Maskenpflicht-Kontrolle eskaliertHinterhalt im Supermarkt – Polizisten verletzt

Lesezeit 5 Minuten
troisdorfsupermarktyoutube

Eine Szene aus dem Video, das im Internet aufgetaucht ist: Einer der Extremisten prügelt auf einen Polizisten ein.

  • Was wie eine harmlose Routinekontrolle begonnen hatte, endete in einer heftigen Attacke auf zwei Polizisten.
  • In einem Supermarkt in Troisdorf sind Beamte am Wochenende körperlich angegriffen und verletzt worden.
  • Der Bonner Staatsschutz ermittelt. Der Angriff könnte eine Falle gewesen sein, Motive gibt es in zwei radikalen Milieus.

Troisdorf – Die Stimmung wirkt angespannt: Ein Polizeibeamter und sein Kollege wollen am Samstag von einem Kunden im Kaufland-Supermarkt in Troisdorf die Papiere sehen. Der Mann, der von einem Bekannten gefilmt wird, trägt keine Maske. Die Marktleitung hat die Polizei informiert. Der Beamte mahnt, die Kamera auszumachen. „Nein, nein“, entgegnet der Angesprochene in einem stark osteuropäisch gefärbten Deutsch, „das ist Selbstschutz.“

Unbeeindruckt hakt der Polizist nach. Was denn nun mit dem Personalausweis sei? „Ich bin Mensch, ich brauche keinen Personalausweis“, lautet die Antwort. Stattdessen zieht der Kunde seine Krankenkassenkarte hervor, um sich auszuweisen. Der Beamte macht klar: „Wir gehen jetzt gleich raus.“ Sein Gegenüber reagiert renitent: „Wir gehen nicht, wir stehen hier? Ihr bekommt später die Antwort für diesen Scheiß.“

Polizisten werden attackiert

Sein Begleiter blafft den Beamten ebenfalls erregt an. Prompt erhält er einen Platzverweis, will aber nicht gehen. Der nachfolgende Disput, später per Clip auf Youtube abrufbar, eskaliert. Die beiden Osteuropäer, ein Deutsch-Russe und ein Bulgare, schalten um auf Attacke. Schläge, Tritte, Schreie. Mindestens eine Frau mischt auf der Angreifer-Seite mit, beschimpft die zwei Polizeibeamten. Die fordern Verstärkung an.

Direkt morgens wissen, was in Köln passiert

Jetzt für „Stadt mit K“ anmelden!

Was bringt der Tag? Was kann ich in Köln unternehmen? Wo sollte ich essen gehen? Oder soll ich vielleicht doch lieber ein Rezept nachkochen? Wie ist die aktuelle Corona-Lage in der Stadt? Und welche Geschichten sollte ich auf keinen Fall verpassen?

All das liefern wir Ihnen in unserem Newsletter „Stadt mit K“ von Montag bis Freitag immer bis spätestens 7 Uhr bequem und kostenlos in ihr E-Mail-Postfach.

Als Newsletter-Abonnent erhalten Sie außerdem regelmäßig exklusive Informationen und können an interessanten Aktionen und Gewinnspielen teilnehmen. 

Jetzt für „Stadt mit K“ anmelden und über Köln auf dem Laufenden bleiben! 

Hier geht's zur Anmeldung.

Der Einsatz wegen eines Verstoßes gegen die Maskenpflicht führt letztlich zu zwei vorläufigen Festnahmen und zwei verletzten Polizisten. Einer von ihnen erleidet Knochenbrüche im Gesicht und muss operiert werden. Der Fall sorgt bundesweit für Schlagzeilen. Inzwischen hat der Bonner Staatsschutz die Ermittlungen übernommen. „Es besteht der Anfangsverdacht einer politisch motivierten Straftat“, sagte Polizeisprecher Simon Rott dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Beamte wohl in Falle gelockt

Die Ermittler gehen davon aus, dass die Polizisten in eine Falle gelockt wurden. Vermutlich seien noch weitere Personen daran beteiligt gewesen, heißt es. Womöglich ein gewaltsamer Akt politischer Wirrköpfe gegen die Beschränkungen in der Coronavirus-Krise. Vier Tage nach dem Geschehen durchsuchen die Strafverfolger am Mittwoch die Wohnungen beider Schläger. Dabei findet sich unter anderem eine Bodycam, die nun ausgewertet wird.

Die Motivsuche für den Angriff führt in zwei unterschiedliche radikale Milieus, die teils auch zusammenwirken. Zum einen nutzen inzwischen russische Blogger den Supermarkt-Clip, um via Youtube gegen deutsche Polizeigewalt und die Corona-Auflagen zu hetzen. Das passt ins Bild: Ende April warnte die EU bereits vor einer Fake-News-Flut durch teils staatlich gelenkte russische Medien über Twitter & Co., um Stimmung gegen die Staatengemeinschaft zu machen.

