Kölner Freiwilligen Agentur e.V.Geflüchtete im Ehrenamt

Lesezeit 4 Minuten
Rami floh aus Damaskus – Jetzt hilft er in Köln anderen Flüchtlingen unter anderem als Dolmetscher.

Rami floh aus Damaskus – Jetzt hilft er in Köln anderen Flüchtlingen unter anderem als Dolmetscher.

Köln – Sechs Jahre hat die Reise von Rami Al Chweyni (18) gedauert. Sechs Jahre von Damaskus nach Köln, vom geflüchteten Jugendlichen zum jungen Mann, der nun anderen Flüchtlingen in der Kölner Freiwilligen Agentur hilft.

2013 war es, als die Bomben und Raketen in Damaskus immer öfter einschlugen und die Familie Al Chweyni zunächst bei den Großeltern innerhalb von Damaskus Zuflucht suchte und später das Land verließ. Sie ließen Eigentum, Freunde und Verwandte zurück, um in Ägypten neu anzufangen. „Ich konnte in Syrien kaum noch zur Schule gehen“, erinnert sich Al Chweyni. „Meine Eltern wollten auch deshalb einen Neuanfang.“

Mehrere tausend Dollar für die Flucht

Doch das war in Ägypten schwierig. Zunächst kam die Familie – Vater, die schwangere Mutter, Rami und ein drei Jahre jüngerer Bruder – nach Kairo, schließlich nach Alexandria, wo bereits eine Tante lebte. Doch die Situation erwies sich als schlechter als gedacht. „Wir hatten dort keine Zukunft“, sagt der junge Mann. Dann erzählte eine Freundin der Mutter von Männern, die Menschen mit einem Schiff nach Italien bringen würden. Sie zahlten mehrere tausend Dollar, wurden mit einem Bus und stundenlanger Fahrt in ein halbverfallenes Haus gebracht, wo bereits 100 Menschen auf die Überfahrt warteten.

Sie harrten mit ihnen aus. Tagelang, eine Woche. Als die Polizei das Boot, mit dem die Flucht durchgeführt werden sollte, aufgebracht hatte, musste der Plan verschoben werden. Erst zwei Monate später ergab sich eine neue Gelegenheit für das gewagte Unterfangen. Auch diesmal musste die Familie warten, wusste nicht warum. Dann schließlich folgte der Aufbruch.

Sinkender Kutter, abgetauchte Familie

Rami Al Chweyni und seine Familie wurden zu einem Fischerboot gebracht. Zweimal musste sie auf See in etwas größere Boote steigen, bis sie in einem Schiff mit 500 Menschen saßen. „Das Essen war knapp, die Wellen waren manchmal so hoch, dass das Boot fast umgekippt wäre“, sagt Al Chweyni. Nach einigen Tagen traf das Schiff mit den ausgehungerten Passagieren auf einen Öltanker, der die Flüchtlinge vom völlig überladenen Kutter übernahm – der kurze Zeit später sank. Die Familie kam nach Sizilien, wurde per Flugzeug von den italienischen Behörden nach Florenz gebracht, wo sie untertauchte. Mit einem Zug gelangte sie über Frankreich nach Deutschland.

Der Anfang in Deutschland war hart. Die Familie lebte in einer Turnhalle in Köln-Weiden, Rami Al Chweyni konnte aber die siebte Klasse des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums in der Innenstadt besuchen. „Ich war der einzige, der in so einer Situation war“, erinnert er sich. Aber der Jugendliche biss sich durch, lernte nach der Schule in der Bibliothek und spricht mittlerweile sehr gut deutsch. Im kommenden Jahr will der junge Mann Abitur machen und anschließend an der Universität Wirtschaftsinformatik studieren oder ein Praktikum als Mediendesigner machen. Auch seine Eltern haben Fuß in Deutschland gefasst, der Vater arbeitet in einer Waschanlage, die Mutter kümmert sich um Geschwister, die mittlerweile 15 und vier Jahre alt sind.

Flüchtling hilft Geflüchteten

Sein Leben hat der 18-Jährige im Griff, nun will er auch anderen geflüchteten Menschen helfen. „Es gibt viele Menschen, die in der gleichen Situation sind, in der ich war“, sagt er. „Die will ich unterstützen, weil ich die Sprache mittlerweile beherrsche.“ Nun arbeitet er ehrenamtlich bei der Kölner Freiwilligen Agentur als Dolmetscher. Im Projekt „Babellos“ hat er seitdem ein paar Mal Flüchtlinge bei Arzt- und Behördenbesuchen als Sprachbegleiter unterstützt. Das Projekt „Babellos“ hat die Kölner Freiwilligen-Agentur Mitte 2018 initiiert. Mittlerweile engagieren sich hier 79 Sprachbegleiter, die in den vergangenen anderthalb Jahren 430 Termine absolviert haben. Etwa zehn Sprachen können die Sprachbegleiter anbieten – darunter kurdisch, arabisch, dari und persisch. Voraussetzung sind Sprachkenntnisse, die dem Niveau B2 entsprechen.

Begrenzter Einsatz

Die Sprachbegleiter kommen mit zu Terminen in Schulen, zu Ärzten oder zu Behörden, sie werden von Geflüchteten und gemeinnützigen Organisationen angefragt. Sie ersetzen aber keine professionellen Dolmetscher und sind nicht bei Asylverfahren dabei, sagt die Leiterin der Kölner Freiwilligen Agentur, Gabi Klein. Die Sprachbegleiter beherrschen zwar zwei Sprachen gut, haben aber keine Ausbildung als Dolmetscher absolviert.

Vor dem Einsatz werden die Sprachbegleiter von der Agentur in Kursen qualifiziert, im Anschluss haben sie die Möglichkeit zu Gesprächen mit Mitarbeitern der Agentur oder im Netzwerk untereinander. Sorgen bereitet Klein, dass die Kosten für das Projekt, dass über Spenden finanziert wird, bislang noch nicht komplett gedeckt sind. Allein für 2019 benötigt die Agentur noch 11 000 Euro, für das kommende Jahr weitere 12 000 Euro.

Das könnte Sie auch interessieren:

KStA abonnieren