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Kölner Experten über Kindesmissbrauch„Jedes Opfer gibt Hinweise“

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Ursula Enders von Zartbitter (v.l.), Therapeut Arnfried Bintig und Klaus-Peter Völlmecke vom Kölner Jugendamt

Ursula Enders von Zartbitter (v.l.), Therapeut Arnfried Bintig und Klaus-Peter Völlmecke vom Kölner Jugendamt

Köln – Die Missbrauchsfälle in Lügde und Bergisch Gladbach erschüttern auch erfahrene Experten. Das wird am Donnerstagabend im Kölner WDR-Funkhaus deutlich, in das der Sender zu einer Diskussion mit dem Titel „Wer schützt unsere Kinder vor Missbrauch?“ einlud.

„Meldungen von Kindeswohlgefährdung sind bei uns Alltag“, sagt Klaus-Peter Völlmecke vom Kölner Jugendamt. „Aber die Dimensionen der aktuellen Fälle haben auch mich schockiert.“ Im Bergisch Gladbacher Ermittlerfall sind aktuell 51 mutmaßliche Täter aus zwölf Bundesländern identifiziert, die Kinder missbraucht und Bilder der Taten ausgetauscht haben sollen.

Welche Signale senden missbrauchte Kinder an Erwachsene?

Ursula Enders, Gründerin der Beratungsstelle Zartbitter, hingegen betont: „Alles, was wir bislang über die Taten gehört haben, verwundert mich nicht. Dass Missbrauch oft über Generationen geht und die Täter sich zusammenschließen, kennen wir aus der Praxis.“ Diese Tatsache sei in der Vergangenheit stets bagatellisiert worden.

Doch im Gespräch soll es, anders als in der aktuellen Berichterstattung, auch um die Opfer und ihren Schutz gehen. Welche Signale senden missbrauchte Kinder beispielsweise? Wann sollten Lehrer oder Erzieher hellhörig werden? Enders ist sich sicher: „Jedes Opfer gibt Hinweise.“ Diese würden aber oft heruntergespielt oder ignoriert.

Wenn ein Mitschüler zum Beispiel in der Schule klagt, dass ein anderes Kind ihm wiederholt die Hose runterzieht, könnte das auf ein entgrenztes Sexualverhalten des Kindes hinweisen. Erst wenn sie bei scheinbar kleinen Vergehen Gehör finden, trauen sich die Kinder zu sprechen. „Sie denken sonst: Mit den Erwachsenen kann ich nicht reden“, so Enders.

Viele Partner ignorieren Verdachtsmomente

Arnfried Bintig, Psychotherapeut aus Bonn, widmet sich der Frage, warum in vielen Fällen auch der Partner des Täters scheinbar nichts weiß. „Diese Verbrechen sind so undenkbar, dass Verdachtsmomente ignoriert werden.“ Schließlich gründe niemand mit dem Gedanken eine Familie, dass der Partner oder die Partnerin (20 Prozent der Täter sind weiblich) Kinder missbraucht. „Man braucht eine Außenperspektive.“

Deshalb drängen die Diskutanten auch auf flächendeckende niedrigschwellige Hilfsangebote für Kinder und Familien. Oft würden Opfer zu lange auf Therapieplätze warten. Andererseits sei juristisch umstritten, ob frühe Therapien das Gerichtsverfahren eventuell behindern. Denn auch ein hartes Urteil ist Bintig wichtig: „Das Strafmaß muss ausgeschöpft werden. Nur so werden die Täter zu einer Behandlung gezwungen.“

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