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Kinderrechte„Wir verstehen uns als Anwälte aller Kinder“

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Köln – „Wenn die Regierung ihre Hausaufgaben nicht macht, tue ich es eben für sie“ – dachte sich Üwen Ergün und beschloss kurzerhand, Deutschlands erste bundesweite Ombudsstelle für Kinderrechte zu gründen. Knapp vier Jahre ist das her, der damalige Unicef-Juniorbotschafter kam gerade von einer Kinderrechte-Veranstaltung, zu der der damalige Bundespräsident Joachim Gauck ins Schloss Bellevue eingeladen hatte, zurück nach Köln. Ergün rief sofort eine Studienfreundin an, um ihr von seinem Vorsatz zu berichten – „bevor mich der Mut verließ“.

Zentrale mitten im Mediapark

Am darauffolgenden Tag, es war der 20.November 2014 – symbolträchtigerweise der Internationale Tag der Kinderrechte – setzten die beiden Freunde Ergüns Plan in einem ersten Schritt in die Tat um und gründeten einen Verein, der Kinder und Jugendliche in ihrem sozialen Engagement förderte. 2016 meldeten sie das gemeinnützige „Kinderrechteforum“ (KRF) an, das inzwischen auf 25 Mitarbeiter, darunter fünf hauptamtliche, gewachsen ist. Von der mitten im Mediapark gelegenen Zentrale aus kümmern sich Juristen, Sozial-Pädagogen und Psychologen darum, dass die Kinderrechte hierzulande umgesetzt werden. Ergün: Wir verstehen uns als Anwälte aller Kinder.“

Regierung macht Hausaufgaben nicht

Doch zurück zu den nicht erledigten Hausaufgaben der Regierung:

Das Kölner Kinderrechteforum (KRF)

2016 gründete der Kölner Student Üwen Ergün das „Kinderrechteforum“. Die gemeinnützige Organisation, mit inzwischen 25 Mitarbeitern zwischen 20 und 77 Jahren versteht sich als Deutschlands erste zentrale Anlaufstelle für Kinderrechte.

www.kinderrechteforum.org

Im Jahr 1992 unterzeichnete Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention von 1989 und verpflichtete sich, dafür zu sorgen, dass bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, deren Wohl vorrangig zu berücksichtigen ist. Seitdem prüft ein UN-Ausschuss alle zwei Jahre die Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland. 2014 forderte der Ausschuss die Bundesregierung auf, eine Ombudsstelle für Kinderrechte einzurichten, eine zentrale, neutrale und unbürokratische Informations-, Anlauf- und Beschwerdestelle. Das ist bislang nicht passiert.

Spielball zwischen Bund und Land

„Weil die Bundesregierung keine Sanktionen zu befürchten hat, wenn sie diese Handlungsempfehlung der Vereinten Nationen nicht in die Tat umsetzt“, erklärt Ergün. Das Problem, das sich daraus für das KRF ergibt: „Wir bekommen keine Fördergelder, sind auf Spenden angewiesen. Denn der Bund sagt: Jugendförderung ist Ländersache. In Düsseldorf heißt es jedoch: Forderungen der Vereinten Nationen sind Sache des Bundes.“ Ein Dilemma, von dem sich das KRF nicht in die Knie zwingen lässt. „Wir setzen darauf und kämpfen dafür, dass die Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden, dann haben wir stärkere Argumente“, sagt Marketingleiter Dennis Dobner.

Kinderrechte immer wieder verletzt

Bis dahin arbeiten die Kinder- und Jugendschützer weiter unermüdlich an der Verwirklichung der Kinderrechte – im Rahmen ihrer drei Kernaufgaben: Individuelle Hilfen, Engagementförderung und Lobbyarbeit. „Jedes Kind hat ein Recht auf Mitbestimmung in Angelegenheiten, die es betreffen. Es kennt aber seine Rechte oft nicht und kann sie nicht selber einfordern“, sagt Üwen Ergün. Hinzu kommt: Kinderrechte werden immer wieder verletzt. Sowohl, was den Kindesschutz betrifft, als auch im Zusammenhang mit Scheidungs- oder Strafverfahren. Da werden die Sicht und die Anliegen von Kindern oft nicht angemessen berücksichtigt. Weil Kinder den Zugang zum Rechtsweg zudem oft nicht alleine finden, brauchen sie Angebote wie das KRF.

50 Anfragen pro Monat

Pro Monat bearbeitet das Team rund 50 Anfragen. Von Scheidungskindern, die mangelnde Mitspracherechte beklagen, was das Sorgerecht oder ihren Aufenthalt betrifft. Von Kindern, die Gewalt oder sexuellen Missbrauch erleiden müssen. Von Flüchtlingskindern und deren Familien, die zum Beispiel ihr Recht auf Bildung einfordern oder Hilfe bei dem Ausfüllen von Anträgen brauchen. Von Kindern und Jugendlichen, die von Mobbing im Internet betroffenen sind. Von Lehrern, die Unterrichtsmaterialien zum Thema Kinderrechte wünschen. Und, und, und.

Jugendgipfel im Kölner Stadion

Sobald eine Anfrage eingeht, analysieren die Mitarbeiter die Situation, beraten die Kinder und ihre Bezugspersonen, vermitteln sie an Institutionen oder Experten, beauftragen eine Rechtsvertretung, helfen bei einer Anzeige, sprechen Empfehlungen aus und führen Vermittlungsgespräche. Daneben organisiert das Team Projektwochen in Schulen, auch zum Thema Demokratieförderung, und ist politisch aktiv. Ergüns Vision: „Dass es bald viele Ombudsstellen in unserem Land gibt, und eine Gesetzesvorschrift, die sich an unseren Leitlinien orientiert.“ Für September ist erst einmal – ganz konkret – ein Jugendgipfel im Rheinenergie-Stadion geplant, mit bis zu 10 000 Jugendlichen und rund 100 Workshops – vorausgesetzt, die Spenden stimmen.

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