Neues Schulfach in NRWÖkonomie gewinnt gegen Sozialwissenschaft

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Campus Uni Köln

Die Uni bietet wieder Präsenzlehre an.

Düsseldorf/Köln – Seit diesem Schuljahr steht in den weiterführenden Schulen das Fach Wirtschaft/Politik auf dem Stundenplan – ein Wunschprojekt der schwarz-gelben Koalition in Düsseldorf, das besonders auf Betreiben der FDP vorangetrieben wurde. Es soll anders als das Fach Sozialwissenschaft (SoWi) die ökonomische Bildung stärker akzentuieren – wer aber soll es unterrichten? Darüber ist ein Streit entbrannt: In einer Antwort auf eine kleine Anfrage der SPD im November 2020 antwortete das Schulministerium: „Lehrkräfte mit einer Fakultas für das Fach Sozialwissenschaften dürfen Wirtschaft-Politik nur vertretungsweise unterrichten.“ Sie sollten sich in einjährigen Zertifikatskursen nachbilden lassen.

Im Januar ruderte das Ministerium teilweise zurück. „Bereits ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer mit dem Studienfach Sozialwissenschaften und einer entsprechenden Lehrbefähigung haben alle nötigen Voraussetzungen, das neue schulische Fach „Wirtschaft-Politik“ fachgerecht zu unterrichten“, heißt es in einer Klarstellung. „Eine weitere Qualifizierung ist nicht notwendig.“ Universitäten werden aber angeregt, Erweiterungsstudiengänge einzurichten, mit denen Lehrkräfte eine „zusätzliche Befähigung“ im Bereich Wirtschaft erwerben können.

Sorge um Abschlüsse

Gegen eine stärkere wirtschaftliche Ausrichtung des Studiengangs Sozialwissenschaften oder gar eine Umbenennung machen Lehramts-Studierende aus NRW mobil. Eine entsprechende Petition wurde bereits von 40.000 Menschen unterschrieben. Die Studierenden treibt unter anderem die Sorge um, wie viel Soziologie im neuen Studiengang noch gelehrt wird und wie viel ihr Abschluss nach einer Neuausrichtung wert ist.

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„Es herrscht eine tiefe Verunsicherung“, sagt Lea Sorg, die an der Universität Köln Sozialwissenschaften und Italienisch studiert. Fraglich sei, ob Studierende, die das Wirtschaft statt Sozialwissenschaft belegen, nicht bessere Chancen auf einen Job hätten. „Das Land kann nicht 9000 Studierende ins offene Messer laufen lassen“, sagt Professorin Bettina Lösch, Politikwissenschaftlerin an der Uni Köln.

Die Sozialwissenschaft und die Soziologie haben in Nordrhein-Westfalen historisch eine starke Bastion: Es gibt besonders viele Professuren in diesen Fächern, entsprechend intensiv fiel auch die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer aus. Besonderes Augenmerk gilt dabei einer Fusion verschiedener Ansätze, angefangen bei der Soziologie über politische Wissenschaft bis hin zur Ökonomie.

Letztere wollen nun besonders auch wirtschaftsnahe und konservative Interessenvertretungen wie die Flossbach-von-Storch-Stiftung oder das Bündnis für Ökonomische Bildung Deutschland in den Blick nehmen. Ihr Ziel ist nicht zuletzt eine praxisnahe Wirtschaftsschulung, die etwa den Umgang mit Geld umfasst.

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„Wir vermuten, dass Sozialwissenschaft inhaltlich gestrichen werden soll“, sagte Peter Rodeck, Lehramtsstudent an der Uni Köln. Dann würden im Rahmen des Studiengangs nur noch wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analysen und politische Machtfragen, nicht aber die sozialen Auswirkungen auf die Gesellschaft im Mittelpunkt stehen.

„Verlierer wird die politische Bildung sein“

Studentin Lea Sorg findet die Neuausrichtung unnötig, weil bereits jetzt neben Soziologie auch Politik und Wirtschaft gelehrt würden. „Es wird darauf hinauslaufen, dass der Studiengang Wirtschaft heißen wird“, vermutet auch Politologin Lösch. „Verlierer wird die politische Bildung sein.“ Auch die Deutsche Vereinigung für Politische Bildung NRW fordert, die Sozialwissenschaften beizubehalten. „Eine nachvollziehbare Begründung für die Abschaffung des Fachs gibt es nicht“, sagt Vorstand Reiner Schiffers. Der Verband befürchtet, dass politische Inhalte langfristig verdrängt werden könnten.

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