Siegburg verliert VeranstaltungsortBuchhandlung R² schließt Ende März – Ausverkauf

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„Einen Kulturort für Siegburg“ wollten Andreas (links) und Paul Remmel schaffen. Am 31. März schließen sie ihre Buchhandlung R2 an der Holzgasse.

„Einen Kulturort für Siegburg“ wollten Andreas (links) und Paul Remmel schaffen. Am 31. März schließen sie ihre Buchhandlung R2 an der Holzgasse.

  • In dem Haus zum Tannenbaum boten die beiden Brüder ein Kulturprogramm an.
  • Mehr als 450 Lesungen, Konzerte oder Ausstellungen waren es in den zurückliegenden Jahren.
  • Am 31. März schließt die Buchhandlung R2.

Siegburg – Hier wurden in früheren Jahren Wein und Gartenmöbel verkauft, in den vergangenen sechs Jahren aber waren Erdgeschoss und erste Etage von „Haus zum Tannenbaum“ an der Holzgasse ein Magnet für Freunde von Literatur und Kultur. Doch damit ist nun Schluss: Die Brüder Andreas und Paul Remmel schließen zum 31. März ihre Buchhandlung R2 . 

Sie gäben den Betrieb am gewohnten Ort auf, so schreiben sie in ihrer Postille mit der laufenden Nummer 114, „da das ohnehin Schwierige durch Veränderungen im Haus noch schwerer wird“. Und damit, so die Zwillinge, „eben für uns nicht mehr tragbar“. Gleichwohl soll es die Bernstein-Verlagsbuchhandlung und den Bernstein-Verlag auch weiterhin geben, „nur ohne Laden“.

„Die ideale Nachbarschaft“

„Phasenweise schon sehr zuschussintensiv“ sei der Betrieb gewesen, den sie am 1. September 2012 aufgenommen hatten. Dass eine Buchhandlung dieser Größe im Jahr 2019 „keine Goldgrube“ sei, das müsse man wohl niemandem erklären, sagt Andreas Remmel. Der Buchhandel allein ohne das Kulturprogramm in der ersten Etage wäre nicht mehr zu machen.

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Uralt: Das Haus zum Tannenbaum an der Holzgasse.

Uralt: Das Haus zum Tannenbaum an der Holzgasse.

Und die Zukunft eben dieser Veranstaltungen steht auf tönernen Füßen: Zum Jahresende ist mit Lilo von Kiesenwetter die Mieterin der oberen Etagen ausgezogen. „Die ideale Nachbarschaft“ sei das gewesen, so betonen die beiden 46-Jährigen. Dünn seien die Decken, hellhörig das alte Haus – kein Problem für „die wunderbare Lilo und ihre nicht minder wunderbare Familie“.

Mehr als 450 Veranstaltungen gab es seit der Eröffnung, zum Beispiel im Dezember die Lesung „Das goldene Birkenzweiglein“.

Mehr als 450 Veranstaltungen gab es seit der Eröffnung, zum Beispiel im Dezember die Lesung „Das goldene Birkenzweiglein“.

Bis zu zweimal in der Woche gab es Veranstaltungen; mehr als 450 Lesungen, Konzerte oder Ausstellungen waren es in den zurückliegenden Jahren. Auch Außenstelle des Standesamts ist der Raum gewesen. Ohne zu wissen, wie es nun in den oberen Stockwerken weitergeht, wollten die Remmels keinen neuen Mietvertrag für mehrere Jahre unterschreiben. „Die Ungewissheit gebiert unsere Gewissheit“, bringt das Andreas Remmel auf den Punkt.

Ausverkauf beginnt am 5. März

„Auch aus Verantwortung sich selbst gegenüber“ hätten sie sich zu diesem Schritt entschlossen, hektische und auch schwierige Tage erwarten sie in den kommenden Wochen: Am 5. März beginnt ein Ausverkauf, der nicht nur Bücher, sondern auch Teile des Inventars und Einrichtungsgegenstände erfassen wird.

Alt und schön

Das Haus zum Tannenbaum gehört zu den ältesten Häusern der Stadt, ganz sicher ist es auch eines der schönsten.

Eine Tafel an der Hauswand weist darauf hin, dass der Keller des mächtigen Fachwerkhauses aus dem 15. Jahrhundert stammt. Aus der Zeit um 1400 stamme auch die in der Nähe liegende Präsenzmeisterei, gibt die Stadt Siegburg Auskunft. Hier findet sich heute das griechische Lokal „Sirtaki“.

Schriftlich wird das Haus zum Tannenbaum demnach 1699 zum ersten Mal erwähnt. 1960 verfiel es zusehends, „es bröckelt schon“, sorgte sich damals ein Autor der Lokalzeitung um den Fortbestand.

In den 1970er Jahren wurde die historische Holzgasse komplett umgebaut, blieben nur das Haus zum Tannebaum und die Präsenzmeisterei unberührt; in den 1980er Jahren dann gab es hier schon einmal eine Buchhandlung. (dk)

„Wir wissen nicht, wohin das nun geht“; auf den Kontakten und Beziehungen zu Künstlern und Autoren, die in den vergangenen Jahren entstanden seien, wollen sie gleichwohl aufbauen. „Es wird was draus“, ist Paul Remmel zuversichtlich. „Wir können davon nicht leben, aber dafür“, hätten sie auch in der Vergangenheit immer auf die entsprechenden Fragen geantwortet. Für bereits gebuchte Veranstaltungen im Haus zum Tannenbaum werden teilweise Ausweichquartiere gesucht, anderes wurde abgesagt. Fortgesetzt wird hingegen die Veranstaltungsreihe „Literatur bei Wasser und Brot“, das offene Lesen im nahen Ladenlokal Holzgasse 27.

Am 31. März schließen sich die Türen

Am 23. März wollen die Zwillinge von 11 bis 18 Uhr im eigenen Laden „Kehraus“ halten und noch einmal „in heiterer Dankbarkeit“ mit Kunden und Freunden feiern, am 31. März werden sie die historische Haustür endgültig hinter sich abschließen. „Einen Kulturort für Siegburg“ hätten sie schaffen wollen, sagten Andreas und Paul Remmel gestern. Der Zuspruch von Kunden und Freunden, persönlich, per E-Mail oder in den sozialen Medien ausgedrückt, zeige ihnen: „Wir haben nicht alles falsch gemacht.“

„Keine Goldgrube“ sei eine Buchhandlung dieser Größe im Jahr 2019, räumen die Zwillinge offen ein.

„Keine Goldgrube“ sei eine Buchhandlung dieser Größe im Jahr 2019, räumen die Zwillinge offen ein.

Die letzte Veranstaltung im Programm der Buchhandlung wird am Donnerstag, 14. März, eine Lesung sein. Autor Bernd Polster liest ab 19.30 Uhr aus dem dann erst wenige Tage veröffentlichten Buch über den Bauhaus-Gründer mit dem Titel „Walter Gropius. Der Architekt seines Ruhms“ (Eintritt: 10 Euro, Karten in der Buchhandlung).

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