RömerschlachtKanzlerin eröffnet Varus-Ausstellung

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Angelika Kauffmann malte 1785 „Hermann nach der Schlacht“: Der Germanen-Führer wird von Thusnelda gekrönt, während der Druide Brenno (rechts) den Göttern dankt und die Waffen und Feldzeichen der Besiegten herbeigetragen werden. Zu sehen ist dieses Heldengemälde in der Mythos-Abteilung in Detmold. (Bild: Katalog)

Angelika Kauffmann malte 1785 „Hermann nach der Schlacht“: Der Germanen-Führer wird von Thusnelda gekrönt, während der Druide Brenno (rechts) den Göttern dankt und die Waffen und Feldzeichen der Besiegten herbeigetragen werden. Zu sehen ist dieses Heldengemälde in der Mythos-Abteilung in Detmold. (Bild: Katalog)

Der Streit um Varus geht weiter. Im „westfälischen Bermuda-Dreieck“ zwischen Haltern, Kalkriese und Detmold, das Wolfgang Kirsch vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe ausgemacht hat, wird weiter um den historischen Ort der Schlacht gestritten. Da verweist jede Region gewissenhaft auf die Spuren im jeweils eigenen Land - das wurde am Donnerstag abermals deutlich bei der Präsentation der angeblich größten archäologischen Ausstellung in der deutschen Geschichte, die heute Abend von Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet wird: „2000 Jahre Varusschlacht - Imperium. Konflikt. Mythos“.

Nicht weit entfernt vom Teutoburger Wald - „haud procul“ heißt das bei Tacitus im Original - soll das Gemetzel stattgefunden haben. Auf fremden, engen Gelände, umgeben vom dichten Wald, wurden die Römer von den Germanen aufgerieben. Ein Angriff aus dem Hinterhalt folgte auf den nächsten. Das hält die stärkste Kolonne nicht aus. Die des Publius Quinctilius Varus war wohl 15 bis 20 Kilometer lang.

Aus der Antike schallt der Verzweiflungs-Ruf des Kaiser Augustus herüber: „Varus, gib mir meine Legionen wieder!“ Der hat die Forderung allerdings nicht mehr gehört - für ihn endete die Schlacht mit einem Selbstmord. Fahndungs-Experten des Landeskriminalamtes in Düsseldorf haben sich die Zeit genommen, aufgrund von Münzporträts dem Varus ein Gesicht zu geben - eine stattliche Erscheinung, ganz ohne Frage. Den Kopf des Besiegten schickte Arminius an den König der Markomannen - eine Einladung war das, gemeinsam gegen die Römer zu streiten. Doch daraus wurde nichts: Arminius selbst, den Luther „Hermann“ nannte und „von hertzen lib“ hatte, wurde zehn Jahre später ermordet. Die Germanen östlich des Rheines machten sich mal wieder untereinander den Garaus.

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Germanen sollten Unterwerfung gut finden

Die Kriegskatastrophe war ein Schock für die antike Großmacht. Denn die wähnte sich auf der Seite der guten Sache. Sie lebte im Irrglauben eines „bellum iustum“, des gerechten Kriegs. Was durchaus modern klingt. Da war Eroberung gleichzusetzen mit Nächstenliebe. So wie Cicero es geschrieben hat: „Dass die Ausdehnung der Herrschaft der Römer deshalb gerecht sei, weil solchen Menschen die Knechtschaft nützlich sei.“ Unterwerfung statt Unabhängigkeit - das sollten die germanischen Stämme auch noch gut finden.

Was geht uns das an? Warum der „Varus-Hype“, von dem die Veranstalter des 12 Millionen Euro teuren Ausstellungs-Terzetts schon jetzt aufgrund der Nachfrage sprechen? Tacitus gab zu Beginn des 2. Jahrhunderts in den „Annales“ die Richtung vor: „Arminius war unbestritten der Befreier Germaniens und hat das römische Volk nicht in seinen Anfängen herausgefordert, sondern als das Reich auf dem Höhepunkt seiner Macht stand“. Etwas differenzierter sieht es in unserer Zeit Hans Ottomeyer: „Die Varusschlacht und Arminius sind nicht der Anfang der deutschen Geschichte, aber von diesem Ereignis aus beginnen zahlreiche Entwicklungslinien der Begriffe, die in der deutschen Geschichte eine Rolle gespielt haben, wie »Nation«, »Volk«, »Freiheit« und »Freiheitskampf«“.

