Sag zum Abschied laut Servus

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Am Piano lebte Tom Oliver im Rhein-Triadem seine Mainstream-Träume aus.

Am Piano lebte Tom Oliver im Rhein-Triadem seine Mainstream-Träume aus.

Sie elektrisiert, sie rockt, sie swingt, sie ist rotzfrech, ständig auf der Suche nach neuen Abenteuern, sie hat jede Menge Humor. Und sie scheint für immer jung. Ganz schön reizvoll und sexy zeigte sie sich zum c / o-pop-Finale - die Kölner Musik-Szene. Acht Bands und Solo-Künstler stellte die Klangprobe live des „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Sonntag beim internationalen Festival vor. In der zeitlos schmucken c / o-pop-Zentrale Rhein-Triadem, der ehemaligen Bundesbahn-Direktion am Rhein nahe dem Dom, spielten die Ton-Künstler mehr oder weniger riskant mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der populären Musik.

Gleich mit den ersten Takten lassen die Sideburns keinen Zweifel aufkommen, wo sie zu Hause sind. In den von R 'n' B überquellenden Sümpfen Louisianas und den finsteren Blues-Kellern von Chicago. Fred Sideburn (Bass) rollt rotzig, Kim Slim Sideburn (Gitarre) schießt bissige Twang-Sounds ins Publikum, Drummer Joe Sideburn swingt und kickt. „I don't need a doctor“, schreit Sänger Bob Sideburn, denn er weiß auch ohne Arzt, was ihn krank macht: die Liebe. Aber es gibt Hoffnung für die Soulbrothers. Der Funk ist da ein prima Heilmittel, und auch davon haben die Geschwister eine Menge parat. Sie sind keine echten Brüder, die Sideburns, aber ihre Musik ist alles andere als falsch.

Echt sind auch die Musiker an Schlagzeug, Bass und Saxophon, die Tom Oliver um sein Klavier gescharrt hat. Das ist nicht immer so: Einen internationalen Namen gemacht hat sich der Produzent vor allem durch chillige Beiträge zur „Café del Mar“-Samplerreihe. Mit seiner Band zielt Tom Oliver aber auf ein Publikum jenseits des Club-Kontexts. Er will auf die ganz großen Bühnen, wo Elton John oder Billy Joel zu Hause sind. Gerade an Letzteren erinnert sein durch und durch dem Mainstream verpflichteter Pop mit seiner bassigen Stimme. Und dass der Kölner sein Kölner Publikum auf Englisch durchs Programm führt, tut sein Übriges.

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Gewitter ziehen in aller Regel langsam auf. Der Sturm namens Malva ist jedoch ganz plötzlich da, mit punkigem Hochgeschwindigkeitsrock. Wuchtig donnert Schlagzeuger Bi Digi, wie Blitze fahren Jacques Wolgast (Bass) und Schnitzel Schneider (Gitarre und Gesang) dazwischen - im Song „Metall“ zum Beispiel oder in „Waltz“, einem Walzer, dessen Tempo es in keiner Tanzschule der Welt zu erlernen gibt. Aber Malva pfeifen nicht nur auf Traditionen. Nach Lust und Laune nehmen sie auf der Bühne auch ihre eigenen Lieder auseinander. Mit brachialer Energie wird so manche raffinierte Melodie zerstört, immer dann, wenn es zu gefällig wird. Gutes Timing.

Über Gefallen oder nicht macht sich Jens-Uwe Beyer keine Gedanken, wenn er unter seinem Künstlernamen Popnoname Musik musiziert. Die Bühne verschwindet fast unter dem Schleier der Nebelmaschinen, als Beyer und seine Band (Rhodes, Bass, Gitarre, Elektro-Equipment) sanft einrauschen. Wie der Blick auf die Musiker verschwimmen auch Rhythmen und Klänge in einem diffusen Gemisch, als sei auf einem Aquarell-Bild ein Wasserbecher umgekippt. Ist es Techno oder Pop, Ambient oder Rock? Es ist einfach gänzlich freie Klangmalerei, die das Schöne sucht und findet, indem sie es verschleiert. Popkunst wie diese braucht keine Schublade, um zu gefallen.

Wo Popnoname Unvereinbares mit Understatement zusammenführt, arbeiten Schmackes und Pinscher mit Energie. Da wird mit brachialer Wucht und kindlicher Lust alles zusammengemanscht, was Spaß macht. Die beiden Pole der c / o pop - Rock und Rave - hier kommen sie auf einem Nenner. Und dieser Nenner ist hart und weich zugleich, stößt mit sanfter Ironie vor den Kopf. „War da was“, fragen die Augen der Protagonisten gespielt unschuldig ins bestens unterhaltende Auditorium, wenn wieder eine Gitarren- und Basswand urplötzlich eingestürzt und im Nichts verschwunden ist. Musik mit der Energie eines Atomkraftwerks, verdichtet auf die Größe eines Fingerhuts. Wenn die beiden das in dieser Form auf eine Platte brächten, der nächste Exportschlager wäre sicher.

Dann ist Zeit für Tüftler: P:lot lassen ihren, wie sie sagen, „elektronisch infizierten Indie-Rock“ zwischen den mächtigen Mauern herumtitschen. Der Dreier frickelt und fummelt nach Herzenslust. Von hinten durch die Brust, aber die passionierten Kaffeetrinker verlieren nie ihre Linie. Auch wenn die unzähligen Finessen und Gimmicks in den Songs bei einem Gig vom Zuhörer kaum zu realisieren sind - die Eingängigkeit der Elaborate bleibt. Das Keyboard schwimmt schräg unter breiten Gitarrenflächen hindurch, ohne dass es Kollisionen gibt, mit der prägnanten Stimme von Sänger und Saitenzupfer Alex Freund. Ein Frickel-Fest für die Ohren.

Aber auch gradlinigerer Rock kann zu einer Stilübung in Eleganz, der Alltag zu Poesie werden. Monoment verwandeln die einfachen Dinge in raffinierte Kunstwerke. Die Gitarristen Mirko Bogedaly und Mario Anastiadis, Bassist Marten Schmidt und Drummer Thomas Kröner kreuzen fein gewebte Melodien mit druckvollen Rhythmen. Georg Rolshoven singt über solche Dinge, die jeder nur zu gut kennt. Aber statt Klartext bevorzugt er abstrakte Bilder. In „Nur ein Moment“ schildert er das Suchen guter Ideen, so wie er dies als Songschreiber erlebt: „Das alles ist nur ein Moment, es ist vermessen zu denken, dass jeder ihn erkennt.“ Guter Rock 'n' Roll bildet eben auch gerne mal.

Viele sagen ja zum Abschied leise Servus. Bei der Klangprobe gibt's für die Musik-Freunde noch eine gute Dosis Energie mit auf den Heimweg. Rasant ist die glamouröse Show von Eurofour, punkig, knackig das Spiel des Quartetts. Und verspielt sind Gitarrist Rainer Schütz, Bassist Zarkow, Schlagzeuger Michael Hanschmidt und Sänger Raynhard. Der Song „Tonight“ bewegt mit strammem Tanz-Beat. Zuweilen aber wird es auch düster, in Text und Musik. „Strange Boys“ handelt von ein paar Jungs, die Tag und Nacht in der U-Bahn abhängen, dort eine Art Parallel-Leben führen. Eurofours Soundtrack dazu macht Beine. Aber es ist ein schummriger Rhythmus, wie er aus verruchten Keller-Discos schallt.

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