Schüsse durchs Kneipenfenster

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Schütze sagt vor Gericht, er habe niemanden töten, sondern seinen Rivalen „einen Schreck versetzen“ wollen.

Die Kugel verfehlte die Frau nur um Haaresbreite: Als die Wirtin einer Ehrenfelder Gaststätte an der Venloer Straße an einem frühen Sonntagmorgen im Dezember 2006 die letzten Stühle hochstellte, um Feierabend zu machen, flog unmittelbar vor ihrem Gesicht ein Geschoss vorbei und schlug in die Thekenwand hinter der Wirtin ein. Noch weitere drei Mal schoss ein Unbekannter von draußen in die Kneipe und flüchtete danach. Es grenzt an ein Wunder, dass bei dem Anschlag auf das Lokal weder die Wirtin noch einer der letzten, gerade aufbrechenden Gäste verletzt wurde.

Seit gestern wird dem Schützen Serdar G. (27) wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht der Prozess gemacht. Mit auf der Anklagebank sitzen sein Cousin Isa D. (32) und ein weiterer türkischer Landsmann, denen Beihilfe zum Mord vorgeworfen wird. „Keiner im Lokal ahnte im Geringsten, was der Täter vorhatte. Er hat den Tod dieser Menschen billigend in Kauf genommen“, sagte der Staatsanwalt.

Serdar G. gilt als Haupttäter. „Ich wollte niemanden töten, nur allen einen Schreck einjagen“, machte er vor Gericht geltend. Den Ermittlungen zufolge hatte er auf dem Beifahrerplatz gesessen und die Schüsse aus dem fahrenden Auto gezielt auf das geöffnete Fenster der Gaststätte abgegeben, während sein Cousin das Auto lenkte und der dritte Beschuldige auf dem Rücksitz saß.

Der Tat vorausgegangen war eine nächtliche Auseinandersetzung zwischen diesen drei Männern und den übrigen Gaststätten-Besuchern. Es ging um Anmache und Eifersucht, und als der Streit zu eskalieren drohte, erteilte der Wirt dem Trio Hausverbot. Knapp 20 Minuten, nachdem die drei das Lokal zwangsweise verlassen hatten, fielen dann die Schüsse. Auf ihrer Flucht mussten die drei Angeklagten das Auto aber stehen lassen: Der Tank war leer, und so machte sich das Trio zu Fuß davon. Über das Kraftfahrzeug-Kennzeichen des stehen gebliebenen Wagens kamen die Ermittler später auf die Spur der Männer. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Serdar G. bereits in seine türkische Heimat abgesetzt.

Mit Messer getötet

Der deutschen Justiz ist der 27-Jährige kein Unbekannter. Wegen Totschlags war Serdar G. im Jahr 2000 vor dem Landgericht Mönchengladbach nach Jugendrecht zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Er hatte den Freund seiner Schwester mit einem Messer getötet, weil die Eltern mit der Liaison ihrer Tochter nicht einverstanden waren. Nach der Haftverbüßung war der Verurteilte in die Türkei abgeschoben worden. Doch er kehrte ein Jahr später mit einem Alias-Namen nach Deutschland zurück.

Serdar G. jobbte in einer Dönerbude, versuchte sich als Kioskbesitzer und plante, mit seinem mitangeklagten Cousin in Ehrenfeld eine türkische Bäckerei zu eröffnen, „bis dann diese Sache dazwischen kam . . .“, erklärt er vor Gericht seinen Lebenslauf. Der Prozess ist auf fünf Verhandlungstage terminiert.

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