Shoppen und über Jungs reden

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Barbara de Loor

Barbara de Loor

Der Gast aus dem Eisschnelllauf-Mutterland staunt: „Anni läuft hart und schnell wie ein Mann.“

Heerenveen / Inzell - Es war an einem Apriltag 2003. In Amstelveen hatte Barbara de Loor, gerade beim kommerziellen Eisschnelllauf-Team DSB in den Niederlanden vor die Tür gesetzt, die Fachpresse zum Gespräch eingeladen. Nach der soundsovielten verkorksten Saison der Frau aus Heerenveen dachte jeder, die gebürtige Nordholländerin würde ihren Rücktritt vom Hochleistungssport erklären. Mitnichten. Barbara de Loor gab ihren Wechsel nach Inzell bekannt. „In die Höhle des Löwen“, wie die holländischen Zeitungen am Tag danach titelten. Barbara de Loor konterte: „Ich habe nie daran gedacht aufzuhören. Deutsche und Kanadierinnen laufen uns seit vielen Jahren davon; es ist also deutlich, dass wir Niederländer die Weisheit nicht gepachtet haben.“ Und mit einem Augenzwinkern: „Wenn man von der Weltmeisterin und Olympiasiegerin gefragt wird, kann man doch nicht nein sagen.“

Die 29-Jährige packte nach der Einladung von Anni Friesinger während des Banketts bei der Weltmeisterschaft in Berlin ihre Sachen und zog ins bayerische Eisschnelllauf-Dorf in eine kleine Wohnung, unweit des Inzeller 400-Meter-Ovals, aber 969 Kilometer von ihrer Heimat entfernt. Trainer Markus Eicher freute sich über den Neuzugang, hatte aber nie die Illusion, dass Barbara de Loor Anni im Training mitziehen könnte: „Dafür haben wir die Männer in unserer Trainingsgruppe. Nein, wir haben ganz bewusst jemanden aus einer anderen Kultur gesucht.“ Anni Friesinger wird deutlicher: „Es musste jemand mit Erfahrung und Niveau sein. Ich kannte Barbara nicht so gut, wusste aber, dass sie viele Rückschläge hat hinnehmen müssen und immer wieder zurückgekommen ist.“

Trainiert wird Barbara de Loor von Eicher, zu Hause gecoacht von Sijtje van der Lende, ihre ehemalige Trainerin aus Friesland. Nach Absprache mit der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft kann Barbara de Loor die Infrastruktur der Trainingsgruppe Eicher nutzen, muss aber für die medizinische Betreuung 2000 Euro für eine Saison beisteuern. De Loor hat seit kurzem einen Sponsor gefunden. Das Büro von Bart Veldkamp, Anni Friesingers ehemaligem Freund, war fleißig gewesen und hatte vermittelt. „Zur Not hätte ich meine eigenen Spar-Cents beigesteuert, um mit Anni trainieren zu können“, sagte de Loor. Wenn sie klammheimlich gehofft hatte, den Abstand zu Anni Friesinger entscheidend verkürzen zu können, so wurde sie spätestens auf dem Sommer-Eis von Berlin vom Gegenteil überzeugt. Drei Wochen lang wurde Barbara de Loor in Grund und Boden gelaufen: „Das war nicht normal; Anni lief so schnell und hart wie ein Mann; Ich war danach so fertig, dass ich für kurze Zeit nach Hause musste. Eine Woche zurück zu den gewohnten Dingen wie eigenes Haus, eigener Garten, eigenes Bett, eigene Familie.“ Trainer Markus Eicher sagt: „Diese Erfahrung war heilsam, spätestens da wusste Barbara, dass sie sich nur mit sich selbst vergleichen kann.“ Und die Niederländerin selbstkritisch: „Ich weiß, dass ich in dieser Saison nicht alles erwarten darf. Anni arbeitet schon lange auf diese Art und Weise und kann jedes Jahr etwas draufpacken. Ich habe gerade damit angefangen. Aber mein Gefühl ist gut. Ich bin überzeugt davon, dass mich das weiterbringt. Und wenn es jetzt in den Wettkämpfen noch nicht so läuft, gebe ich mir auf jeden Fall noch ein zweites Jahr.“

Sie sagt es in nahezu perfektem Deutsch, denn für die Frau aus dem Heimatland des Eisschnelllaufens war klar, dass sie sich auf ihre neue Umgebung einzustellen hat, nicht umgekehrt. „Geholfen hat ein Crash-Sprach-Kursus; und wenn mir irgendwo die Worte fehlen, hilft Anni.“ Die spricht fließend Niederländisch. Für Anni Friesinger und Barbara de Loor gibt es auch noch ein Leben neben dem Topsport. „Was? - Reden über leckere Jungs, shoppen, ein Jazz-Konzert besuchen“, sagt Barbara de Loor über ihr neues Leben in Deutschland.

Bei der EM in Heerenveen sind sie von heute bis Sonntag Rivalinnen auf dem Eis. Anni Friesinger als große Favoritin auf den EM-Titel und Barbara de Loor als krasse Außenseiterin. Die Frauen aus dem Land, wo Eisschnelllaufen Volkssport ist, warten seit vier Jahren auf einen EM-Titel. Barbara de Loor zu den Chancen: „Renate Groenewold wird aufs Treppchen kommen. Ich nicht. Ich hoffe, einen weiteren Schritt in Richtung höheres Niveau zu machen.“

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