Sexkaufverbot im LockdownPandemie verschlechtert Situation von Prostituierten in NRW

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Berufsverbot, Hygieneauflagen und Lockdown: Während der Corona-Pandemie haben sich deutlich weniger Prostituierte beim Land angemeldet als noch 2019.

Düsseldorf – Mit zwei neuen Hilfsangeboten will die NRW-Landesregierung Prostituierte besser informieren und schützen. Mit Beginn September startete das Portal www.cara.nrw, zudem nahm die Landeskoordinierungsstelle für Menschen in der Prostitution/Sexarbeit in NRW ihre Arbeit auf. „Mit diesen beiden Stellen wird Prostituierten konkrete Hilfe und Unterstützung in vielen Bedarfsfeldern angeboten“, sagte NRW-Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU) am Mittwoch in Düsseldorf. Die niederschwelligen und mehrsprachigen Angebote sollten dazu beitragen, möglichst viele Sexarbeiterinnen in das sogenannte Hellfeld zu führen, ihre Tätigkeit also offiziell anzumelden.

„Wir haben in der Pandemie gesehen, was passiert, wenn sexuelle Dienstleistungen verboten werden: Prostituierte rutschen ins Dunkelfeld und sind vielen Gefahren ausgesetzt“, sagte Scharrenbach. Mit dem Begriff Dunkelfeld ist die Ausübung sexueller Dienstleistungen ohne behördliche Anmeldung gemeint. Schon vor der Pandemie sei die Dunkelziffer in der Prostitution hoch gewesen, so die Ministerin. Corona habe die Situation weiter verschärft, da Prostitution von März 2020 bis Mai 2021 weitestgehend verboten war.

Vor allem Prostituierte, die keinen Anspruch auf Sozialleistungen hatten, gerieten demnach ins Dunkelfeld. Scharrenbach hatte sich auch in der Vergangenheit immer wieder gegen ein Sexkaufverbot nach dem schwedischen Modell ausgesprochen. Für Menschen, die in der Prostitution arbeiten, böte das keine Lösung. „Es ist besser, Prostituierten konkrete Hilfe und Unterstützung anzubieten, bei der sie auch anonym bleiben können", so die Ministerin.

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Deutlich weniger Anmeldungen von Prostituierten 2020

Scharrenbach wies darauf hin, dass männliche Prostituierte generell überwiegend im Dunkelfeld arbeiteten und statistisch nicht erfasst würden. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes war die Anzahl der angemeldeten Prostituierten 2020 um rund ein Drittel auf 6303 Frauen im Vergleich zu 2019 (9472 Frauen) gesunken. Als weitere wahrscheinliche Gründe für den Anmelderückgang nannte die Ministerin schlechte oder keine Erreichbarkeit der zuständigen Behörden während der Pandemie. Zudem seien viele Prostituierte in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Mit der Normalisierung behördlicher Abläufe rechne sie auch wieder mit einer Zunahme der Anmeldungen.

Wie viele Menschen im Dunkelfeld auch im Aktionskreis organisierter Kriminalität und Menschenhandel derzeit arbeiteten, sei schwer zu schätzen. „Unsere Herausforderung ist es, für unser System zu werben und bei den Betroffenen Vertrauen zu schaffen“, sagte Scharrenbach besonders mit Blick auf ausländische Frauen, bei denen „Vertrauen in den Staat oft nicht gegeben“ sei. Nach Zahlen des Landesstatistikamtes hatten 38 Prozent der 2020 offiziell angemeldeten Prostituierten in NRW eine rumänische Staatsangehörigkeit, rund 14 Prozent kamen aus Bulgarien, rund 22 Prozent waren deutsche Frauen.

Informationen in neun Sprachen

Das Internet-Portal cara.nrw soll laut Ministerium schnelle digitale und anonyme Informationen bieten in Fragen zu Gesundheit, Finanzen, Wohnen, Recht und Arbeit. Das Angebot steht in neun Sprachen zur Verfügung und richtet sich auch ausdrücklich an männliche und trans Prostituierte. Das Modellprojekt der Landeskoordinierungsstelle für Menschen in der Prostitution/Sexarbeit ist über das Online-Portal erreichbar. Dort werde in erster Linie persönliche Erstinformation und Beratung für Sexarbeitende angeboten. Die Stelle vermittle zudem bei Bedarf an spezialisierte Beratungsstellen in NRW weiter. Die Projektlaufzeit endet am 30. Juni 2024 und wird nach Angaben des Ministeriums mit 750.000 Euro vom Land gefördert.

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Kritik an den strikten Hygienevorschriften der aktuell gültigen Coronaschutzverordnung und einer damit vermeintlich einhergehenden Schlechterstellung gegenüber anderen Dienstleistern erteilte Scharrenbach eine Absage. Die besonders körpernahe Dienstleistung des Gewerbes sei nicht vergleichbar „mit einem Ladeneinkauf“, sagte die Ministerin. Alle Vorschriften dienten auch dem Schutz der Prostituierten selbst.

Die Coronaschutzverordnung sieht für nicht immunisierte Kunden eine PCR-Testpflicht vor. Nicht immunisierte Prostituierte und Betreiber von Prostitutionsstätten benötigen zur Ausübung ihrer Tätigkeit einen negativen Antigen-Schnelltest, zudem muss diese Personengruppe „während der gesamten Dauer ihrer Teilnahme mindestens eine medizinische Maske tragen“, so die Verordnung, die noch bis zum 17. September gültig ist.

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