RückblickAls Christo die Burg verpackte

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Einen unwirklichen Eindruck machte das Stadtbild von Monschau, als im September 1971 riesige Planen Teile der altehrwürdigen Burg verbargen. (Repro: Klinkhammer)

Einen unwirklichen Eindruck machte das Stadtbild von Monschau, als im September 1971 riesige Planen Teile der altehrwürdigen Burg verbargen. (Repro: Klinkhammer)

Monschau – Wenn zwei Welten aufeinandertreffen, dann kann das fürchterlich daneben gehen. Es kann allerdings auch sehr bereichernd wirken. In Monschau passierte beides: Der Künstler Christo Javacheff packte vor genau 40 Jahren die altehrwürdige Burg und die Haller-Ruine ein. Zudem wollte er den schönsten Blick im Städtchen mit einem gigantischen Vorhang verhängen.

Die Reaktionen der Bürger damals waren zwiespältig. „Wenn dat Kunst ist, bin ich jeck“, empörte sich beispielsweise eine brave Bürgerin beim Anblick der vielen Tücher. Nach der Ankündigung durch den Kunstkreis, dass der damals 35-jährige Christo an der Rur aktiv werden würde, fragten die meisten Monschauer nur achselzuckend: „Na und? Wer ist denn eigentlich Christo?“ Damals ging dem gebürtigen Bulgaren noch kein legendärer Ruf voraus. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er primär kleinere Objekte wie Kinderwagen oder Schreibmaschinen eingewickelt.

Viele Sympathien

Nach der gewagten und trotz aller Widerstände erfolgreichen Verpackungsaktion im Jahr 1971 musste sich der Monschauer Kunstkreis, der Christo eingeladen hatte,später auflösen. Bis heute jedoch klingt das Projekt noch nach, mit Stolz wird von Christo in Monschau berichtet. Und immer noch ziehen Menschen den Hut vor so viel Mut. Die Hartnäckigkeit des Künstlers, mit der er sogar die Verhüllung des Berliner Reichstags erwirkte, brachte ihm hierzulande viele Sympathien und höchsten Respekt ein.

Kaspar Vallot, ehemaliger Chefredakteur der Aachener Nachrichten, war damals der Hauptdrahtzieher. Er brachte mit dem neu gegründeten Monschauer Kunstkreis 1970 zunächst die „Umwelt-Akzente“ auf den Weg. Vallot erinnert sich heute im Rückblick: „Wir fingen Feuer für die Pop-Art auf dem Kunstmarkt in Köln und wollten einfach in Monschau mal ein ganz modernes Ding drehen. Weit weg von den üblichen Venn-Bildern, die in der Regel in den Wohnzimmern über jedem Sofa zu finden waren.“

Bei den „Umwelt-Akzenten“ handelte es sich um eine progressive Freiluftausstellung mitten in Monschau, gestaltet von insgesamt 36 Künstlern. Darunter fanden sich Namen wie HA Schult, Erich Reusch, Georg Mika, Dick Higgins, Keith Arnatt und Winfried Gaul.

Der heute 85-jährige Vallot erinnert sich im Rückblick schmunzelnd: „Die Ausstellung »Umwelt-Akzente« wirkte damals wie ein Schock. Sie löste sogar Aggressionen aus, manche Werke wurden zerstört.“ Köstliche O-Töne existieren auf alten Filmstreifen. Der damalige Kreisbrandmeister sagte trocken, als er ein käfigartiges Objekt aus Maschendraht und Stahlgerippe des Künstlers Hingsmartin betrachtete: „Was Kunst ist, das weiß ich nicht; aber dass das keine Kunst ist, das weiß ich.“ Ein Jahr später kam Christo und setzte noch eins drauf.Als der gebürtige Bulgare Monschau zum ersten Mal in Augenschein nahm, sagte er: „Das ist fantastisch schön hier. Doch die Leute sehen das nicht mehr, weil sie nichts anderes kennen.“

Durch das Mittel der Verpackung wollte der mittlerweile zu Weltruhm gelangte Künstler das Unsichtbare, eben das Schöne, wieder sichtbar machen. Er wollte die Augen der Betrachter schärfen und sensibilisieren. Projekt erhielt den wunderbaren Namen „mon Schau“. Im August 1971 lieferte die Firma J. Steinwachs mit Sitz in Fritzlar 3107 Meter Polypropylen-Leine aus. Die Seile wurden nach dem Projekt den Monschauer Schulkindern als Springseile vermacht. Die holländische Fabrik „Patchogue/Plymoth“ brachte 6000 Quadratmeter Polypropylen-Gewebe auf den Versandweg.

Die Verpackungsarbeit selber übernahmen nach den Plänen des Künstlers Monschauer Handwerker und Bürger. Christo weilte im Sommer derweil in Rifle (Colorado/USA), wo er ein Tal in einer Breite von etwa 700 Metern und einer Höhe von 150 Metern verhängte. Die Kosten des Projektes in Amerika beliefen sich auf 450 000 Dollar.

Erinnerungspakete geschnürt

Der Kunstkreis benötigte für „Wrapping the City of Monschau“ knapp 30 000 DM. Das zunächst zugesagte Geld gab der damalige Regierungspräsident von Aachen, Dr. Josef Effertz, wider Erwarten doch nicht frei. Seine schriftliche Begründung: „Was Christo unternimmt, hat mit Kunst, wie ich es verstehe, nichts zu tun und kann deshalb mit staatlichen Mitteln nicht gefördert werden.“ Daraufhin „produzierte“ der Kunstkreis von Christo in Windeseile handsignierte Plakate, Kataloge und kleine Pakete mit Erinnerungsstücken und Originalmaterial.

Vallot: „Die Plakate, Pakete und Kataloge gingen weg wie warme Semmeln. Die Finanzierung war schnell gesichert.“ Letztendlich sorgte Ministerpräsident Heinz Kühn dafür, dass die Monschauer die bereits zugesagten Mittel erhielten.

Vallot lacht sich im Rückblick über die Ironie der Geschichte immer noch ins Fäustchen und berichtet: „So konnten wir, als sich der Kunstkreis wegen mangelnder Unterstützung auflösen musste, der Stadt Monschau auch noch 8000 DM überreichen.“

Dass Christo nochmals nach Monschau kommt, hält Vallot für eher unwahrscheinlich. Freuen würde er sich aber dennoch, wenn der berühmte Verpackungskünstler noch einmal sein fantastisches Auge auf die „Perle der Eifel“ richten und diese wieder durch neue Perspektiven in einem ganz besonderen Licht erstrahlen lassen würde. Konkretere Überlegungen existieren bereits, eine Retroperspektive der „Umwelt-Akzente“ auf die Beine zu stellen.

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