Erstmals wurde die römische Expansionslust gedämpft, so lernen wir aus dem üppigen Katalog. Und erstmals stellten sich die Germanen im Jahre 9 nach Christus als ernst zunehmende Gegner vor. Das ist der Stoff, aus dem der Mythos schöpft. Seine Spuren finden sich in Kunst und Politik, monumental in Stein gehauen bei Detmold und auf der Bühne früher häufiger als heute inszeniert, im Krieg gegen Napoleon im 19. Jahrhundert und in der Nazi-Propaganda des 20. Jahrhundert. Nach 1945 freilich fand sich keine rechte Verwendung mehr für den Mythos - wohl aber für die Historie und die Faszination, die aus dem Nebel kommt.

Gegen Ausstellungsstörer von rechts und links gewappnet

Der Varusschlacht zu gedenken, die bei Klopstock, Kleist und Grabbe auch als Hermannsschlacht geführt wird, ist kein vermintes Gelände mehr. Allenfalls auf Rechtsaußen wird Arminius noch als Vorreiter eines verquasten Nationalismus missbraucht. So wird heute in Detmold, wo sich das Lippische Landesmuseum dem „Mythos“ widmet, mit einer rechten, aber auch mit einer linken Demo gerechnet. Zudem wurden die Museums-Mitarbeiter geschult, „um entsprechende Personen direkt zu erkennen“, wie Andreas Kasper vom Landesverband Lippe sagt. Zudem sei die Hausordnung geändert worden: Gegen Besucher, die mit verfassungsfeindlichen Zeichen ins Haus treten, könne nun „mit voller Inbrunst“ eingeschritten werden. Schließlich sind nur hauseigene Führungen möglich.

Während Detmold den Mythos ausstellt und Haltern sich in einer attraktiven Präsentation mit Rom befasst, konzentriert sich Kalkriese auf seine mittlerweile 6000 Fundstücke. Osnabrücks Landrat Manfred Hugo urteilt als Jurist, dass die Indizienkette zu einem „Beweis des ersten Anscheins“ führe. Nichts spreche dagegen, dass bei Kalkriese das Schlachtfeld gewesen sei - aber immer mehr dafür: Die Dichte der Münzfunde, die Knochengräber, das geplünderte Schlachtfeld, die 400 Meter lange Wallanlage und nicht zuletzt die Ergebnisse einer Maultier-Analyse. Die Sauerstoffisotopen im Zahnschmelz des Tieres haben darüber aufgeklärt, dass es im Herbst des Jahres 9 nach Christus gestorben ist. Vor 2000 Jahren also, als der germanische David den römischen Goliath bezwang.

Aber auch Haltern am See, wo eine der drei untergegangenen Legionen stationiert war, sieht sich weiterhin im Rennen. Mit Nachdruck wird auf ein Knochengrab verwiesen, das erst im letzten Jahr ausgewertet worden ist: 24 Personen waren darin würdelos verscharrt worden, ortsnahe Germanen zumeist sowie - auch das ergab die Strontium-Analyse - ein „westfälischer Hund“. Das könnte ein Beleg dafür sein, dass Haltern das legendäre Römerlager Aliso war, das dem Germanensturm eine Weile trotzte. „Alles spekulativ“ sagt Museumsleiter Rudolf Aßkamp. Aber das Funkeln hinter der Halbbrille ist unübersehbar.

Die Varusschlacht fand statt. Doch wo genau, kann auch diese Großanstrengung nicht fixieren. Wolfgang Kirsch vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe resümiert: „So lange wir das Video von der Schlacht nicht haben, müssen wir weiter spekulieren.“

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