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50-jähriges StadtjubiläumWie aus Troisdorf einst ein Buchstabensalat werden sollte

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Dynamit Nobel war damals der größte Arbeitgeber, das Hochhaus wurde 2018 abgerisseen. Das Wappen der alten Stadt Troisdorf galt bis  1971. 

  • Vor 50 Jahren entstand die Stadt Troisdorf. Nicht nur die Suche nach dem Namen gestaltete sich schwierig.
  • Der damalige Oberkreisdirektor Paul Kieras entwickelte mit seinem "Kieras-Plan" binnen vier Wochen eine Idee. Die Umsetzung wurde zum Problem.
  • Lange Verhandlungen und alte Rivalitäten verhinderten lange eine Einigung. Zeitzeugen erinnern sich.

Troisdorf – Als Troisdorf 1952 Stadt wurde, wehten zur Feier des Tages vor allem geliehene Fahnen: Ausgeborgt von Kommunen, die ebenfalls die Farben Rot und Weiß führten.

Trotz dieser bescheidenen Anfänge, so berichtete der inzwischen verstorbene Journalist und Heimatforscher Karl-Heinz Ossendorf, zeigten die Verantwortlichen im Rathaus, damals noch Burg Wissem, schon bald ein gewaltiges Selbstbewusstsein: Bereits 1953 wurde im Stadtrat der Wunsch nach einer Fusion von Troisdorf mit Sieglar, Menden, Meindorf und Mondorf geäußert – und verabschiedet. Im Sieglarer Gemeinderat wurde das Ansinnen abgelehnt.

Auch 14 Jahre später fand der gar nicht so neue Plan, Troisdorf und Sieglar zusammenzuschließen, in der Gemeinde keine Freunde. „Wir waren alle einstimmig dagegen“, erinnert sich Dr. Norbert Königshausen, damals für die CDU im Gemeinderat Sieglar aktiv. Sieglar war eine reiche Gemeinde, 87 Prozent des damals größten Arbeitgebers Dynamit Nobel lagen im Gemeindegebiet.

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„Es war immer eine gewisse Rivalität zwischen der Stadt und dem ländlichen Sieglar“, weiß Königshausen. „Wir waren größer, finanzstark, und wir hatten Entwicklungsmöglichkeiten.“

In der Tat war die Fläche der Altgemeinde um ein Mehrfaches größer als die Troisdorfs, auch bei den Einwohnerzahlen hatte Sieglar mit 27 000 Männern, Frauen und Kindern 1968 die Nase vorn. Dass die Troisdorfer wegen einer Belastung mit Bakterien ihr Wasserwerk schließen mussten und ab 1970 „am Tropf“ der Wassergewinnung in Eschmar hingen, „das hat die gewurmt“, weiß Königshausen.

"Kieras-Plan" in vier Wochen

„Im Grunde ist es von oben übergestülpt worden“, sagt er beim Blick auf die kommunale Neuordnung: Im September 1966 hatte NRW-Innenminister Willi Weyer die Oberkreisdirektoren vertraulich aufgefordert, Vorstellungen zur kommunalen Neugliederung zu entwickeln.

Der damalige Oberkreisdirektor Paul Kieras entwickelte binnen vier Wochen den „Kieras-Plan“, der aus 45 Gemeinden nur noch 14 Kommunen machte – und damit dem Ansinnen der Landesregierung Rechnung trug, kleine und kleinste Gemeinden zugunsten größerer effizienterer Kommunen zu verschmelzen.

Im Juli 1967 reisten die Mitglieder der sogenannten Eising-Kommission um den Ministerialdirigenten Paul Eising durch den heutigen Rhein-Sieg-Kreis, ihr Urteil brachte noch im selben Jahr die Entscheidung für den Zusammenschluss: Troisdorf, Sieglar, Friedrich-Wilhelms-Hütte – bis dahin Amt Menden – und Altenrath (Amt Lohmar) sollten der neuen Stadt angehören.

Der zeitweilig diskutierte Plan einer Fusion mit Siegburg, favorisiert vom damaligen stellvertretenden Troisdorfer Bürgermeister Dr. Günter Nöfer, wurde nicht weiter verfolgt. Für die Hütte mit rund 2500 Einwohnern erhielt Menden einen Ausgleich von 100 000 Mark; außerdem übernahm Troisdorf einen Teil der Mendener Schulden.  Bei der von den Mannstaedt-Werken bezahlten Gewerbesteuer machten die beiden Kommunen fünf Jahre lang halbe-halbe.

