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Haft für Suchttherapie zurückgestelltAngeklagter bekommt zweite Chance

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Siegburg – Sieben Taten an einem Tag, das summierte sich vor dem Schöffengericht zu rund zwei Jahren Haft. Für den 38-jährigen Einbrecher und Dieb ist das Urteil vielleicht die letzte Rettung. Der Mann hat Jahre seines Lebens hinter Gittern verbracht und nur dort über längere Zeit ein strukturiertes und wohl auch drogenfreies Leben geführt.

Suchtdruck nach der Haft war zu groß

Kaum war er jedoch wieder draußen, war der Suchtdruck so groß, dass er in Kellerräume einstieg, um dort nach Dingen zu suchen, die sich schnell versilbern ließen: Werkzeug, Rollschuhe und Fahrräder. So auch am 11. Juni dieses Jahres. Dabei fielen ihm unter anderem zwei Mountainbikes in die Hände, eines im Wert von 1000 Euro in einem Mehrfamilienhaus an der Siegburger Wilhelmstraße; eines an der Fachhochschule in Sankt Augustin, wo er kurzerhand das Kettenschloss knackte.

Aus Garagen und Kellerräumen in Hennef stahl er Schleifmaschinen und Akkuschrauber für rund 500 Euro. Bei der achten Tat wurde der 38-Jährige gefasst: Zeugen hatten ihn aufgeschreckt und die Polizei alarmiert; die Beamten konnten fast die komplette Tages-Beute sicherstellen. Drei stationäre Therapien hat der Mann, der seit seinem zwölften Lebensjahr Marihuana raucht und mit 16 auf Heroin umstieg, abgebrochen.

Abbruch der Ausbildung und Obdachlosigkeit

Nach der Hauptschule begann er eine Maurerlehre, die er kurz vor der Abschlussprüfung ebenfalls schmiss. Einige Jobs in Fabriken folgten. Als seine Mutter 2014 an Krebs starb, riss ihn das vollends runter. Der Stiefvater warf ihn raus, der Angeklagte wurde obdachlos. Das Urteil – zwei Jahre und zwei Monate Haft – akzeptierte er. Der Vorsitzende Richter Ulrich Wilbrand hat den Haftbefehl nicht aufgehoben, aber für vier Wochen außer Vollzug gesetzt, damit der 38-Jährige sich bei seiner Freundin anmelden und sich um einen Therapieplatz kümmern kann.

„Sie müssen Gas geben“

Weil er während eines früheren Gefängnisaufenthaltes einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz hatte, bezieht der Angeklagte derzeit noch Arbeitslosengeld und ist krankenversichert. Damit gebe es eine reelle Chance, sagte Strafverteidiger Dr. René Gülpen, dass die Kranken- oder die Rentenversicherung die stationäre Suchtbekämpfung bezahle.

Mit drei Monaten sei es nicht getan, der Angeklagte brauche mindestens ein Jahr Therapie, für diese Zeit könnte die Haftverbüßung zurückgestellt und bei erfolgreichem Abschluss zur Bewährung ausgesetzt werden, meinte der Richter: „Sie müssen Gas geben. So viel Zeit bleibt Ihnen nicht mehr für den Rest Ihres Lebens.“

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