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InklusionFreizeitspaß für alle? Geht doch!

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Timon, 13, aus Köln bewertet seinen allerersten Freizeitparkbesuch als top!

Timon, 13, aus Köln bewertet seinen allerersten Freizeitparkbesuch als top!

Efteling – „Mensch Papa, das ist doch kein Mond, das ist ein Planet!“, ruft Timon begeistert. Der 13-Jährige hat eine riesige schwarze Brille im Gesicht, mit der er „Virtual Reality“ erlebt. „Und jetzt sehe ich einen Zauberer. Und einen König.“ Timon sitzt gemeinsam mit seinem Vater in einem Nebenraum des Fahrgeschäfts „Droomvlucht“ im niederländischen Freizeitpark Efteling, zweieinhalb Autostunden von Köln entfernt. Droomvlucht bedeutet Traumflug. Elfen, sprechende Bäume und viele andere Fabelwesen gibt es hier zu bewundern. Zur gleichen Zeit fährt Timons Mutter in einer kleinen Gondel durch die Attraktion. Über Headset und Kopfhörer ist sie mit ihrem Sohn verbunden. Beide sehen und hören dasselbe zur selben Zeit: Timon unter seiner schwarzen Brille, Gudrun während ihrer Fahrt mit der Gondel.

Ständig auf der Hut

Vom Rollstuhl in die Gondel zu steigen, das wäre für Timon nicht möglich. Der 13-Jährige hat Glasknochen und muss höllisch aufpassen, dass er nirgendwo anstößt oder sich verletzt. Seit dem vergangenen Jahr ist „Droomvlucht“ auch für Gäste mit Behinderung zugänglich. Moderne Technologien ermöglichen, dass der Besucher im Rollstuhl nicht nur sieht, sondern auch fühlt, hört und riecht, was seine Freunde oder Familienmitglieder im selben Moment innerhalb der Attraktion wahrnehmen.

Die Idee dazu hatte vor zwei Jahren ein Freizeitpark-Praktikant. „Durch digitale Entwicklungen ist heutzutage so viel möglich. Ich habe mich gefragt, warum es in dieser Themenfahrt noch keine Alternative für körperlich beeinträchtigte Gäste gibt“, sagt Frank Teunen, der 2017 ein Praktikum in Efteling absolviert hatte. Er entwickelte ein Konzept zum gemeinsamen Gruppenerlebnis mithilfe einer Virtual-Reality-Brille – und überzeugte mit seinen Plänen die Geschäftsführung.

Noch nie in einem Freizeitpark

Denn einen Vergnügungspark zu besuchen ist für Rollstuhlfahrer oft gar nicht möglich und wenn, ist es kein wirkliches Vergnügen. Zumindest nicht in Deutschland. Meist gibt es kaum barrierefreie Fahrgeschäfte, Toiletten oder Restaurants. „Deswegen war ich bisher auch noch nie in einem Freizeitpark“, erzählt Timon. „Achterbahnen und so, das ist nichts für mich.“ Zu gefährlich, wegen der Glasknochen. Und zu umständlich mit dem Rollstuhl.

Auch die Vorsitzende des Rollstuhlclubs Köln e.V., Ümmügül Yilmaz, hat ähnliche Erfahrungen mit deutschen Freizeitparks gemacht: „Natürlich kann ich nicht für alle sprechen, aber ich erinnere mich an einen Besuch in einem Freizeitpark, wo mir als Rollstuhlfahrerin zwar gratis Einlass gewährt wurde, ich aber nicht viel machen konnte, außer mir die Shows und Varietés anzuschauen oder Cafés zu besuchen. Da wird ein Tag schon lang. Im Ausland habe ich das anders erlebt, in Frankreich etwa gibt es Parks mit vielen barrierefreien Attraktionen.“

Was Ümmügül Yilmaz auch ärgert: „In dem erwähnten Park hätte ich eine Nutzungs- und Verzichtserklärung unterschreiben müssen, dass ich die wenigen Attraktionen, die ich überhaupt hätten nutzen können, auf eigene Gefahr betrete.

Alle anderen Menschen ohne Handycap müssen das nicht. Wenn das mal keine Ausgrenzung ist!“ Christian Kohlheyer betreibt die Webseite „freizeitparkmithandicap.de“. Er moniert: „Während es zum Beispiel in den Niederlanden mit Aufzügen zu den Shows und teilweise kompletter Barrierefreiheit zu den Fahrgeschäften problemlos funktioniert, fehlt es in Deutschland leider noch oft an behindertengerechten Zugängen.“

Auch Begleithunde sind erlaubt

Vom niederländischen Spaßpark dagegen ist Timon positiv überrascht: „Neben den vielen Attraktionen, die ich mit meinem Rolli nutzen kann, sind alle Wege gut geteert, und genügend Toiletten für Rollstuhlfahrer gibt es auch.“ Am besten gefällt ihm, dass es für Menschen im Rollstuhl einen eigenen Parkplan gibt, in dem alle für sie zugänglichen Attraktionen eingezeichnet sind. Tatsächlich hat fast jedes Fahrgeschäft in Efteling einen Rollstuhlzugang, und sogar Begleit- und Assistenzhunde sind erlaubt. Im Internet können sich Rollstuhlfahrer in detaillierten Videos ansehen, wie der Zustieg in die Fahrgeschäfte genau funktioniert.

Mit dem Rollstuhl in 45 Meter Höhe

Und trotzdem: Nicht jede Attraktion mit Rollstuhl-Zugang kommt für Timon in Frage. Da er nicht laufen und stehen kann und immer an seine hochsensiblen Knochen denken muss, ist das Umsteigen vom Rollstuhl in die jeweilige Attraktion sehr schwierig. Fahrgeschäfte, in denen er im Rollstuhl sitzen bleiben kann, sind für den 13-Jährigen und seine Familie am entspanntesten. Wie etwa der thailändische Tempel „Pagode“, der sich auf 45 Metern Höhe in die Lüfte schraubt und auf dessen Boden der Rollstuhl ohne Probleme passt.

Ein Leben im Rollstuhl ist anders. Auch beim Mittagessen im Restaurant Octopus wird klar, dass Timon auf ganz andere Sachen achten muss als andere Gleichaltrige: „Die Tische und Ablageflächen für die Tablets haben hier eine gute Rollstuhl-Höhe“, erkennt seine Mutter Gudrun schon auf den ersten Blick. Begebenheiten, die anderen Familien gar nicht auffallen.

Barrierefreie Niederlande

Wenn Timon mit seinen Eltern Urlaub macht, dann häufig in England oder Schottland. „Dort komme ich mit meinem Rolli beinahe überall gut durch“, sagt Timon. In den Niederlanden auch. Nur in Deutschland leider nicht. Die Kölner Familie kann nicht verstehen, warum in unserem modernen Land der Alltag für Rollstuhlfahrer häufig immer noch so beschwerlich ist.

Sein allererster Besuch im Freizeitpark hat Timon beeindruckt. Doch einen letzten Tipp hat der 13-jährige Schüler für Rollstuhlfahrer parat: „Kommt möglichst nicht zur vollsten Zeit, damit ihr nicht ständig auf Po-Höhe der anderen Besucher seid.“

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