundert eine reine Männerangelegenheit war.

1904 gründete sich der SSV04 und sieben Jahre später begann auch der STV mit dem Fußball. 1912 gelang es dem STV-Vorsitzenden Heinrich Voutz ein großes Grundstück an der Luisenstraße zu erwerben, Gefängnisinhaftierte arbeiteten bei der Anlage eines „Sportplatz für volkstümliche Übungen“ mit. Der Wiederbeginn nach dem Ersten Weltkrieg, der den Sport fast vollständig zum Erliegen gebracht hatte, gestaltete sich Rehmer zufolge mühsam: „Die Kreisverwaltung hatte auf dem größten Teil des Platzes Kartoffelmieten angelegt.“ Zum ersten Nachkriegssportfest 1919 wurde daher eine Straßenstaffel unterhalb der Abtei organisiert – Vorgänger des heutigen Hit-Citylaufs.

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Herbert Spicker, stellvertretender Leiter des Stadtmuseums, zeigte zur Präsentation der Siegburger Blätter zwei historische Fahnen des STVs und des Turn- und Fechtvereins, der sich von 1892 bis 1921 vom Turnverein abgespalten hatte. Spicker machte auf einen besonderen Verdienst der Vereine aufmerksam: Mit ihrer bürgerschaftlichen Selbstorganisation seien sie auch „Übungsschulen des demokratischen Deutschlands“ gewesen.

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