Tagebau in IndenHeute Mondlandschaft, übermorgen Freizeitparadies – und morgen?

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Indesee

Heute noch Tagebau, künftig See: Blick auf einen der geplanten Jachthäfen der Gemeinde Inden

  • Vom zernarbten und ausgekohlten Niemandsland zum großen, maritimen Freizeit- und Erholungspark des Westens: Spätestens 2030 wird in Inden keine Kohle mehr gefördert. Aus dem Tagebau soll dann ein gigantischer See werden.
  • Der Zeitraum zwischen 2030 bis 2060 kommt bislang in keinem der Gutachten zum See richtig vor - und ist für Indens Bürgermeister eher Anlass zur Sorge.
  • Ist die Idee vom See zu schön, um wahr zu werden?

Inden – Von all den Veränderungen, die auf das Rheinland unweigerlich zukommen, ist dies die einzige, die man vom Weltall aus sehen kann: Spätestens 2030 werden rund um den Tagebau Inden die Pumpen abgestellt. In der Folge steigt in der Gegend wieder das Grundwasser, sickert in die bis zu acht Kilometer lange, zwei Kilometer breite und 200 Meter tiefe Grube ein und füllt so nach und nach den Indesee – das erste der drei Groß-Gewässer, die das Braunkohle-Revier bis zum Jahr 2100 in eine Seenlandschaft transformieren werden – vom zernarbten und ausgekohlten Niemandsland zum großen, maritimen Freizeit- und Erholungspark des Westens.

Der Indesee wird etwa ab dem Jahr 2050 mit einer Fläche von 12 Quadratkilometern der größte See Nordrhein-Westfalens sein. Zumindest vorübergehend, denn ab Mitte des Jahrhunderts soll mit der Flutung der Tagebaue in Garzweiler (20 Quadratkilometer) und Hambach (40 Quadratkilometer) begonnen werden. Das ist der aktuelle Stand – denn um diese Tagebaue wird heftig gestritten: Die Abbaufläche für Garzweiler ist jüngst verkleinert worden; der Hambacher Forst ist gar zum bundesweiten Symbol im Kampf um den Ausstieg aus der Braunkohle eskaliert.

Freibäder, Häfen, Wanderwege und ein Golfplatz

Jörn Langefeld, Bürgermeister der Gemeinde Inden, verfolgt die Ausstiegsdebatte sehr aufmerksam. „Wir bekommen einen See“, sagt er, „das ist unabänderlich.“ Der Braunkohleplan Inden II ist da sehr eindeutig und die Signale aus der Politik stimmen ihn zuversichtlich, dass sich an der Planung nichts ändere.

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Falls doch – die Bevölkerung ist Umwälzungen gewöhnt. Die Tagebaue haben sich jahrzehntelang durch die Gegend gefressen, auf ihrem Weg zahlreiche Dörfer und Weiler verschluckt; sie haben die Landschaft aufgewühlt, verbraucht und vernarbt. Im Gegenzug hat die Kohle die Menschen mit Arbeit, relativer Sicherheit und ein bisschen Wohlstand versorgt. Die rekultivierten Gebiete sind inzwischen von den Menschen zurückerobert worden, einige Gegenden können sich wieder sehen lassen, zum Beispiel gleich nebenan der Blausteinsee, ein Restsee aus dem Tagebau „Zukunft“ – ein Name, bei dem erst heute ein bitterer Unterton mitschwingt.

Wenn nun die großen Seen kommen – ein größerer Kontrast zu den Braunkohle-Canyons ist nicht vorstellbar – dann schlagen zwei Herzen in Langefelds Brust. „Natürlich“, sagt der Bürgermeister, „wird die Lebensqualität mit einem See für die Menschen höher sein. Statt der Braunkohle haben wir künftig ein Erholungsgebiet: Tourismus, Hotels, Naherholung für Menschen aus dem Köln/ Düsseldorfer Raum, aus dem Ruhrgebiet. Nach Holland braucht dann keiner mehr zu fahren.“

Daraus ergeben sich Notwendigkeiten. Wo jetzt noch die Schaufelradbagger stehen, möchte die Gemeinde Inden künftig dies sehen: Freibäder, Häfen, Wanderwege um den See, einen Golfplatz, eine Flachwasserzone, eine Naturschutzzone, ausgewiesene Flächen für Wassersportler, Infrastruktur für die Segler, Platz für die Angler – „und hier“, sagt Langefeld und zeigt auf eine Planungskarte, „vielleicht mitten im See eine Insel mit einem kleinen Museum.“ Dort könnte der Wandel dokumentiert werden.

