Rom e.V."Für uns gibt es kein Vergessen"

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Gunter Demnig verlegt Stolpersteine in Sülz.

Gunter Demnig verlegt Stolpersteine in Sülz.

Köln – Ilga Grünholz war nicht einmal vier Jahre alt, als sie in den Tod geschickt wurde. 1943 wurde das kleine Mädchen im Lager Auschwitz-Birkenau ermordet – so wie etwa 1000 weitere Kölner Sinti und Roma. Im Rahmen einer Gedenkaktion, in deren Rahmen an 22 Orten in Köln mit Stolpersteinen an 57 Opfer der Nationalsozialisten erinnert wurde, verlegte Künstler Gunter Demnig auch drei Steine vor dem früheren Waisenheim am Sülzgürtel 43. Hier hatten Grünholz sowie die Kinder Gertrud und Hugo Rose gelebt, bevor sie umgebracht wurden.

Verrat der Heim-Mitarbeiter

„Was mich fassungslos macht, ist, dass es Mitarbeiter des städtischen Heims waren, die Ilga dem NS-Verfolgungsapparat ausgeliefert haben“, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker bei der Stolperstein-Verlegung. Dabei sei 1943 bereits klar gewesen, dass sie damit in den Tod geschickt würde. SS-Chef Heinrich Himmler hatte im Dezember 1942 angeordnet, alle Sinti und Roma zu deportieren. „Ich verneige mich vor den Familien und bitte um Entschuldigung“, sagte Reker.

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Stolpersteine erinnern an drei ermordete Sinti- und Romakinder.

Seit 1933 wurden auch Kölner Sinti- und Roma-Familien systematisch aus dem Staatsdienst gedrängt, zwangssterilisiert und verfolgt. In Bickendorf wurde 1935 ein sogenanntes „Zigeunerlager“ errichtet, in das Sinti und Roma eingewiesen wurden. Das Lager war mit einem zwei Meter hohen Stacheldrahtzaun umgeben und wurde von bewaffneten Polizisten und einem SS-Mann bewacht.

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Bickendorfer Lager

Im Lager wurden Sinti und Roma unter der Regie der „rassenhygienischen und bevölkerungsbiologischen Forschungsstelle im Reichgesundheitsamt“ systematisch erfasst, Körperteile vermessen, Augenfarben bestimmt, Finger- und Handabdrücke genommen und Haarproben eingesammelt. Seit 1940 wurden Sinti und Roma über den Bahnhof Deutz-Tief nach Polen deportiert. Dort mussten sie schwere Zwangsarbeit leisten, später wurden sie in Auschwitz-Birkenau getötet.

So können Sie helfen

Mit „wir helfen: weil alle Kinder eine Chance brauchen“ bitten wir um Spenden für Projekte und Initiativen, die benachteiligte Kinder und Jugendliche in Köln und in der Region unterstützen.

Die Spendenkonten lauten:

„wir helfen – der Unterstützungsverein von M. DuMont Schauberg e.V.“

Kreissparkasse Köln, IBAN:

DE03370502990000162155

Sparkasse Köln-Bonn, IBAN:

DE21 37050198 0022252225

Kontakt: „wir helfen e.V.“,

Amsterdamer Straße 192, 50735 Köln, (0221) 224-2789 (Anträge), 224-2840 (Spenden), 224-2130 (Redaktion)

wirhelfen@dumont.de

Tod in Birkenau

Ilga Grünholz kam aus einer Roma-Familie deutscher Herkunft und wurde am 8. September 1939 in Köln geboren. Als Säugling trennte man sie zwangsweise von ihrer Familie und brachte sie in einem Kinderheim in Leverkusen, später in Sülz unter. Aus den Akten der früheren Kriminalpolizei-Elitestelle Köln geht hervor, dass es Mitarbeiter des Heims waren, die die Polizei im Januar 1943 auf das „Zigeunerkind“ aufmerksam machten. Am 3. März wurde Ilga nach Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie später starb.

Hugo und Gertrud Rose waren Sinti-Kinder aus einer Artistenfamilie. Die Eltern Johanna und Oswald Rose hatten 1935 in Nippes geheiratet. Vor den Nationalsozialisten floh die Familie nach Wien, wo Gertrud Rose am 31. Juli 1939 geboren wurde. Bruder Hugo war bereits 1938 in Gotha auf die Welt gekommen.

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Stolpersteinverlegung

Vater Oswald Rose wurde 1939 verhaftet und nach Dachau, später nach Buchenwald, Mauthausen und Hartheim verschleppt, wo er 1941 ermordet wurde. Seine Frau Johanna kehrte im Oktober 1941 nach Köln zurück. Hier wurde sie verhaftet, als sie Nahrung beschaffen wollte. Die Familie wurde auseinandergerissen, Hugo und Gertrud Rose kamen ins Sülzer Kinderheim. Am 22. Februar 1944 wurden sie nach Auschwitz-Birkenau deportiert.

Gegen das Vergessen

„Für uns gibt es kein Vergessen“, sagte Beata Burakowska vom Rom e.V. Burakowska warnte vor einem neu aufziehenden Antiziganismus und verurteilte, dass der bis zum Sommer amtierende italienische Innenminister Mario Salvini Sinti und Roma registrieren lassen wollte. Bereits 2001 hatte Demnig für die drei Toten Gedenksteine vor dem Kinderheim verlegt. Damals trugen die Stolpersteine allerdings keine Namen.

Beim Rückbau des Kinderheims – heute stehen hier Wohnungen – wurden die Steine versehentlich von einem Baggerfahrer aus dem Bürgersteig gerissen und wären wohl verschollen, hätten sie nicht Mitglieder des Fördervereins „Erinnerungsorte Kinderheim Sülz“ gerettet und anschließend aufbewahrt. Das NS-Dokumentationszentrum hat anschließend die Geschichten der drei Kinder recherchiert und die Steine neu beschriften lassen.

Der Kölner Musiker Markus Reinhardt, dessen Familienangehörige ebenfalls von den Nationalsozialisten ermordet wurden, kündigte für 2020 eine Gedenkaktion an. Er will den Weg von Auschwitz nach Köln mit zahlreichen Zeitzeugen begehen und mit Lesungen etwa in Schulen begleiten.

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