Rocky Horror Picture ShowKampf um eine Musical-Rolle

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Musicalcasting (Bild: Schminke)

Musicalcasting (Bild: Schminke)

KÖLN/LONDON – „It’s just a jump to the left“, singt ein junger Mann zur Klavierbegleitung, und alle springen nach links. Bei der Aufforderung „And then a step to the right“ machen die Tänzer folgsam einen Schritt nach rechts. Auch die nächsten Zeilen setzen sie sofort in Bewegung um; sie legen die Hände an die Hüften, pressen die Knie zusammen und drücken das Becken nach vorn. Sechs Bewerber präsentieren sich, während diejenigen, die den anderen Gruppen zugeteilt sind, am Rand zuschauen. Die Szene erscheint verdoppelt in einer langen Spiegelwand. Jetzt reißen die Tänzer, angeleitet von Choreograf Matthew Mohr, die Arme hoch und lassen die Hände flattern. An zusammengerückten Tischen sitzen aufgereiht die Juroren. Ihrem kritischen Blick entgeht nichts, obwohl sie manchmal merkwürdig unbeteiligt scheinen.

Ein Nachmittag in Saal 79 der „Pineapple Dance Studios“ im Londoner Stadtteil Covent Garden. Das Motto der Einrichtung ist auf dem Leuchtschild an der Fassade zu lesen: „Survival of the Fittest“. Tatsächlich geht es hier oft um das „Überleben des Stärkeren“, denn in dem Studio-Komplex finden häufig Castings statt. Diesmal sucht die BB Promotion GmbH Darsteller für die Neuinszenierung der „Rocky Horror Show“.

Der Durchgang ist beendet, und auch die wartenden Konkurrenten klatschen Beifall. Kurz darauf heißt es zum Auftakt der „Time-Warp“-Szene wieder: „It’s just a jump to the left.“ Einige Frauen, tragen Hot Pants, schwarze Nylonstrümpfe und Tops, anderen reicht eine Jogginghose mit T-Shirt. Viele Männer haben Trägerhemden an, die die muskulösen Oberarme zur Geltung bringen; manche zeigen Waschbrettbauch, andere sind beinahe mollig.

Von den Schuhen bis zum Träger-Top ganz in Schwarz ist Tineke Ogink eigens aus Köln angereist. Die 25-jährige Niederländerin hat sich auf die Rolle der Magenta vorbereitet und wie die anderen am Morgen vorgesungen. Der Weg bis zum Engagement ist weit, erzählt sie in einer Pause. 3000 schriftliche Bewerbungen gingen ein, 700 Männer und Frauen wurden zu Vorcastings Anfang März eingeladen, 140 nahmen die Hürde zu den „Callbacks“. Nun treten 70 Bewerber an, von denen nur 14 genommen werden. Das letzte Mal stand Tineke Ogink, die ihre Musiktheater-Ausbildung am Konservatorium Tilburg absolviert hat, im Musical Dome auf der Bühne, wo sie die Amber von Tussle in „Hairspray“ verkörperte. In der Zeit bis zum nächsten Engagement kellnert sie in einem Kölner Irish Pub.An der Figur der Magenta reize sie, dass sie „abgefahren und krass“ sei, alles andere sei „süß und langweilig“. Mit ihrer Tanzpräsentation ist sie halbwegs zufrieden: „Es hätte bessergehen können, einmal bin ich in die falsche Richtung gelaufen.“ Bekommt sie die Rolle, bedeutet dies monatelanges Unterwegssein – für sie nichts Ungewöhnliches: „Leute, die Musical machen, sind ruhelos.“

Was sind die Kriterien der Auswahl? Choreograf Matthew Mohr, der oft für Burlesque-Shows und Drag-Queens gearbeitet hat, spricht von „juicy physical presence“, „saftiger körperlicher Präsenz“. Er brauche höchstens 30 Sekunden, um einen Bewerber beurteilen zu können. Beim Tanzen in dieser Art Musical komme es weniger auf Präzision als auf „energy“ an. Produzent Michael Brenner von der BB Promotion GmbH ergänzt: „Wir brauchen Persönlichkeiten.“ Zu den Juroren gehört als „Executive Producer“ auch Dagmar Windisch. „Singen ist das Zentrale“, sagt sie, und außer Disziplin und Fitness sei wichtig: „Du musst geerdet sein, dann kannst du abheben.“

Besondere körperliche Präsenz verlangt vor allem die Paraderolle des Frank 'n' Furter, der sich selber als „Sweet Transvestite“ besingt. Robbie Scotcher, kahl rasiert und mit täowierten Oberarmen, hofft, sie zu bekommen. Der 33-Jährige, der an der Londoner School of Music gelernt hat, nennt die Figur des exzentrischen androgynen Wissenschaftlers „iconic“: sie habe Kultcharakter. Überhaupt sei es reizvoll, in einer Show mitzuwirken, die dank der lebhaften Reaktionen des Publikums regelmäßig zur „big party“ werde. Doch da ist die harte Konkurrenz – von der er abgeklärt sagt: „Jeder Einzelne in diesem Raum ist gut genug.“

Wer es geschafft hat? Darüber wird nach den mündlichen Zusagen Stillschweigen gewahrt. So lange die Vertragsabwicklungen nicht abgeschlossen sind, werden keine Namen bekanntgegeben.

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