Streit in der AfD„Aus dem blauen Rhein-Sieg-Kreis wurde ein brauner Kreis“

Lesezeit 4 Minuten
AfD_Parteiemblem

Das AfD-Parteiemblem (Symbolbild) 

Rhein-Sieg-Kreis – Die AfD im Rhein-Sieg-Kreis hat am Sonntag auf einem außerordentlichen Kreisparteitag in Siegburg fast ihren kompletten Vorstand neu gewählt. Das war nötig geworden, nachdem große Teile der AfD-Führung auf Kreisebene vor etwa einem Monat von ihren Ämtern zurückgetreten waren. Als einer der beiden Sprecher der Kreispartei wurde der Windecker Bundestagsabgeordnete der Partei, Roger Beckamp, gewählt. Beckamp erhielt laut eigener Auskunft bei der Versammlung in seinem Wahlkreisbüro 23 von 24 Stimmen. Ihm zufolge enthielt sich ein AfD-Mitglied.

Doch der Streit in der Partei scheint mit dem nun wieder kompletten Vorstandsgremium nicht vorüber zu sein. Ein Mitglied der Partei spricht in einem Facebook-Eintrag von Sonntag von „Lug und Betrug“ und wirft nicht näher genannten Gegnern die „feindliche Übernahme“ der Kreispartei vor. 

Roger_Beckamp

Roger Beckamp, AfD

Darauf angesprochen betonte Beckamp auf dem Kreisparteitag sei „nichts getrickst worden“. Die Vorwürfe des Mannes seien äußerst diffus, so der Bundestagsabgeordnete. „Es sind alte Vorstände zurückgetreten. Und jetzt wurden neue gewählt.“

Bei der Wahl des neuen Vorstands waren aber viele Mitglieder offenbar gar nicht mehr anwesend. So berichtet es Christa Stein, bislang ein aktives Mitglied der AfD, unter anderem als Sachkundige Bürgerin im Kreistag. Sie und viele andere seien nach der Wahl des fraktionslosen Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich als Versammlungsleiter gegangen und hätten nicht mehr an der Wahl des Vorstands teilgenommen.

Anstoß für den Parteiaustritt

Die Unterstützung, die Helferich auf dem außerordentlichen Parteitag zugekommen ist, war für Stein der letzte Anstoß, um aus der Partei auszutreten. Gleich einen Tag später habe sie ihr Austrittsschreiben abgeschickt. „Ich hab beobachtet, wie dieser für mich Neonazi, Matthias Helferich, wirklich systematisch versucht hat, Einfluss zu gewinnen und da eine Gruppe von Leuten um sich herumscharrt, die ihn da sehr unterstützen“, sagt sie im Gespräch mit dieser Zeitung. Zu dieser Gruppe gehöre auch der Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp.

Roger Beckamp habe Helferich zu dem außerordentlichen Parteitag eingeladen. Eine Provokation, wie Stein findet. Auf der Versammlung in Siegburg habe sie sich gemeldet und wollte Bedenken vortragen für die Wahl des Versammlungsleiters, die wurden aber nicht zugelassen.

Helferich war im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen geraten, weil er sich in privaten Chats, die in die Öffentlichkeit gelangten, unter anderem als „das freundliche Gesicht des NS“ bezeichnet hatte. Dazu nun Beckamp: „Das waren absolut dumme Äußerungen. Das sieht Helferich ganz genau so.“

Stein bezeichnet Helferich als Rattenfänger, der zwar gute Reden halten könne und bei vielen Menschen als junger, und auf den ersten Blick sehr sympathischer, intelligenter Mann rüberkomme, aber eigentlich mit seinem Verhalten Menschen nur auf seine Seite ziehen wolle.

Ämtersperre für Helferich muss noch bestätigt werden

Der Bundesvorstand belegte Helferich im vergangenen Jahr mit einer Ämtersperre, die aber noch vom Landesschiedsgericht der Partei bestätigt werden muss. Beim vergangenen Landesparteitag im Februar wurde Helferich zum Landesschiedsrichter gewählt. Der AfD-Bundestagsfraktion gehört Helferich nicht an – eine Folge der innerparteilich kontroversen Debatte über seine öffentlich gewordenen Chat-Äußerungen.

„Da ich mir mein Leben lang vorgenommen habe, mit Neonazis nichts zu tun haben zu wollen und in meiner Familie und meinem Freundeskreis immer dafür geworben habe, dass es das in der AfD nicht gibt, war ich so entsetzt, dass ich gesagt habe, das reicht mir jetzt“, sagt Stein.

Der neue Vorstand des Kreisverbands besteht nun nach Aussagen Steins zu einem großen Teil aus Unterstützern von Helferich. Ihre Befürchtung sei, dass versucht werde „den neuen bürgerlich, liberalen Landessprecher (gemeint ist Martin Vincentz, Red.) zu stürzen“.

Einen allgemeinen Rechtsruck in der AfD sieht Stein nicht, aber im neuen Kreisvorstand schon: „Aus dem blauen Kreis Rhein-Sieg wurde ein brauner Kreis.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Sie glaubt, dass fünf bis sieben andere Mitglieder aus dem Rhein-Sieg-Kreis ebenfalls aus der Partei austreten wollen. Stein ist es wichtig zu sagen, dass sie weiter hinter dem Programm der Partei und dem neuen Landessprecher steht. „Wenn Matthias Helferich nicht mehr drin ist, trete ich wieder ein.“

Auch in dem Facebook-Post wurde als konkreter Vorwurf genannt, der Parteitag sei durch einen als „extrem Rechtsradikal geltenden Mandatsträger“ geleitet worden. 

Beckamp kritisiert Facebook-Auftritt 

Beckamp stört sich am Facebook-Auftritt des Kritikers. Der 2021 eingerichtete Account heißt „AfD Rhein Sieg Kreis“. Er kommt also offiziös daher und wirkt auf den ersten Blick wie ein Social Media Account des Kreisverbandes, weil er zudem das Partei-Logo imitiert, freilich in schwarz-rot-goldener Prägung, und die Parteifarbe blau vorherrscht. Der Inhaber des Accounts bleibt selbst anonym. Dazu Beckamp: „Wir haben ihn aufgefordert, es zu unterlassen, unter dem AfD-Logo zu segeln.“

Der anonyme Macher des Accounts hat auf den Versuch der Redaktion, mit ihm Kontakt aufzunehmen, nicht reagiert. Seit Donnerstag, 17, März, ist die Facebook-Seite des Beckamp-Kritikers sowie der Post gelöscht. Ein Screenshot des Posts liegt dieser Zeitung vor. 

KStA abonnieren