Schröder-Comedy fasziniert Millionen Hörer

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Der Stimmenimitator Elmar Brandt präsentiert seine "Hauptfiguren", Kanzler Gerhard Schröder (li) und Kanzlerkandidat Edmund Stoiber. Der 30 Jahre alte Germanistikstudent gilt als Deutschlands bester Schröder-Imitator.

Der Stimmenimitator Elmar Brandt präsentiert seine "Hauptfiguren", Kanzler Gerhard Schröder (li) und Kanzlerkandidat Edmund Stoiber. Der 30 Jahre alte Germanistikstudent gilt als Deutschlands bester Schröder-Imitator.

Düsseldorf - Manchmal hört er in dem schalldichten Tonstudio nur seinen eigenen Herzschlag. Die grauen Dämmplatten an den Wänden schlucken dann jedes Geräusch. An der Fensterfront thront vor einer antiken Glasplatte Elmar Brandt. Sein linker Mundwinkel zuckt, ein Schweißtröpfchen rinnt über die breite Stirn. Der 30-Jährige lächelt süffisant, schürzt die Lippen und verliest eine Erklärung, die Millionen Deutsche die Ohren spitzen lässt. "Ich habe mich entschlossen, das Amt des Bundeskanzlers und des SPD-Vorsitzenden mit sofortiger Wirkung niederzulegen. Ich möchte an dieser Stelle aber dementieren, ich werde Thomas Gottschalk als Moderator bei 'Wetten, dass' ersetzen, weder kommissarisch noch dauerhaft." Die Sätze spricht er faszinierend genau im Tonfall des echten Bundeskanzlers Gerhard Schröder.

Als die Radio-Botschaft vom angeblichen Rücktritt im Juli 1999 über den Äther mehrerer öffentlich-rechtlicher und privater Sender ging, war die Republik entgeistert. Hausfrauen ließen das Spülwasser stehen, drehten das Küchenradio lauter. Brummi-Fahrer, deren Herz links schlägt, lenkten rechts ran. Tief verunsichert griffen sie zum Hörer, wählten die Nummer des Kanzleramts und stellten die "Gerdchen"-Frage: "Unser Kanzler macht's nicht mehr?" Doch, aller humoristischen Hysterie zum Trotz, blieb Schröder im Amt. Denn der Urheber des 60-Sekunden-Sketches war nicht der Kanzler, sondern sein stimmliches alter ego aus Düsseldorf, der Germanistik-Student Elmar Brandt. Er gilt als Deutschlands bester Schröder-Imitator, auch wenn er ihn selbst nie persönlich getroffen hat.

"Als Kind wollte ich immer die Welt beherrschen", sagt Teetrinker Brandt, der seine Gefährlichkeit durch weite Sweat-Shirts und Blue- Jeans zu tarnen versucht. Seinen Allmachtsfantasien kam er mit der fingierten Kanzlerdämmerung nicht wesentlich näher. Das Echo auf den Beitrag blieb weit hinter dem zurück, was sein Lieblingsautor Orson Welles 1938 mit der Hörfunk-Adaption vom "Krieg der Welten" (H.G. Wells) über einen bevorstehenden Angriff Außerirdischer ausgelöst hatte. Zumindest aber belegte die vertonte Kanzler-Parodie, dass Radio-Comedy nicht nur zum Schenkelklopfen, sondern auch zur politischen Provokation taugt.

Nach drei Jahren auf Sendung hören acht bis zehn Millionen Deutsche täglich auf verschiedenen Wellen die von Brandt und seinem Kollegen Peter Burtz geplante, gesprochene und produzierte Comedy "Die Gerd- Show". "Comedy ist das interaktivste Medium überhaupt. Im Auto, zu Hause, am Strand, die Leute können sich überall kauputtlachen.

Der Wortschwall, den Brandt im Namen des Bundeskanzlers jeden Tag auf die Radio-Nation niedergehen lässt, ist gerade in diesen Tagen besonders gefragt. Bevor sich Amtsinhaber Schröder und Aspirant Edmund Stoiber im Sommer auf den Spuren von Richard Nixon und John F. Kennedy in den Fernsehstudios duellieren, haben ihre Comedy- Doppelgänger im Radio schon etliche Verbal-Schlachten geschlagen. Brandt munitioniert sie mit deftigen Worthülsen. (Schröder: "Hey, Weißwurst!", Stoiber: "Sie Steuerverschwender, Sie Oberverhinderer!") Der Kontrahenten-Streit läuft unter dem Titel "Eddie und Gerd: Ein Kanzler und ein Halber". Der Imitator spricht in den 90-sekündigen Episoden wechselweise die beiden Politiker. "Der Stoiber ist anstrengender, weil der sich immer so schlimm aufregt", gibt Brandt in bayerischer Mundart eine kleine Kostprobe.

Dass die täglich von NDR 2, EinsLive, Hitradio FFH, Radio Salü, Bayern3, MDR Jump, 104.6 RTL sowie auf den Balearen und Kanarischen Inseln ausgestrahlte "Gerd"-Show, Nachfolger der "Kanzler-WG", indirekte Wahlwerbung für den Hauptdarsteller Schröder sein könnte, denkt Brandt nicht. "Ihm wird zu sehr der Spiegel vorgehalten. Das ist kein Image-Gewinn, ich glaube, wenn er die Sachen hört, fällt ihm manchmal beim Frühstück das Brötchen aus dem Gesicht." Wo er selbst am 22. September sein Kreuzchen macht, verrät der Kabarettist nicht. "Ich bin recht unpolitisch."

Einen Maulkorb werde er sich im Wahlkampf nicht anlegen. Erlaubt sei, was das Zwerchfell reize. "Richtig Ärger gab's nur, als wir damals Schröder bei Veronas 'Peep' mit der Sex-Puppe gezeigt haben. Auch der Bauernverband hat mal angerufen. In der BSE-Krise hatten wir vorgeschlagen, statt der 400 000 Rinder lieber 4000 Bauern schlachten zu lassen." Und wer gewinnt die Wahl? "Der Schröder kriegt mehr Stimmen von den Mädels", meint Brandt. Stoibers angebliches Credo "Lieber 'ne dicke Akte als 'ne schlanke Nackte" komme wohl eher bei Beamten an.

Um die Nachfrage nach schrägen Schröder-Spots zu stillen, schlendert Elmar Brandt jeden Morgen zum Zeitungskiosk um die Ecke. In den bunten Blättern findet er Ideen für neue Episoden des Kanzler- Klamauks. Wenn es dunkel wird in Düsseldorf-Kaiserswerth, gönnt sich der 30-Jährige manchmal als "Betthupferl" ein Kapitel aus einer Schröder-Biografie. Sollte sein Markenzeichen im September die Wahl verlieren, will Brandt mit fliegenden Fahnen ins Stoiber-Lager wechseln. Das Spiel mit der Kanzler-Stimme ist sein Lebenselexier geworden.

Sprachlos ist der Parodist eigentlich nie. Nur im Zwiegespräch mit dem Schriftsteller Thomas Bernhard, der in seinem "Stimmenimitator" (1978) der Zunft zwei dürre Seiten widmete, wäre der Kabarettist wohl verstummt. Darin heißt es: "Wir durften auch Wünsche äußern, die uns der Stimmenimitator bereitwilligst erfüllte. Als wir ihm jedoch den Vorschlag gemacht hatten, er solle am Ende seine eigene Stimme imitieren, sagte er, das könne er nicht." (dpa)

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