Todesnachricht war zu vielPhilipp T. über den harten Gang für Polizei-Azubis

Lesezeit 4 Minuten
Polizei_Ausbildung_59999044

Auszubildende einer Polizeischule beobachten einen Einsatz (Symbolbild)

  • Für Philipp T. (Name geändert) ist schon während der Schulzeit klar: Er will Polizist werden. Doch die Realität holte ihn schnell ein. Im zweiten Lehrjahr wirft er hin.
  • Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet er vom harten Gang für Polizei-Azubis.
  • NRW-Innenminister Reul will mit zusätzlicher Nachhilfe gegen die hohe Durchfallquote Maßnahmen ergreifen.

Düsseldorf – Philipp T. * hat die Bilder immer noch im Kopf. Wie der Sohn die Tür öffnet, die Mutter hinzukommt und schnell in Tränen ausbricht. Das war, als Philip T. noch Polizist war. In seiner Ausbildung zum Kommissar musste er einer Familie die Nachricht überbringen, dass der Vater Selbstmord begangen hatte. Eine Erfahrung, die den Polizei-Azubi schwer belastet hat.

„Ich habe das mit nach Hause genommen“, berichtet Philipp T. dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die emotionale Belastung habe er sich aber nicht anmerken lassen: „Ich hatte Angst, dass das meiner berufliche Karriere im Weg stehen würde.“

Ins kalte Wasser geworfen

Philipp T. kommt aus dem Ruhrgebiet. Schon während der Schulzeit ist für ihn klar: Er will Polizist werden. Nach dem Abitur bewirbt er sich 2014 bei der Polizei. Er besteht den Einstellungstest. „Wenn du den Kindheitstraum hast, Polizist zu werden, dann hast du die rosarote Brille auf. Das wird verstärkt dadurch, dass du eingekleidet wirst. Das erste Mal die Polizeiuniform anzuhaben, ist ein geiles Gefühl. Zu Hause sind auch alle stolz“, berichtet er. „Aber dann hast du das Praktikum und wirst von Null auf Hundert ins kalte Wasser geworfen. Jeden Tag passieren unvorstellbare Dinge, die man sich gar nicht ausmalen kann. Aber du bist die Polizei. Du kannst niemanden rufen.“ Im zweiten Lehrjahr wirft Philipp T. hin.

Alles zum Thema Herbert Reul

Hohe Abbrecherquote „nicht akzeptabel“

Die schwarz-gelbe Landesregierung hat die Einstellungszahlen bei der Polizei deutlich angehoben. Jedes Jahr treten 2500 Kommissaranwärter den Dienst neu an. Doch mit der erhöhten Ausbildungskapazität ist auch die Zahl der Abbrecher signifikant angestiegen. Aus einer Vorlage des NRW-Innenministeriums geht hervor, dass die Durchfallquote für das Abschlussjahr 2019 auf 17 Prozent angestiegen ist. Im Jahr 2017 lag der Wert noch bei 12,6 Prozent. „Jeder Kommissaranwärter, der seine Ausbildung abbricht, ist ein herber Verlust, denn seine Stelle wird ja nicht nachbesetzt“, sagt Michael Mertens, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW. Die hohe Abbrecherquote sei „nicht akzeptabel“.

Die meisten Polizei-Azubis werfen ihre Ausbildung bereits im ersten Jahr hin. Neben der Erkenntnis, dass die eigene Vorstellung vom Polizeiberuf nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt, sind nicht bestandene Klausuren ein Grund dafür. „Manchen Anwärtern fällt es schwer, mit juristischen Detailfragen in der Ausbildung klar zu kommen“, erklärt Mertens. Der Gutachterstil, in dem die Klausuren verfasst werden müssten, sei für viele gewöhungsbedürftig. „Auch Staatsrecht ist nicht jedermanns Sache“, fügt der GdP-Chef hinzu. Bislang hat jeder Anwärter nur eine Chance, eine nicht bestandene Klausur zu wiederholen. Vor dem Hintergrund der hohen Durchfallquoten will NRW-Innenminister Herbert Reul den schwächeren Polizei-Azubis jetzt unter die Arme greifen. „Wir brauchen bei der NRW-Polizei die besten jungen Männer und Frauen“, sagte der CDU-Politiker dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Deshalb kümmern wir uns auch um unseren Nachwuchs, zum Beispiel indem wir ihn unterstützen, wenn er Hilfe beim Lernen braucht. Ab Sommer finden dezentral die ersten Repetitorien statt, was die Durchfallquote bei Klausuren senken soll.“

Dankbar für alle Bewerber

Die neuen Repetitorien sollen erstmals vom 13. Juli bis 23. August 2020 für den Einstellungsjahrgang 2019 durchgeführt werden. Damit liegen sie zwischen der nächsten Bekanntgabe von Klausurergebnissen und den Wiederholungsklausuren. Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in NRW, glaubt nicht daran, dass das Problem mit mehr Nachhilfe zu lösen ist. „Der Polizeiberuf steht in einem harten Wettkampf . Andere Berufe sind oft besser bezahlt oder haben attraktivere Arbeitszeiten“, sagt Fiedler. „Das führt dazu, dass die Polizei quasi dankbar sein muss für alle Bewerber, die geeignet sind und die nicht abspringen“, so der BDK-Chef.

Das könnte Sie auch interessieren:

Das beste Rezept, um das Nachwuchsproblem zu bekämpfen, sei eine Reform der Polizeiausbildung. „Es gibt jede Menge junger Leute, die sich für den Kripo-Beruf interessieren, die aber nicht einsehen, dass man auf dem Weg dahin erstmal jahrelang seinen Dienst bei der Schutzpolizei absolvieren muss“, sagt Fieder. „Die hohe Zahl der geeigneten aber abgelehnten Bewerber beim Bundeskriminalamt zeigt, dass wir in Nordrhein-Westfalen Tausende Berufsinteressenten verprellen, weil wir keinen Studiengang für die Kriminalpolizei anbieten“. Dieses Anliegen habe die CDU zu ihrer Oppositionszeit unterstützt.

*Name geändert

KStA abonnieren