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Kölner Band Miljö spricht über Schule und Social Media„TikTok ist total gefährlich“

Lesezeit 6 Minuten
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Simon Rösler, Nils Schreiber und Mike Kremer (v.l.) von der Band Miljö beim Interview in ihrem Proberaum

  • In der Kölner Band Miljö spielen zwei Lehrer und ein Informatiker.
  • Im Interview sprechen die Musiker über die Schule der Zukunft, Technik und soziale Medien.

Köln – Welche Schule wünschen Sie sich für Ihre Kinder? Wie sieht die ideale Schule der Zukunft aus?

Mike Kremer: Wir sind extra zurück nach Höhenhaus gezogen, damit unsere Kinder die gleiche Grundschule besuchen können wie wir. Die Rosenmaarschule hat viel von dem, was ich mir wünsche: Ihr Konzept ist freier und integrativ. Es gibt viele Angebote, die nicht zum typischen Lehrplan gehören: Man kann Musik machen oder Theater spielen; es gibt Tiere. Man legt viel Wert auf Kultur und Soziales. Das ist mir genauso wichtig wie das Einmaleins.

Nils Schreiber: Wenn man sich fragt, was nach einer langen Schulzeit hängen bleibt, ist es doch vor allem das, was man an sozialem Miteinander gelernt hat. Diese Band ist dafür das beste Beispiel. Wir haben in der Schule Musik zusammen gemacht. Und dabei ist es geblieben. Etwas gemeinsam zu erarbeiten, Ziele für gemeinsame Projekte finden – das ist wichtig, und deshalb sind wir gerne in die Schule gegangen.

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Simon Rösler: Ich finde wichtig, dass eine Schule die Gesellschaft abbildet. Ich habe ja selbst an einer Förderschule unterrichtet, sage aber: Es ist gut, wenn alle Kinder in eine gemeinsame Schule gehen. Leider sind die Bedingungen dafür noch nicht gut genug.

„Medienkompetenz müsste ein eigenes Fach werden“

Welche Rolle spielt die Digitalisierung in diesem Bild der idealen Schule?

Schreiber: Die Schule muss sich mit Themen aus der Lebenswelt der Schüler befassen und zum Beispiel den Umgang mit sozialen Medien thematisieren. Sie darf die Kinder damit nicht alleinlassen. Es gehört zur Demokratieerziehung, sich darüber Gedanken zu machen, wo man Informationen herbekommt und wie man herausbekommt, ob sie vertrauenswürdig sind. Medienkompetenz müsste ein eigenes Fach werden.

Zu den Personen

Nils Schreiber und Simon Rösler sind Lehrer, Mike Kremer ist gelernter Diplom-Informatiker. Alle sind 35 Jahre alt und haben jeweils zwei Kinder. Mike Kremer, der mit einer Lehrerin verheiratet ist, wird in Kürze zum dritten Mal Vater. Nils Schreiber hat Sport und Englisch an der Gesamtschule Holweide unterrichtet und befindet sich in Elternzeit. Simon Rösler ist Sonderpädagoge, hat sich aber nach seinem zweiten Staatsexamen für das Leben als Berufsmusiker entschieden.

Sie gehören zusammen mit Sven Löllgen und Max Eumann zur erfolgreichen kölschen Band Miljö, die bereits während der gemeinsamen Schulzeit in der Gesamtschule Holweide zusammen Musik machten. (fra)

Kremer: Ich finde es zum Beispiel sehr bedenklich, dass scheinbar alle Kinder und jungen Jugendlichen bei TikTok unterwegs sind, und ohne zu zögern, dort ihre Daten und Bildrechte preisgeben. Das ist ein chinesisches Unternehmen mit einer riesigen Serverfarm, wo alle gespeicherten Daten verwertet werden können. Das ist total gefährlich. Solche Entwicklungen müssen in der Schule reflektiert werden.

„Ein einziger PC für alle Kollegen“

Woran liegt es, dass es mit der Digitalisierung so langsam vorangeht?

Rösler: Es liegt an der Politik. Es wird in jedem Wahlkampf viel versprochen, aber es passiert zu wenig. Wir hatten im Lehrerzimmer einen einzigen Windows-PC für alle Kollegen. Da stand dann in jeder Pause oder nach Schulschluss ne Schlange vor. Meine Erfahrung ist, dass es immer noch an vielen Schulen an der technischen Ausstattung fehlt. Dabei gibt es schon jetzt unendlich viele Möglichkeiten in jedem Fach, digitale Technik einzusetzen.