Verschwörungstheoretiker verbreiten krude Thesen

Als Beispiel nennen die Analysten ein Video, das auf einem vom Kreml in Moskau gegründeten Youtube-Kanal gepostet wurde. Unter der Überschrift „Der fehlende Part – Alles Panikmache ?“ verbreitet der Film die krude These, dass es die Corona-Pandemie nie gab. Der auf Deutsch verfasste Streifen wurde fast eine Million Mal geteilt und 5000-fach kommentiert. Der Sender, der ebenfalls Corona-Verschwörungsbeiträge ausstrahlt, nennt sich RT Deutsch.

Das Bundesinnenministerium geht inzwischen von einer Bedrohung für die öffentliche Sicherheit in Deutschland durch die TV-Berichte aus. So berichtete RT Deutsch unlängst, Händewaschen helfe nicht dabei, sich vor dem Coronavirus zu schützen. Allein dieser Beitrag wurde 65.000 Mal angeklickt. Längst haben die hiesigen Sicherheitsbehörden den Sender ins Blickfeld genommen.

Putin als Heilsbringer verehrt

In Deutschland sind vor allem auch Extremisten der „Russisch nationalen Befreiungsbewegung“ aktiv. Die Aktivisten träumen von einer Rückkehr zur Größe der einstigen Sowjetunion. Zugleich verehren sie den russischen Präsidenten Wladimir Putin als Heilsbringer. Die Gruppierung  gilt als Verbündete der selbst ernannten „Reichsbewegung“, einem Netzwerk ultranationalistischer Fantasten hierzulande. 

Reichsbürger wünschen sich das Kaiserreich zurück. Die Sicherheitsbehörden rechnen der Szene in Deutschland 19.000 Personen zu, darunter 950 Rechtsextremisten. Einige Gruppen berufen sich auf ein selbst definiertes „Naturrecht“, andere auf das historische Deutsche Reich aus dem Jahr 1871. Viele von ihnen halten den jetzigen Staat für ein Unternehmen. Gesetze und Behörden erkennen die Anhänger nicht an und weigern sich, Steuern zu zahlen. Teilweise wehren die Extremisten sich gewaltsam gegen behördliche Maßnahmen.

Ermittlungen wegen Verstoßes gegen Betäubungsmittelgesetz

Bei einem der beiden Schläger aus dem Supermarkt bestand in der Vergangenheit der Verdacht, ein Reichsbürger zu sein. Es sei  ein „Prüf-Fall“ bei dem Bulgaren eingeleitet worden, bestätigte die Bonner Polizei, der aber negativ ausgefallen sei. Sein Komplize, ein 37-jähriger Deutsch-Russe, betreibt in Troisdorf ein Lokal. Gegen ihn wird wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ermittelt.

Inszenierten also unzufriedene Extremisten das Polizeikomplott, um via Youtube weiter Stimmung gegen den staatlich verordneten Corona-Lockdown zu machen? Fakt ist, dass die Reichsbürgernetzwerke seit Wochen gegen die Corona-Einschränkungen trommeln. So propagierte die „Reichsbewegung“ für die Maikundgebungen den „koordinierten Widerstand“. Einer Massen-Mail zufolge sollten überall „Corona-Panikmacher, Impf-Propagandisten und Denunzianten, ebenso aber auch Befürworter von Tracking-Apps und der Bargeld-Abschaffung ganz energisch in die Schranken“ gewiesen werden.

Das könnte Sie auch interessieren:

Offen riefen die Initiatoren zum Boykott der Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus auf. Bei so genannten „Hygiene-Demos“ kam es am Wochenende vereinzelt zu Gewalttaten. Zugleich drohten Extremisten im Netz den Virologen sowie Politikern mit Gefängnis.  Anlass sei die „Inszenierung des unglaublich dreisten Corona-'Virus'-Theaters“, das man als „Vernichtungskrieg gegen die europäischen Völker und besonders gegen uns Deutsche“ diffamierte.

Mit Blick auf die Ereignisse im Troisdorfer Supermarkt sprach der Vize-Chef der Gewerkschaft der Polizei in NRW, Michael Maatz, von einer „neuen Dimension der Gewalt gegen die Kollegen“. Ohnehin sei die Zahl der tätlichen Angriffe auf Polizeibeamte 2019 im Vergleich zum vorvergangenen Jahr um 636 Fälle auf 1907 gestiegen. „Dies hier war eine geplante Attacke mit einem politischen Hintergrund, das macht mich fassungslos“, resümiert Maatz.

KStA abonnieren