Setzte Kapitän auf falsche Karte?

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Die "Sea Diamond"

Die "Sea Diamond"

Nicht die Crew des gesunkenen Luxusliners, sondern unzulängliche Angaben der Marine sollen Schuld am Unglück sein.

Istanbul - Vor sieben Monaten ist das zyprische Kreuzfahrtschiff „Sea Diamond“ vor der griechischen Kykladeninsel Santorin auf ein Riff gelaufen und untergegangen. Bisher vermuteten die Behörden einen Navigationsfehler. Aber jetzt bietet die Reederei eine andere Erklärung an. „Menschliches Versagen war nicht die Ursache der Havarie“, sagt Giorgos Iatridis-Ramadanis, Rechtsanwalt der zyprischen Reederei Louis Hellenic Cruises. Ein Fehler in den offiziellen Seekarten soll zu dem Unglück geführt haben.

Das 142 Meter lange Kreuzfahrtschiff war am 5. April bei der Einfahrt in die Bucht von Santorin auf einen knapp unter der Wasseroberfläche liegenden Felsen gelaufen und leck geschlagen. In einer dramatischen Rettungsaktion konnten 1154 Passagiere und 391 Crewmitglieder in Sicherheit gebracht werden. Wenige Stunden später sank das Schiff. Zwei französische Touristen starben.

Kapitän Giannis Marinos sagte direkt nach dem Ereignis, das Unglück sei ihm „unerklärlich“. Jetzt hat die Reederei den Meeresgrund vermessen lassen und eine erstaunliche Diskrepanz festgestellt: nach den Seekarten der griechischen Kriegsmarine liegt das Riff, mit dem die „Sea Diamond“ kollidierte, 57 Meter vor der Steilküste der Insel. Tatsächlich aber befindet es sich nach Darstellung der Reederei 131 Meter vor der Küste. Während die Seekarten der Marine die WassertieSchuldfrage wieder offen

auf18 bis 22 Meter beziffern, seien es in Wirklichkeit nur fünf Meter. „Aufgrund der Seekarte musste der Kapitän davon ausgehen, dass er sich in völlig sicheren Gewässern bewegte“, meint die Reederei. Das griechische Verteidigungsministerium hat sich bisher zu der Darstellung nicht geäußert. Wenn sie zutrifft, dann stellt sich die Schuldfrage bei der Untersuchung der Havarie völlig neu.

Nicht nur Kapitän Marinos würde entlastet. Auch die von den griechischen Behörden gegenüber der Reederei erhobenen Schadenersatzforderungen müssten wohl überprüft werden. Wegen der Umweltverschmutzung, die durch den Untergang der „Sea Diamond“ ausgelöst wurde, hat Griechenland der Reederei bereits ein Bußgeld von 1,7 Millionen Euro auferlegt. Weitere Schadenersatzforderungen drohen, denn die Gefahr einer Ölpest ist noch nicht gebannt. Als die „Sea Diamond“ unterging, befanden sich in ihren Tanks etwa 430 Tonnen Schweröl und 80 Tonnen Dieseltreibstoff. Das Wrack des 22 400 Tonnen großen Schiffes liegt in etwa 150 Meter Tiefe an der steil abfallenden Wand des vom Meer bedeckten Vulkankraters der Insel. Immer noch tritt Öl aus.

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