Tumulte in NRWIn neun von zehn Fällen sind Männer an Gewaltexzessen beteiligt

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Düsseldorf Polizei Altstadt Symbol

Polizisten patrouillieren in der Düsseldorfer Altstadt. (Symbolbild)

Düsseldorf/Köln – Die jungen Männer, die auf dem Rheinboulevard im rechtsrheinischen Köln-Deutz eine 26-jährige Polizistin angegriffen und verletzt hatten, konnten nicht festgenommen werden. Etwa 200 weitere Randalierer solidarisierten sich am 20. April dieses Jahres mit den Tätern, stellten sich vor sie. Die Männer hatten sich ursprünglich untereinander geprügelt, jetzt aber attackierten sie die Kollegen der verletzten Beamtin. Aus Schubsereien und Rangeleien wurden gezielte Faustschläge, so ein Zeuge.

Die in der Nähe stattfindende Deutzer Kirmes, bedrohlich überfüllt, war zuvor schon geräumt worden, nachdem es zu zehn Polizeieinsätzen wegen Körperverletzungen gekommen war. Etwa 70 Beamte zur Verstärkung mussten schließlich kommen, bis auch der Rheinboulevard geräumt und die beiden Polizistin-Angreifer festgenommen werden konnten.

Körperverletzung und Landfriedensbruch

„Tumultlagen“ nennt die nordrhein-westfälische Polizei solche Situation, wegen denen sie im ersten Halbjahr 2022 schon 24 Mal ausrücken mussten. Das geht aus einer Antwort des Düsseldorfer Innenministeriums auf eine Anfrage aus der AfD-Landtagsfraktion hervor.

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Unter einer Tumultlage verstehe man „aus polizeifachlicher Sicht“ eine Situation, hervorgerufen „durch oder aus einer aggressiv auftretenden Personengruppe, bei der die Anzahl der Personen, ihre Rolle beziehungsweise der Status einzelner Personen beim ersten Einschreiten nicht sofort zu bestimmen ist“, erläuterte eine Sprecherin des Ministeriums.

Dabei könne „strafrechtlich relevantes Verhalten untereinander auftreten, sich gegen andere Gruppen beziehungsweise Personen oder gegen die einschreitenden Beamten richten“. Als Straftatbestände kämen bei diesen Zusammenrottungen „in der Regel zumindest Landfriedensbuchsdelikte, Beleidigungs-, Körperverletzungs-, Sachbeschädigungs- und/oder Widerstandsdelikte“ in Frage.

Massenschlägerei in Essen, Kirmesprügelei in Köln

Eine Massenschlägerei mit etwa 40 Beteiligten in Essen, Randale in der Düsseldorfer Altstadt oder eine wilde Prügelei mit bis zu 70 Personen nach einer nächtlichen Ruhestörung in Duisburg: Zu aufsehenerregenden Tumulten ist es im ersten Halbjahr 2022 aber nicht nur in Großstädten gekommen. Am 18. Mai beispielsweise wurde eine Ladendiebin in der Rheinberg Galerie in Bergisch Gladbach entdeckt. Als die Polizei eintraf, flüchtete die Frau in Richtung des dortigen Busbahnhofes.

Wenn junge Menschen gewalttätig werden, haben sie nicht gelernt, Konflikte mit Worten zu lösen.

Wenn junge Menschen gewalttätig werden, haben sie nicht gelernt, Konflikte mit Worten zu lösen.

„Während der Identitätsfeststellung kam es zu Widerstandshandlungen, wodurch weitere außenstehende Personen hinzukamen und sich mit der Ladendiebin solidarisierten“, teilte die Polizei des Rheinisch-Bergischen Kreises dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit. „Aufgrund der Vielzahl an beteiligten Personen, wurden weitere Einsatzkräfte zum Busbahnhof entsandt, wodurch die Lage schließlich beruhigt werden konnte.“ Insgesamt seien acht Platzverweise erteilt und fünf Strafanzeigen geschrieben worden.

2018 sogar 179 Tumulte in NRW

Tumultlagen werden in NRW seit Anfang 2018 systematisch erfasst - damals waren es sogar 179 Fälle. Im Jahr 2019 wurden 93 und im Jahr darauf 67 Fälle registriert. In insgesamt sieben Fällen aus dem Jahr 2021 mit 35 Tumulten sowie dem ersten Halbjahr 2022 seien Bezüge zur Clankriminalität festgestellt worden, berichtete das Innenministerium. Für das laufende Jahr sei zu beachten, dass einige Strafverfahren noch in Bearbeitung seien und sich daraus noch Änderungen bei den Daten ergeben könnten.

Laut Statistik des Innenressorts für die Jahre 2021 und 2022 waren deutsche Staatsangehörige mit 147 Nennungen - darunter Mehrfacherfassungen - mit großem Abstand am häufigsten bei den Tumulten beteiligt. Danach kamen Deutsch-Libanesen (22), Türken (20) und Rumänen (12). Nach einer Auswertung des „Kölner Stadt-Anzeiger“ lassen die Vornamen der deutschen Beschuldigten bei etwa 100 Tatverdächtigen auf einen Migrationshintergrund schließen. Nur in jedem zehnten Fall waren die Tumult-Beteiligten weiblich.

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