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Umfrage unter SchulleiternNicht einmal jeder Dritte mag seinen Beruf

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Ein Mann betritt ein Lehrerzimmer. (Symbolbild)

Düsseldorf – In Düsseldorf findet derzeit der Deutsche Schulleitungskongress (DSLK) statt und kann Jubiläum feiern – als wichtiges bundesweites Forum, das Rektorinnen und Rektoren zum Erfahrungs- und Meinungsaustausch über aktuelle Herausforderungen einlädt, wird er in diesem Jahr zum zehnten Mal veranstaltet.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte die Kongressteilnehmer zum Auftakt corona-bedingt per Videobotschaft: „Sie alle sind nicht einfach nur Verwalter von Bildungseinrichtungen, Sie sind Gestalter von Lern- und Lebensräumen. Sie alle schaffen Orte, an denen junge Menschen im besten Fall zu kompetenten, kritischen, selbstbestimmten und verantwortungsbewussten Persönlichkeiten heranwachsen können“, so das Staatsoberhaupt.

Motivation sank immer mehr

Unter den Nägeln brennen den Schulleiterinnen und Schulleitern 2021 vor allem die notwendige Digitalisierung der Schulen sowie die Bewältigung der Corona-Krise. Im Vorfeld des Kongresses hat der Verband Bildung und Erziehung (VBE) beim Meinungsforschungsinstitut Forsa eine repräsentative Umfrage in Auftrag gegeben. Die Studie mit dem Titel „Berufszufriedenheit von Schulleitungen“ soll die wichtigen Themen spiegeln, die Führungskräfte in Schulen und damit die Schulen selbst betreffen – über Digitalisierung und Corona hinaus stehen zum Beispiel Lehrkräftemangel und die Arbeitsbelastung des Personals im Vordergrund.

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Die Studie wird bereits seit 2018 alljährlich durchgeführt und erlaubt deshalb einen Vergleich im Zeitverlauf. „In den letzten Jahren konnten wir nachvollziehen, dass die Motivation immer mehr sank. In diesem Jahr ist von besonderem Interesse, wie die Schulleiterinnen und Schulleiter die Belastungen in der Corona-Krise erlebt haben“, sagt VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann. Als größte Probleme nennen die deutschlandweit Befragten – die Umfrage wurde als Telefonerhebung durchgeführt – in dieser Reihenfolge:

- Lehrkräftemangel (46 Prozent) - Corona (33 Prozent) - Arbeitsbelastung und Zeitmangel (31 Prozent) - Ausstattung und Digitalisierung (27 Prozent) - Bürokratie (14 Prozent)

Stetig wachsendes Aufgabenspektrum

Als die drei größten Belastungen geben die Schulleiterinnen und Schulleiter das stetig wachsende Aufgabenspektrum (90 Prozent), steigende Verwaltungsarbeiten (84 Prozent) und die Beobachtung an, dass Politiker bei ihren Entscheidungen den tatsächlichen Schulalltag nicht ausreichend beachten (80 Prozent). Auch die Anspruchshaltung, dass die Schule alle aufkommenden gesellschaftlichen Probleme lösen soll, die Überlastung des Kollegiums, knappe Ressourcen und fehlendes pädagogisches Personal über die Lehrkräfte hinaus werden als problematisch empfunden.

Zudem gebe es zu wenig Möglichkeiten für gesundheitsfördernde Maßnahmen für das Kollegium, eine unzureichende Vorbereitung auf die Position der Schulleitung und zu wenige Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Die Werte decken sich weitgehend mit den aus den Vorjahren.

NRW unzufriedener als der Durchschnitt

63 Prozent der schulischen Führungskräfte geben an, dass sie mit Lehrkräftemangel zu kämpfen haben – das ist der höchste Wert seit 2018 (36 Prozent). Für Nordrhein-Westfalen liegt der Wert mit 66 Prozent sogar über dem Bundesdurchschnitt. Am stärksten ausgeprägt ist der Personalmangel bundesweit an den Förderschulen (74 Prozent), bei den Gymnasien liegt der Prozentsatz bei 55 Prozent.

Auch die Zahl der Seiteneinsteiger, also von Lehrkräften ohne vorangegangene Lehramtsqualifikation, liegt mit 58 Prozent in diesem Jahr so hoch wie nie. Auch hier nehmen die Förderschulen die Spitzenposition ein.

Digitale Endgeräte

Im Themenfeld Digitalisierung wurde unter anderem nach der Verfügbarkeit von entsprechenden Geräten wie Personal Computer, Tablets oder auch Smartphones in Klassensätzen gefragt. Nur sieben Prozent der Befragten gaben an, dass dies in allen Klassen gewährleistet sei – immerhin fünf Prozent mehr als noch im Vorjahr, dem ersten Corona-Jahr 2020.

Dass Geräte grundsätzlich, aber nicht in allen Klassen vorhanden sind, gaben 71 Prozent der Führungskräfte an (2020: 35 Prozent). 22 Prozent mussten die Frage nach der Verfügbarkeit von Endgeräten verneinen (2020: 63 Prozent). Breitbandinternet und Wlan sind laut 54 Prozent der Befragten in den Schulen vorhanden, was eine Verbesserung gegenüber den Vorjahren um fast 20 Prozent darstellt.

45 Prozent der Schulleiterinnen und Schulleiter glauben, dass das Studium gut bis sehr gut auf die Nutzung digitaler Endgeräte vorbereite, 38 Prozent halten die Ausbildung in diesem Bereich für weniger gut, neun Prozent für schlecht. Der Anteil der Lehrkräfte, die an einer Fortbildung zur Digitalisierung teilgenommen haben, wird auf 46 Prozent geschätzt. 93 Prozent der Führungskräfte gaben an, Anträge auf Mittel aus dem Digitalpakt gestellt zu haben (2020: 56 Prozent).

Note vier für die Schulpolitik

Bei der Bewertung der Schulpolitik der einzelnen Länder durch Schulnoten wurde bundesweit ein Mittelwert errechnet, er liegt 2021 bei 4,2 und erreicht damit den schlechtesten Wert seit 2019, als er bei 3,7 lag. 21 Prozent der unter 55-Jährigen geben an, den Beruf der Schulleitung in zehn Jahren voraussichtlich nicht mehr auszuüben. Hinzu kommt, dass fast die Hälfte aller Befragten den Beruf „wahrscheinlich nicht“ oder sogar „auf keinen Fall“ weiterempfiehlt. Der Aussage, den Beruf momentan „sehr gerne“ auszuüben, stimmen heute halb so viele Befragte zu wie 2019, nämlich nicht einmal jede dritte Schulleitung. Dafür versechsfachte sich in dieser Zeit der Wert derer, die eher beziehungsweise sehr ungern ihrem Job nachgehen: von vier auf 25 Prozent.

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„Die Politik ignoriert die Realität an den Schulen und bürdet den Schulleitungen immer mehr Aufgaben auf", kommentiert Beckmann die Ergebnisse der Umfrage. „Die Konsequenz könnte deutlich härter ausfallen als die Verantwortlichen sich das momentan vorstellen. Schon jetzt herrscht Schulleitungsmangel. Die Umfrage, die wir seit 2018 durchführen, zeigt einen klaren Negativtrend. Die Motivation schwindet, die Ernüchterung gewinnt. Es wäre nicht verwunderlich, wenn dann aus der inneren Kündigung bald Taten werden.“

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