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Trend „Waldbaden“Naturtherapeutin erklärt Achtsamkeitsroutine in der Natur

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Sandra Knümann nennt das Waldbaden auch bewusstes Schlendern unter Baumkronen.

Sandra Knümann nennt das Waldbaden auch bewusstes Schlendern unter Baumkronen.

  • Die Corona-Krise hat großen Einfluss auf die Freizeitgestaltung vieler Menschen. Dabei entdecken einige Leute das Spazieren im Wald für sich.
  • Naturtherapeutin Sandra Knümann sieht viele Vorteile, die die Bewegung im Grünen mit sich bringt.
  • Welche positiven Effekte der Wald auf uns Menschen haben kann.

Eitorf – „Viele Menschen gehen jetzt spazieren, die ich noch nie im Wald gesehen habe“, berichtet Sandra Knümann erfreut. „Auch viele Jugendliche sind unterwegs“, hat sie festgestellt. „Es gibt noch so viel mehr darüber zu wissen.“ Die Naturtherapeutin hat sich unter anderem dem Waldbaden verschrieben. Früher hat sie das achtsames Spazieren genannt. Inzwischen blickt die 48-Jährige auf 27 Jahre Erfahrung zurück.

Der Blick schweift von der Kuppe über das Eipbachtal, die Augen bleiben an den saftigen Farben der Wälder hängen. Allein dieses Erlebnis ist schon mal einen Ausflug ins Grüne wert. „Der Hauptgrund für die meisten ist zunächst wohl, der Enge ihrer Wohnungen und Häuser zu entfliehen“, erklärt Knümann. „Dabei tun sie viel für ihre körperliche und seelische Gesundheit.“

Grün und Stille wirken beruhigend

Allein die Bewegung reduziere schon Stresshormone. Studien hätten aber darüber hinaus belegt, dass die Natur selbst zum Wohlbehagen beitrage. „Das Grün als Farbe beruhigt ebenso wie die Stille, es gibt keine Überreizung durch hektisch flimmernde Reklametafeln oder ähnliches. Die Reize der Natur sind sanft“, erklärt die Naturcoachin. „Wir sind als Menschheit in der Natur groß geworden und gar nicht so weit entfernt vom Neanderthaler.“

Unter den schattenspendenden Bäumen geht der Spaziergang weiter, achtsam, langsam. Das Waldbaden ist aktuell ein richtiger Modetrend und rückt das viel belächelte Bäumeumarmen in ein neues Licht. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten das belegt, sagt Knümann. Nach einem Tag im Wald etwa würden die sogenannten Killerzellen des Immunsystems aktiviert und vermehrten sich um bis zu 40 Prozent. Der Effekt halte sieben Tage an. Zwei Tage führten zur Verdoppelung, und das für 30 Tage.

Waldmedizin in Japan

„Gerade angesichts der weltweiten Corona-Pandemie ist das natürlich hochspannend“, sagt die Heilpraktikerin für Psychotherapie. „Man vermutet, dass es mit den gasförmigen Botenstoffen der Bäume zusammenhängt, den Terpenen.“ Das habe der Waldforscher Qing Li mit einer viel beachteten Studie herausgefunden. In Japan gibt es den interdisziplinären Forschungszweig Waldmedizin. Probanden wurden zu einer Übernachtung in ein Hotel eingeladen. Die eine Hälfte der Gruppe atmete über Nacht Terpene ein, die andere nicht. Tatsächlich konnten Mediziner am Tag darauf eine Zunahme der natürlichen Killerzellen und weniger Stresshormone feststellen.

Jogger und Wanderer erleben im Wald Ähnliches. Sie habe festgestellt, dass selbst die Zukunftsängste in der Coronazeit nachließen, sagt Knümann. „Da draußen ergeben sich andere Gespräche, sogar konfliktbeladene Themen können lockerer angegangen werden“, weiß sie aus vielen Therapiestunden. „Es sind die schönen, gemeinsamen Erlebnisse, das Gefühl von Freiheit.“ Oft sei es ein Gefühl von „Alles ist gut“ beim Blick in die Landschaft.

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Manchmal komme unvermittelt die Einsicht: „Jede Krise hat ein Ende, auch für mich wird wieder der Frühling kommen.“ Das sind die psychologischen Aspekte. Waldbaden sei eben mehr als Spazierengehen. „Bewusstes Schlendern unter Baumkronen“, beschreibt es die 48-Jährige knapp, und: „Achtsam, ohne zu urteilen, den Wald wahrnehmen.“

Dabei bittet sie „Badegäste“ aber eindringlich, Brutzeiten und den Lebensraum der Tiere zu achten. „Wir sollten dankbare Gäste im Wald sein.“ Gar nicht so einfach in diesen Zeiten, doch Knümann bietet im Internet eine Reihe von Übungen an, zur Wahrnehmung, zur Besinnung, zum Selbstbauen, etwa für Land-Art. Und sie hat eine Herausforderung, eine Challenge, für alle eingestellt, „Meine (R)Auszeit“. Ihre Motivation: „Ich will die Leute vom Sofa kippen.“

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