Therapeutisches ReitenAuf dem Pferderücken sitzen ist wie eine Therapie

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Madeleine (l.) und Sophie kamen vier Monate zu früh auf die Welt. Das Reiten soll besonders Sophies Muskulatur stärken.

Madeleine (l.) und Sophie kamen vier Monate zu früh auf die Welt. Das Reiten soll besonders Sophies Muskulatur stärken.

Bergisch Gladbach – Man könnte sagen, Sorpresa Grande ist ein Allheilmittel. Autistische, unruhige Kinder werden auf der weißen Stute ganz ruhig – und ängstliche, in sich gekehrte Jugendliche strahlen über das ganze Gesicht, wenn sie auf ihrem Rücken thronen. So wie der 15-jährige Milow, der heute auf Barth reitet. Er hat motorische Schwierigkeiten in der rechten Körperhälfte und wirft trotzdem übermütig die Arme in die Luft, als Physiotherapeutin Bettina Althoff ihn bittet, sie auszustrecken. Sie läuft langsam neben ihm und dem Pferd her und schaut herauf, während Milow zufrieden vor sich hin lächelt. Seine Mutter kommt seit über sechs Jahren mit ihm zum Therapeutischen Reiten nach Refrath. „Das ist einfach sein Ding“, sagt sie am Rand der Reithalle und ist ebenfalls zufrieden, wenn ihr Sohn so übermütig grinst.

Experten unterscheiden drei Arten des Therapeutischen Reitens: Unter Hippotherapie versteht man eine Art Krankengymnastik, bei der die Bewegungen des Pferdes Haltung und Gleichgewicht fördern sollen. Die heilpädagogische Variante soll Verhaltensauffälligkeiten vorbeugen und lindern. Reiten als Sport für Menschen mit Behinderung fördert die soziale Integration. Zusammenfassend: Reiten hilft fast immer.

Drittes Therapiepferd mit Hilfe von „wir helfen“ gekauft

Das Therapeutische Reiten auf Gut Beningsfeld im Bergisch Gladbacher Ortsteil Refrath gibt es seit über 40 Jahren. Carl Klüwer, Arzt für medizinische Psychotherapie, Psychoanalytiker und Amateurreitlehrer, zählte zu den Begründern des Therapeutischen Reitens in Deutschland. Bereits in den 1950er-Jahren vermittelte er in München kleine Patienten aus der Kinder-Poliklinik in einen privaten Reitstall und war erstaunt, wie schnell es ihnen besser ging.

In Bergisch Gladbach mietete er 1970 die erste Pferdebox und bildete sein erstes Therapiepferd aus. 2014 ist Klüwer gestorben, seine Arbeit wurde aber in den Verein Therap, überführt. Elisabeth Tepass leitet als Pädagogin und Physiotherapeutin den Verein und mit der finanziellen Unterstützung von „wir helfen“ konnte letztes Jahr sogar ein drittes Therapiepferd angeschafft werden.

Zu Therap kommen nicht nur Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen, sondern auch aus Kinderheimen oder mit Fluchterfahrungen. „Menschen, die sonst nicht gut reinpassen, bekommen bei uns einen Raum“, sagt sie. „Ein Pferd hat keine Vorurteile und grenzt niemanden aus.“ Wer sich traut, auf ein so riesiges anmutiges Tier zu klettern, bekommt gleich auch eine Portion Selbstbewusstsein ab. Für viele Kölner Stadtkinder sind allein die grünen Pferdewiesen, der Wald, die Fjordpferdezucht, die Esel und Hunde schon ein Erlebnis. Neben der sandigen Reitfläche steht ein Vogelkäfig, in dem Tepass zwei winzige Spatzen gerettet hat, die aus dem Dachstuhl gefallen sind.

Hilfreich für Kinder mit Sehbehinderung

Die sechsjährige Lena ist extrem kurzsichtig und hat an schlechten Tagen nur 30 Prozent Sehkraft. Sie wird nie Auto fahren können, erklärt ihre Mutter, die extra aus Wesseling herkommt, damit Lena eine halbe Stunde reiten kann. Am Anfang hatte das kleine Mädchen extreme Höhenangst, erinnert sich auch Tepass, mittlerweile kniet oder steht sie sogar freihändig auf der geduldigen Stute. Sehbehinderte Kinder profitieren enorm vom Reiten, weil normale Bewegungsarten wie Rennen für sie oft wegfallen. Durch die körperlichen Einschränkungen ist ihr Körper entwicklungsverzögert, erklärt Tepass.

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Die dreijährige Sophie kam vier Monate zu früh mit Hirnblutungen zur Welt. Auch sie sieht schlecht, kann noch nicht alleine laufen, die Bewegungen des Pferdes sollen ihre Rumpfmuskulatur stärken. Ihre Zwillingsschwester Madeleine darf sie ab und zu begleiten und mit aufs Pferd. „Beide freuen sich immer sehr, wenn wir zum Reiten fahren“, sagt ihre Mutter.

So können Sie helfen

Mit unserer Aktion „wir helfen: damit unsere Kinder vor Gewalt geschützt werden“ bitten wir um Spenden für Projekte, die sich für ein friedliches und unversehrtes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in unserer Region einsetzen.

Die Spendenkonten lauten: „wir helfen – Der Unterstützungsverein von M. DuMont Schauberg e. V.“ Kreissparkasse Köln, IBAN: DE03 370 502 990 000 162 155 Sparkasse Köln-Bonn, IBAN: DE21 370 501 980 022 252 225

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