Auf der anderen Seite gibt es Anlass zur Sorge: „Diese Grube versorgt das Kraftwerk Weisweiler“, sagt Langefeld, „wenn all die Arbeitsplätze wegfallen, ist das ein Problem – die Infrastruktur, um das aufzufangen, ist noch nicht da.“ Jetzt nicht und nicht im Jahr 2030, wenn die Pumpen abgeschaltet werden. „Hier ist die Hälfte der Bevölkerung von RWE und von der Braunkohle abhängig.Was nützt es mir, wenn ich 2030 hier ein riesiges Loch habe, aber sonst nichts fertig ist? Die Leute werden wegziehen, weil sie woanders arbeiten müssen. Dann habe ich hier keinen prosperierenden Ort , sondern Leerstand.“

Indens Bürgermeister fürchtet 30 Jahre Stillstand bis 2060

Zuletzt hatten sich einige Unternehmen in Inden angesiedelt, eines mit 800 Arbeitsplätze, ein anderes mit 100 . „Das hört sich nicht so viel an“, sagt der Bürgermeister, „ist aber für unsere Gemeinde mit 7500 Einwohnern eine Hausnummer.“ Aber kein Ersatz für Tagebau und Kraftwerk.

Bürgermeister Jörn Langefeld

Bürgermeister Jörn Langefeld

In gewisser Weise sieht man in Inden für die Abfederung der Probleme RWE in der Pflicht. „Wir verlieren durch den See mehr als 70 Prozent unserer Fläche“, sagt Langefeld. „Wir verlieren alle Entwicklungsflächen, die im Abbaugebiet liegen.“ Zwar kam der Impuls für den See einst aus dem Indener Rat – profitieren wird aber auch der Konzern – in erheblichem Maße. „Durch die Verfüllung mit Wasser statt durch Abraum aus dem Tagebau Hambach spart RWE einige Milliarden an Kosten.“ Gut 800 Millionen Kubikmeter Abraum hätten über Jahrzehnte hinweg auf Trassen, Bändern und Schienen von Hambach nach Inden transportiert werden müssen. Dagegen sei das Abstellen der Pumpen vergleichsweise einfach.

„Wir haben gleich nebenan das Forschungszentrum Jülich“, sagt Langefeld. Ich würde also gerne ein paar Institute hier ansiedeln, Hightech, Dienstleistung. Das kommt aber erst später. Der Zeitraum zwischen 2030 bis 2060 kommt bislang in keinem der Gutachten zum See richtig vor. „Ich befürchte 30 Jahre Stillstand.“ Es gibt keine Jobs mehr, aber es gibt auch noch keinen See. Hier müssen RWE und Rheinbraun mit Sozialplänen abfedern, die Mitarbeiter des Tagebaus Inden könnten in Hambach arbeiten.“ Wenn es Hambach dann noch gibt.

Eigentumsfragen rund um den See müssen geklärt werden

Perspektivisch ist für die Gemeinde wichtig, die Eigentumsfragen rund um den See zu klären. RWE hat damals einen Teil der Flächen gekauft, tausende Grundstücke sind vor allem von Landwirten zur Bergbaunutzung verpachtet worden. Kommt der See, sind sie weg.

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Für die Gemeinde ist es wichtig, die Seerandgebiete vermarkten zu können. „Spekulanten rangeln jetzt schon um die Grundstücke“, sagt Langefeld. Der Bürgermeister könnte sich als infrastrukturelle Starthilfe eine Landesgartenschau vorstellen. „Das wäre eine Idee. Flächen, die ohnehin entwickelt werden müssen, könnten wir angehen. Das wäre hinterher komplett nutzbar. Ich hätte Teile der Infrastruktur schon gekauft und die Besucher mit dem künftigen See bekanntgemacht.“

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