Volksinitiative Artenvielfalt100.000 Unterschriften für eine bessere Umweltpolitik

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Ein Distelfalter in einem von Borkenkäfern zerstörten Wald.

Düsseldorf – Mehr als 100.000 Unterschriften hat die Volksinitiative Artenvielfalt NRW bis zum selbst gesetzten Stichtag Anfang  Juni gesammelt. Das nötige Quorum – 0,5 Prozent der stimmberechtigten Deutschen in NRW – von 66.000 Unterzeichnern, ab dem sich der Landtag mit dem Thema befassen muss, war bereits im Februar geschafft. So richtige Euphorie kam bei den Organisatoren dennoch nicht auf: „Wir sind mit dem Ergebnis zufrieden“, sagt Birgit Königs, Sprecherin vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, „auch wenn wir uns natürlich noch mehr gewünscht hätten.“ Die Verhältnisse waren aber wohl nicht danach .

Vorbild in Bayern: „Rettet die Bienen“

Die Volksinitiative in NRW war inspiriert vom großen Erfolg des Volksbegehrens „Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern“ mit dem überaus konsensfähigen Schlachtruf „Rettet die Bienen“: Dort hatten sich binnen 14 Tagen im Februar 2019 mehr als 1,74 Millionen Menschen in den Rathäusern  in die ausgelegten Listen der Aktion eingetragen – bei einer Bevölkerungszahl von etwa 9,4 Millionen Bayern entsprach das einem Anteil von 18,3 Prozent. Das „erfolgreichste Volksbegehren in Bayern“ lobten sich die Veranstalter selbst – wohl zurecht.

Die Aktion in Bayern hatte seinerzeit eine erhebliche Dynamik entwickelt – mit Volksfesten, Open-Air-Konzerten und bunten Straßenveranstaltungen machten die Bienenretter auf sich und ihre Initiative aufmerksam. Das hat sich in NRW so nicht ergeben, was wohl auch an den eingeschränkten Möglichkeiten durch Corona lag. An Rhein und Ruhr startete die Unterschriften-Sammlung im Juli 2020. „Volksfeste und große Mitmach-Aktionen zum Thema konnten wir nicht veranstalten“, sagt Birgit Königs etwas bedauernd, „solche kraftvollen Bilder  wie in Bayern konnten wir nicht zeigen.“  Womöglich, meint sie, hätten sich die Dinge deshalb etwas zögerlicher entwickelt.

Kein Volksbegehren in NRW

Ein offizielles Volksbegehren, wie es die Bayern  so erfolgreich initiiert haben, wird es in NRW nicht geben. „Das war aber auch von Anfang an nicht das Ziel“, sagt Birgit Königs, „wir werden damit auch nicht  drohen, wenn wir mit der Politik sprechen.“ Obwohl das nötige Quorum dafür bei einer etwa einer Million Unterschriften (acht Prozent der stimmberechtigten Deutschen) liegt, habe der Verzicht nichts zu tun mit dem aktuelle Ergebnis der Unterschriftensammlung. Die Organisatoren der Initiative –  Nabu NRW,  Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und  die Landesgemeinschaft Naturschutz (LNU)  als Dachorganisation zahlreicher kleinerer Bündnisse und Verbände,  machen dafür inhaltliche Grunde geltend.

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„Ein Volksbegehren wie in Bayern  hätte bedeutet“, sagt Birgit Königs, „dass  man sich auf ein Gesetz festlegt, dessen Änderung und Umformulierung man fordert. Das wäre hier  das   Naturschutzgesetz.“ Dieses Gesetz aber sei in NRW  gar nicht mal  so schlecht – „in dieser Hinsicht hatten Bayern und Baden-Württemberg  weitaus größeren Nachholbedarf.“  Die Ziele der  Initiative Artenschutz in NRW sind breiter gefasst. Man erhofft sich  einen stärkeren  Einfluss in verschiedenen Bereichen der Politik– auf die Entwicklungspläne, auf die Flächennutzung und auf die Baupolitik. „Wir brauchen mehr Geld, das zugunsten der Artenvielfalt investiert wird“, sagt Birgit Königs, „die  Organisationen, die in dem Bereich tätig sind, brauchen eine bessere personelle Ausstattung.“

Aktion vor dem Landtag geplant

Als nächstes werden nun die Einwohnermeldeämter in NRW die Echtheit der eingesammelten Unterschriften bestätigen.  „Diese Unterschriften werden wir am 1. Juli in Verbindung mit ein paar Aktionen dem Präsidenten des Landtags  übergeben“, sagt Königs. Da das vorgegebene  Quorum erreicht ist, ist der Landtag in der Folge  verpflichtet,  sich binnen drei Monaten im Rahmen einer Expertenanhörung mit dem Handlungsprogramm der Initiative zu befassen. Dazu zählen  Maßnahmen gegen den „Flächenfraß“ im Land,  ein wirksamer Schutz der Schutzgebiete in NRW, die Förderung naturnaher und wilder Wälder, die Förderung  einer naturverträglichen Landwirtschaft  und  die Einrichtung eines Nationalparks in der Senne – wenn das britische Militär sich aus der fast 120  Quadratkilometer großen Fläche in Ostwestfalen-Lippe zurückzieht. Die Veranstalter der Initiative Artenschutz  haben den Eindruck, dass gerade eine gute Zeit für Veränderungen ist. „Das Urteil aus  Karlrsuhe zum Umweltschutz und das neue Insektenschutzgesetz verlangen ohnehin konsequentes Handeln von der Landesregierung“, sagt Birgit Königs vom Nabu NRW. 

In der Zwischenzeit hat  sich der Umweltausschuss des Landtags  bereits mit der Thematik auseinandergesetzt.  Grüne und SPD hatten Anträge  für mehr Natur- und Artenschutz in NRW  eingereicht. Der  NABU begrüßte das aus naheliegenden Gründen ausdrücklich: „Wir brauchen mehr Hecken, Feldgehölze und pestizidfreie Schutzgebiete, wollen wir das Artensterben stoppen und die Artenvielfalt in Nordrhein-Westfalen erhalten“, sagte  Heide Naderer, Vorsitzende des NABU NRW.  Schutzgebiete müssten ihren Zweck, Lebensräume für zumeist bedrohte Tier- und Pflanzenarten zu erhalten, erfüllen können. „Eine Definition der Naturschutzgebiete als Tabuzonen für den Pestizideinsatz und die Einrichtung von wirksamen Pufferzonen gegen den Eintrag über Luft und Niederschlagswasser ist daher überfällig“, sagte  Naderer.

In diesem thematischen Umfeld kommen, findet der Nabu NRW, 100.000 Unterschriften für mehr Artenvielfalt  womöglich gerade recht.

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