Studie zur Neuen Rechten„Mitarbeiter der Sozialarbeit werden bedroht“

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Konzerte für Jugendliche sind eine Strategie der Neuen Rechten, um ihre Inhalte zu vermitteln.

Konzerte für Jugendliche sind eine Strategie der Neuen Rechten, um ihre Inhalte zu vermitteln.

Köln – Professorin Birgit Jagusch forscht an der Technischen Hochschule Köln zu rassismuskritischer und diversitätssensibler Sozial- und Jugendbildungsarbeit. Die Studie entstand mit der HS Koblenz.

Frau Jagusch, Sie haben vor einigen Wochen ihre Studie „Die Neue Rechte in der Sozialen Arbeit in NRW“ veröffentlicht. Warum ist die Sozialarbeit überhaupt interessant für politische Einflussnahme von rechts?

Jagusch: Soziale Arbeit ist eine Profession, die dazu beitragen will, gesellschaftliche Problemlagen und Schwierigkeiten zu lösen. Akteurinnen und Akteure der Neuen Rechte geben ebenfalls vor, sich gesellschaftlichen Problemen anzunehmen. Aber aus anderen Beweggründen. Es geht Ihnen nicht um Menschenrechte oder Chancengerechtigkeit, sondern ihre Begründungen sind alle völkisch oder nationalistisch. Ihre Angebote richten sich nur an als deutsch gelesene Personen. Damit zementiert die extreme Rechte vielmehr Exklusion und Ungleichheit, als dass sie wirklich soziale Arbeit anbieten würde. In der Regel ist das nur Symbolpolitik.

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Welche Beispiele gibt es für diese Symbolpolitik?

Zum Beispiel hat die „Identitäre Bewegung“, eine extrem rechte Bewegung, an Weihnachten Kekse für Obdachlose gebacken und verteilt. Allerdings waren die Beweggründe rassistisch.

Gibt es rechte Jugendzentren in NRW?

Ich würde nicht von explizit rechten Jugendzentren sprechen. Aber es gibt an einigen Orten in NRW, zum Beispiel im Aachener Raum rechts motivierte Jugendarbeit. Die Organisation „Syndikat 52“ veranstaltet beispielsweise Konzerte und Liederabende für Jugendliche. Sie ist entstanden, nachdem die extrem rechte „Kameradschaft Aachener Land“, die Anfang der 2000er Jahre durch Straftaten und Übergriffe aufgefallen ist, verboten wurde.

Gehen die Veranstalter mit ihrer rechten Gesinnung offen um?

Das ist das Problem bei solchen und ähnlichen Aktionen: Auf den Flyern für die Veranstaltung ist für Außenstehende nicht auf den ersten Blick erkennbar, welche Organisation und welche Ideologie dahinter stecken. Es gibt auch noch Anknüpfungspunkte an die Strukturen etwa der „Heimattreuen deutschen Jugend“, die 2009 verboten wurde. So werden etwa Zeltlager veranstaltet. Die völkischen Zirkel sind sehr gut untereinander vernetzt und bieten übergreifend an unterschiedlichen Orten ihre Jugendarbeit an. Natürlich alles außerhalb von staatlichen Jugendhilfe-Strukturen.

Aber auch die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe werden laut ihren Untersuchungsergebnissen von Rechten bedroht.

Es lassen sich landesweit Versuche beobachten, bei denen die Jugendarbeit von der Neuen und extremen Rechten angegriffen wird. Ein Beispiel: rassistische Aufkleber an der Tür der Einrichtung. Oder die Bedrohung von Mitarbeitern. Wir haben Beispiele, in denen in Briefen auch Familienangehörige von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedroht werden. Es gibt körperliche Angriffe. Das trifft meist Einrichtungen, die sich klar als rassismuskritisch und demokratiefreundlich positionieren. Auch gendersensible oder queere Jugendarbeit gerät immer wieder ins Visier.

Beobachten Sie eine Zunahme dieser Übergriffe in den letzten Jahren?

Das kann man so nicht sagen, weil es zu keinem Zeitpunkt keine Angriffe von Rechten gegeben hätte. Aber wir beobachten in der Sozialen Arbeit genauso wie gesamtgesellschaftlich eine klare Diskursverschiebung hin zu mehr verbaler Gewalt. Eine klare Zunahme beobachten wir auch bei der versuchten Einflussnahme über Parlamente. Die AfD versucht, demokratiefördernde Jugendarbeit generell in Frage zu stellen oder über Anfragen im Parlament zu desavouieren.

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Wie gehen die Jugendsozialarbeiter mit dieser versuchten Einflussnahme um?

Davon sind viele Akteure verunsichert, weil es da natürlich ganz oft auch um finanzielle Mittel geht. Die Soziale Arbeit lebt nun einmal von öffentlicher Förderung. Es braucht ein klares Bekenntnis der Politik, dass sie hinter den Angeboten steht. Wichtig ist, dass Träger der Sozialen Arbeit hier solidarisch miteinander bleiben und den Spaltungsversuchen nicht auf den Leim gehen.

Wie wehren sich die Sozialträger selbst?

Sie schließen Bündnisse mit anderen Akteuren vor Ort und machen ihre Einstellung und ihre Arbeit sichtbar. Außerdem braucht es valide Informationen über die Neue Rechte und Beratungsangebote, wie die „mobile Beratung gegen Rechtsextremismus“ sie zum Beispiel bietet. Sie unterstützen Einrichtungen mit politischer Bildung und sind aus meiner Sicht für die Zivilgesellschaft unverzichtbar. Aber auch Hochschulen sind gefordert, die Gefahr, die durch die neue und extreme Rechte ausgeht, in den Studiengängen zu thematisieren.

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