Schreiber: Ich habe Unterricht mit diesem Ding aus der Steinzeit, einem Overhead-Projektor, gemacht. Das ist noch nicht so lange her. Für die Veränderungen muss mehr Geld bereitgestellt werden.

Kremer: Vieles ist nicht durchdacht. Da wird für viel Geld Hardware gekauft und der Informatiker vergessen, der sich darum kümmert. Die kleinste Firma hat eine eigene IT-Abteilung. Das brauchen die Schulen doch auch. Ich kenne ein Beispiel aus dem Umland, wo massenhaft iPads angeschafft worden sind und die Klassenzimmer mit Smart-Boards ausgestattet wurden. Und dann hat man festgestellt, dass die Technik der Boards mit denen der iPads nicht kompatibel ist. So was muss jemand planen, der davon Ahnung hat.

Es reicht also nicht, nur Technik einzukaufen und hinzustellen? Schreiber: Ich bin Lehrer an der größten Schule des Landes. Und auch dort kümmern sich Lehrer nebenher als „Medienbeauftragte“ um die ganze Technik. Auch wenn die ihren Job super machen, kann das so nicht funktionieren. Die Kollegen sollen dafür sorgen, dass der Laden läuft und bekommen dafür zwei Entlastungsstunden. Warum gibt es dafür nicht ausgebildetes Personal? Man würde von einem Lehrer ja auch nicht verlangen, ein kaputtes Fenster auszuwechseln. Für so was gibt es Fachkräfte.

„Ein negativer Kommentar kann schlimme Auswirkungen haben“

Ist ein Grund für die langsame Entwicklung auch, dass alles freiwillig läuft? Wenn eine Lehrerin oder ein Lehrer nicht mitmachen will, kann er das selbst entscheiden. Es gibt keine verbindlichen Standards für alle.

Schreiber: Das ist ein schwieriges Thema, weil die Unabhängigkeit der Lehrer auch ein sehr hohes Gut ist. Natürlich gibt es einige, die sich verweigern. Man muss aber auch sehen, dass diese Unabhängigkeit ebenso ermöglicht, dass Lehrer die digitale Technik grandios nutzen. Wenn man etwas verpflichtend machen will, sollte es die Fortbildung sein. Das sollte keine freiwillige Angelegenheit mehr sein.

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Rösler: Ein Problem ist auch die schlechte Personalausstattung der Schulen. Es müsste möglich werden, dass Lehrer voneinander lernen können und mehr im Team entwickelt wird. Dazu braucht man Zeit. So müsste es auch möglich sein, mal einem Kollegen, der sich mit der Technik gut auskennt und viel Neues erprobt, beim Unterricht zuzuschauen.

Als Band nutzen Sie die sozialen Medien. Haben Sie auch schon mal negative Erfahrungen gemacht?

Kremer: Wir sind von Negativem bislang weitgehend verschont geblieben. Wenn wir uns klar gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit positionieren, muss man sich schon mal blöde Kommentare anhören. Aber da muss man drüberstehen. Das ist natürlich für jüngere Menschen schwieriger. Da kann ein einziger negativer Kommentar im Netz schon mal schlimme Auswirkungen haben.

„Gemeinsame Familienzeiten ohne Handy“

Sie sind alle junge Väter. Welche Rolle müssten Eltern spielen? Braucht es auch Verbote?

Schreiber: Generelle Verbote machen die Sache nur interessanter. Man muss auch nichts verteufeln. Schließlich benutzen wir diese Medien und diese Technik ja auch, weil sie viele Chancen bietet.

Kremer: Es geht um das richtige Maß. Man kann als Familie Regeln vereinbaren, die dann für alle gelten, zum Beispiel für gemeinsame Familienzeiten ohne Handy. Das müssen Eltern vorleben.

Rösler: Das Problem ist, dass viele Eltern das gar nicht mehr können, weil sie selbst die ganze Zeit auf ihr Handy starren. Sie müssen aber Vorbilder sein. Ich versuche mich jeden Tag daran zu erinnern, das Handy auch mal wieder zur Seite zu legen. Ich habe an mir selbst gemerkt, wie viel Zeit zum Beispiel von Instagram aufgefressen wird. Da habe ich mich gefragt, ob ich mich an einen einzigen schönen Instagram-Moment erinnern kann. Seitdem mache ich da nichts mehr.

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