Keineswegs selbstverständlich war die Zustimmung der Hütte zu den Plänen gewesen: Bei einer Volksabstimmung im Dezember 1966 hätten noch 90 Prozent der Befragten für die Bildung einer Großgemeinde Menden gestimmt, erinnert sich Uwe Göllner, Ex-Bürgermeister von Troisdorf und damals am Anfang seiner politischen Laufbahn in der SPD. „Das gab mir sehr zu denken.“

Auf seinen Vorschlag hin starteten die Sozialdemokraten eine Haustürbefragung. „Mit Herbert Jung, Udo Stemmle und Bernd Bußmann waren wir wirklich an jeder Tür.“ 898 Menschen wurden befragt, mehr als 90 Prozent der Befragten sprachen sich für den Anschluss an Troisdorf aus. Keine Überraschung für Göllner. „Die Sieg war eine natürliche Grenze“, kommunale Grenzen seien den Menschen egal gewesen. „Nach Menden war es eine Weltreise.“ Zum Einkaufen fuhr man von der Hütte nach Troisdorf.

Verhandlungen zur Fusion

Peter Klassmann und Günter Nöfer führten die Verhandlungen zur Fusion auf der Seite der Stadt, die Sieglarer schickten den damaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden Matthias Dederichs und seinen Stellvertreter Königshausen. Auch Heinz-Bernward Gerhardus, damals schon bestimmt zum künftigen Stadtdirektor, und Josef Ludwig, der spätere Bürgermeister, verhandelten mit.

Vor allem der „sehr aufwendige Flächennutzungsplan“, so erinnert sich Norbert Königshausen, sei Gegenstand der Beratungen gewesen: Troisdorf, so die Planungen von damals, sollte die Einkaufsstadt werden. Sieglar stand im Plan als Sitz der Verwaltung und eines Schulzentrums.

Gedichte pro und kontra

Platz gab es genug, während Troisdorf als „Volk ohne Land“ (Königshausen) betrachtet wurde. „Als es entschieden war, lief es sehr harmonisch“, beschreibt Norbert Königshausen die Gespräche mit den Kollegen. „Jetzt müssen wir das Beste daraus machen“ sei die gemeinsame Überzeugung gewesen.

Derweil trug der Streit um den Namen der künftigen, wesentlich größeren Stadt bizarre Blüten: In den Tageszeitungen erschienen Gedichte für und wider die Dominanz von Troisdorf einerseits oder Sieglar andererseits.

Die SPD in Sieglar lobte einen Wettbewerb zur Namensfindung aus, eingereicht wurden fantasievolle Schöpfungen wie Goldagger, Siegmünden – Favorit der Genossen und mit 100 Mark Preisgeld belohnt –, Troislar oder sogar Hütroalsi. „Maßlos überschätzt“ wurde, so Uwe Göllner, der Streit um den Namen. „Außerhalb der kommunalpolitisch Aktiven war das überhaupt kein Thema.“ Sein Favorit war ohnehin immer der heutige Name.

Bis Ende Oktober 1968 wurde die Debatte um den Namen ausgetragen, aber auch danach herrschte noch kein Frieden: Neun Klagen gegen das „Gesetz zur kommunalen Neugliederung des Raumes Bonn“ wurden nach dessen Inkrafttreten am 1. Juli 1969 angestrengt.

Verhindern konnten die Gerichtsverfahren den Zusammenschluss allerdings nicht mehr: Am 1. August 1969 wurde die neue Stadt Troisdorf in ihren heutigen Grenzen schließlich aus der Taufe gehoben. „Ich finde schon, das war ein Segen“, urteilt Ex-Bürgermeister Göllner heute.

Ausstellung zum Stadtjubiläum

Der Zusammenschluss von Sieglar, Altenrath, Troisdorf und Friedrich-Wilhelms-Hütte hatte auch pragmatische Konsequenzen: Unterschiedliche Telefonanlagen gab es in den Rathäusern von Troisdorf und Sieglar, für die städtischen Beschäftigten änderten sich die Arbeitszeiten – unter anderem mit einer auf eineinviertel Stunden verlängerten Mittagspause, da die Heimwege in der nun größeren Stadt länger waren. Für die Postzustellung wurden nicht nur die Postleitzahlen geändert, sondern auch zahlreiche Straßennamen: Doppelt und teilweise sogar dreifach hatte es manche Bezeichnung gegeben. Auch für die Fahrzeuge im Notdienst durfte es jede Straße nur einmal geben.

Zeitgleich mit der kommunalen Neuordnung endete das Zeitalter der Straßenbahn: Vor 50 Jahren verschwanden die letzten Schienen von der Frankfurter Straße, die RSVG reagierte mit einem neuen Liniennetzplan. Dies und mehr verrät eine Ausstellung zum Jubiläum, die unter dem Titel „Stolz auf unsere Stadt“ ab Freitag, 2. August, in der Remise der Burg Wissem gezeigt wird. Zu sehen ist die Schau bis Sonntag, 13. Oktober, bei freiem Eintritt zu den Öffnungszeiten des Museums. (dk)

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