Letzter Stand vor BürgerentscheidSiegburger haben das letzte Wort zum Rathaus

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Das Siegburger Rathaus von oben

  • Am 2. Dezember entscheiden die Siegburger, ob sie ein neues Rathaus möchten oder das alte saniert werden soll.
  • Was bedeutet die Sanierung und was der Neubau: Wir haben den letzten Informations-Stand vor dem Bürgerentscheid für Sie zusammengefasst.

Siegburg – Ist das Rathaus überhaupt noch zu retten? Die Frage scheint berechtigt, nach Jahren des Sanierungsstaus macht das Rathaus einen bemitleidenswerten Eindruck. So musste der Lübecker Architekt Klaus H. Petersen gegen ein Imageproblem ankämpfen, wenn er in städtischen Gremien und Bürgerwerkstätten für eine Sanierung warb.

Das tat er schon allein ob des architektonischen Werts, den das am 10. August 1968 eingeweihte Gebäude darstellt: Mit hellen, einladenden Räumen habe es damals die junge Demokratie und Transparenz symbolisieren sollen, der Kölner Architekt Peter Busmann habe bei der Planung nicht die Selbstdarstellung von Reichtum und Macht im Sinn gehabt, sondern einen „Mittelpunkt des bürgerlichen Lebens“. Das Haus sei ein Zeugnis der „zweiten Nachkriegsmoderne“. Und die Idee Busmanns, das Rathaus mit einer Piazza zu versehen, hält er für „städtebaulich genial“. Später wurde der Platz verbaut, so dass das Rathaus vom Markt aus gesehen in die zweite Reihe wanderte.

Vor allem aber wies Petersen akribisch nach, dass sich das Haus trotz aller Schäden ohne weiteres sanieren lässt, sogar im laufenden Betrieb. Dazu würde abschnittweise kernsaniert und der Rohabbau wiederhergestellt. Bis zum Stahlbetongerüst, dem Petersen einen guten Zustand attestiert. Um zusätzlichen Raum zu schaffen, könne der Haupttrakt um ein Staffelgeschoss aufgestockt werden. Die Statik gebe das ohne weiteres her, die sei auf „Herz und Nieren“ geprüft worden. Petersen ging in seinen Gutachten weit in die Details, bis in die Kalkulation einzelner Bauteile hinein und kam schließlich auf Baukosten von 19,9 Millionen Euro. Seine Zahlen wurden jedoch in Frage gestellt, als die Stadt das Büro Arcadis gegenrechnen ließ, die pauschale Steigerungen wegen gestiegener Kosten ansetzt und auf Investitionskosten von 22,6 Millionen Euro kam.

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Was Petersen nicht gelten lässt: Seine Berechnungen entsprächen schon einer weiter fortgeschrittene Planungsstufe und seien entsprechend belastbar. Geänderte Indexzahlen habe er berücksichtigt, so dass es ihn ärgere, wenn Arcadis pauschal höher kalkuliere. „Ich verstehe nicht, dass man einen Gutachter erst drei Jahre lang arbeiten lässt und ihm dann nicht glaubt.“ Hinzu kamen laut Arcadis 2,1 Millionen Euro für Umzüge und die zeitweise Unterbringung von Verwaltungsmitarbeitern in Containern. Bei einer Gesamtbetrachtung der Gesellschaft DHPG, in der auch Effekte auf den Haushalt berücksichtigt wurden, ergab sich, dass ein Neubau um 3,3 Millionen Euro günstiger sei. Für die FDP, die den Neubau will, ein schlagendes Argument – auch wenn sich die Tilgungen der Kredite über 30 Jahre erstrecken würden, so dass die Differenz überschaubar bliebe.

