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Siegburger Stadtarchivar im Interview„In Richtung 1933 gibt es noch so manche Lücke“

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Stadtarchivar Jan Gerull erforschte Leys Wirken in Siegburg.

Siegburg – Jan Gerull ist seit 2018 Stadtarchivar in Siegburg. Einer seiner Publikationsschwerpunkte ist die Zeit des Nationalsozialismus in der Kreisstadt.

Welche Kapitel der Siegburger NS-Zeit sind gut erforscht? Wo gibt es Nachholbedarf?

Jan Gerull: Relativ gut erforscht sind die unmittelbaren Kriegseinwirkungen. Auch über die Hauptwege der Deportation der jüdischen Mitbürger, die Situation der Zwangsarbeiter und der politischen Häftlinge im Gefängnis wissen wir gut Bescheid. Eingehend wurde dargestellt, wie das NS-Organ „Westdeutscher Beobachter“ über Siegburg schrieb.

Blicken wir weiter zurück Richtung 1933, gibt es dagegen noch so manche Lücke. Wie regierte der zweite Kurzzeit-Bürgermeister nach Wilhelm Ley, Heinrich Pritzsche? Wie tief wurzelte die Unterstützung der Bevölkerung für den neuen Staat? Welche Hürden – Stichwort Kampf gegen die katholische Kirche – mussten die neuen Herrscher nehmen? Wo stieß die NSDAP mit ihrem totalen Machtanspruch an Grenzen? Wie also kam der NS-Staat in Siegburg „in Gang“? Das sollte und wird uns noch beschäftigen.

Viele Akten wurden gegen Kriegsende vernichtet. Wie stellt sich die Quellenlage dar?

Die Kriegschronik der damaligen Archivarin Dr. Maria Geimer erzählt uns die Geschichte des Untergangs. Die Akten aus dem Verwaltungsgeschehen zwischen 1933 und 1945, die überlebt haben, sind noch lange nicht „auserforscht“. Zuletzt habe ich beispielsweise ein hochinteressantes Dokument ausgewertet, das die derzeit viel diskutierte Impfskepsis der Nationalsozialisten auf lokaler Ebene bestätigt.

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Von Belang sind außerdem Pfarr- und auch Schulchroniken, wegen der „ideologischen Beinfreiheit“. Manchmal spielt der Zufall mit: Nachfahren des damaligen Kreisarztes gaben uns vor zwei Jahren eine lückenlose amtliche Dokumentation der Fleckfieber-Epidemie im Gefängnis.

Woran arbeiten Sie aktuell?

Eine Broschüre zu den Stolpersteinen ist in Arbeit, sie wird Anfang März fertig. Ich versuche, allen Personen hinter den Steinen Gesichter zu geben. Zudem untersuche ich für einen Aufsatz die Kriegervereine, die als Mentalitätsstützen der kaiserzeitlichen Gesellschaft galten. 

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