Bürgermeister Franz Huhn und Technische Beigeordnete Barbara Guckelsberger betonten, die Zahlen beruhten lediglich auf Machbarkeitsstudien. Petersen führt auch den Umweltaspekt für die Sanierung an. Der Abriss des Gebäudes und ein Neubau am Allianzparkplatz bedeute eine immense Schadstoffbelastung, 17 Jahre lang könne man ein neues Rathaus bei einem entsprechenden Ausstoß an Kohlendioxid heizen. Solche Überlegungen seien am Ende wichtiger als alles andere.

Eine großzügige Terrasse mit Cafébetrieb, nach wie vor beschattet vom mächtigen Ahorn , eine nüchtern wirkende Fassade in Klinkeroptik, belebet durch alternierende Fenstergrößen: So stellt sich Investor Pareto den Neubau auf dem Allianzparkplatz vor.

Vier Etagen plus Staffelgeschoss

Die Immobilienentwickler der Kreissparkasse haben eine Computeranimation des Büros Schulte Architekten fast genauso übernommen, wie er bereits vor einem Jahr vorgestellt wurde, zusammen mit einer Machbarkeitsstudie, die nachwies, dass auf vier Etagen plus Staffelgeschoss das nötige Raumprogramm Platz fände.

Der langgezogen Bau würde sich in einer Zickzack-Linie von der Marktpassage in Richtung Burggasse erstrecken. Und wohl kein protzig-repräsentatives Ambiente bieten: Pareto bietet der Stadt an, zu einem Festpreis von 23,5 Millionen Euro einen „mittleren“ Ausstattungsstandard“ zu realisieren. Dieser liegt laut technischem Dezernat auch den Berechnungen zugrunde, die Klaus H. Petersen für die Sanierung vorgelegt hat. Damit wäre das moderne Rathaus schlicht und effektiv – so großzügige Räume wie der 1968 eröffnete Altbau würde es eher nicht bieten. Im Siegburger Stadtrat deutete sich allerdings schon einmal an, dass der Festpreis so fest am Ende vielleicht nicht sein könnte: Für Klima- und Medientechnik auf einem hohen technischen Niveau werde die Summe wohl nicht ausreichen, teilte Pareto mit. In einem solchen Fall würden Nachverhandlungen fällig.

So oder so dürfte es um den Allianzparkplatz geschehen sein, was anliegende Gastronomen und Geschäftsleute wegen der dort bislang angebotenen Stellplätze beunruhigt. Allerdings: Das Parkhaus der Rhein-Sieg-Halle ist näher gelegen, als es zunächst scheint, es liegt im Prinzip gleich hinter dem alten Rathaus. Eine neue Wegführung vorbei am Schützenhaus könnte das deutlicher ins Bewusstsein rücken. Die FDP, die als einzige Fraktion einen Neubau klar befürwortet, argumentiert zudem, dass die Stadt nur bei einem neuen Rathaus bei der Gestaltung des Areal mitreden könne. Durch das Rathaus würde eine Verbindung zu Kaiserstraße/Kaufhof geschaffen werden, und auch bei der Ansiedlung von Gastronomie könnte die Politik mitreden: möglicherweise sehr zur Beruhigung der Mitarbeiter in der Latino Lounge, die um ihre Arbeitsplätze fürchten. Auch aus Sicht des Investors Pareto hätte ein Neubau Vorteile.

Denn dieser ist an den Kauf des alten Rathausgeländes von der Stadt Siegburg gekoppelt, auf dem die Gesellschaft dann 95 Wohnungen mit einer gemeinsamen Tiefgarage bauen könnte – mehr Wohnungen, als auf dem Allianzparkplatz möglich würden, wenn das alte Rathaus saniert würde. So ist wohl auch zu erklären, dass Pareto den Kaufpreis für das alte Gelände noch einmal aufgestockt hat, von drei auf vier Millionen Euro. Den städtischen Mitarbeitern blieben bei dieser Variante die Strapazen und die logistische Großleistung der Sanierung erspart, da am Ende lediglich der Umzug in den neuen, schlüsselfertigen Sitz der Stadtverwaltung fällig würde.  

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