Abo

„Das geht nicht“Spitzenpolitiker nach FC-Derby immer klarer gegen volle Stadien

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Nicht alle hielten sich an die angeordnete Maskenpflicht beim Heimspiel-Derby des 1. FC Köln. 

Frankfurt/Main – Wenige Tage vor dem Bundesliga-Gipfel Dortmund gegen Bayern wächst der Corona-Druck auf den Profifußball immer mehr. Während sich die alte und die neue Regierung inmitten der drastischen vierten Pandemie-Welle über allerlei Themen in der Bekämpfung streiten, scheint ein Umstand inzwischen Konsens: Szenen wie am Samstag in Köln, wo 50.000 Fans weitgehend maskenlos und ohne jeglichen Abstand feierten, sollen sich während des nächsten harten Corona-Winters so schnell nicht wiederholen.

„Auch wenn ich Fußball-Fan bin: In den Größen, in denen die Stadien jetzt besetzt sind, geht das nicht“, sagte FDP-Chef Christian Lindner in der ARD. Der aktuelle Flickenteppich in Deutschlands höchster Fußball-Spielklasse reicht von Geisterspielen in Sachsen bis hin zur Vollauslastung im Westen.

Nicht nur mit Blick auf eine mögliche Wettbewerbsverzerrung wird dies immer kritischer gesehen. Es geht neben der seit Wochen steigenden Infektionsgefahr trotz aller Schutzmaßnahmen wie Impfungen oder zusätzlichen Tests auch um die Signalwirkung: In allen Lebensbereichen werden Maßnahmen verschärft oder Beschränkungen vorgenommen, nur im Fußball sind Events mit mehreren zehntausenden Menschen Wochenende für Wochenende Normalzustand.

Alles zum Thema Christian Drosten

„Es ist klar, dass im Profifußball Geisterspiele kommen“

Die Argumentationslinie der Clubs ist klar und bezieht sich auch auf Studien der Deutschen Fußball Liga (DFL), die allerdings zu einem deutlich früheren Zeitpunkt bei niedrigeren Inzidenzen durchgeführt wurden: Fußball ist kein Pandemietreiber, die Infektionsgefahr an der frischen Luft nicht deutlich erhöht. Es geht aber auch um Anreise, Abreise, Stadioneinlass sowie die Fahrten von Auswärtsfans quer durch Deutschland. Hier könnte die DFL am ehesten ansetzen, um der Politik entgegenzukommen. Aus Sicht von Stuttgarts Vereinsboss Thomas Hitzlsperger würde es „die Impfkampagne konterkarieren, wenn Geimpfte und Genesene nicht ins Stadion dürfen“.

Für den VfB droht aber genau dieses finanziell „dramatische“ (Hitzlsperger) Szenario. Nach Sachsen (keine Zuschauer) und Bayern (ein Viertel der Fans nach 2G-plus-Regel) wird auch Baden-Württemberg seine Regelungen für Sportveranstaltungen anpassen. Am Montag und Dienstag sollte über weitere Corona-Verschärfungen beraten werden. „Aber es ist klar, dass im Profifußball Geisterspiele kommen“, sagte Regierungssprecher Arne Braun der dpa. Andere Länder dürften folgen. Dass der Klassiker BVB gegen Bayern wie geplant vor 67.500 Fans steigt, darf ebenfalls stark bezweifelt werden.

Spitzenpolitiker einig über härtere Maßnahmen beim Fußball

In der Spitzenpolitik herrscht über den Schritt quasi Einigkeit. Neben Lindner machten sich auch Markus Söder (CSU), Karl Lauterbach (SPD) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) dafür stark, die Zuschauerzahl zu reduzieren oder nach dem Frühjahr und Herbst 2020 ein drittes Mal komplett auf leere Ränge zu wechseln. Söder forderte via Twitter neben einem Lockdown in Hotspots und Masken in allen Schulen auch „Fußballspiele ohne Zuschauer“. Wer Söder in der Pandemie erlebt hat, weiß, dass er auf diese Forderung weiterhin drängen wird.

Der Virologe Christian Drosten von der Charité empfahl der Politik im ZDF, „ganz genau in die Gebiete zu schauen, beispielsweise Österreich, Sachsen, Bayern, wo schon in verschärftem Maße diese Maßnahmen angewandt werden“. Dort seien Großveranstaltungen bereits abgesagt und man könne sich „auf dieses Klein-Management – geimpft versus ungeimpft – wer darf an einer Veranstaltung nun teilnehmen“ konzentrieren, schilderte Drosten. „Wo man das aktiv gemacht hat und wo man jetzt so langsam anfangen kann, Effekte zu sehen.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Auffällig ist, dass selbst zuschauerstarke Clubs wie der FC Bayern oder Eintracht Frankfurt Probleme haben, das reduzierte Kontingent vollzählig zu besetzen. Sowohl in München als auch in Frankfurt kamen am Wochenende deutlich weniger Zuschauer als genehmigt. Dies kann mehrere Gründe haben: Neben dem schlechten und nasskalten Wetter gibt es auch immer größere Hürden, zum Beispiel der in Bayern nötige zusätzliche Test als Geimpfter oder Genesener. Auch wenn in Köln leichtfertiger mit der Ansteckungsgefahr umgegangen wurde, könnte diese an anderen Orten eine Rolle gespielt haben.

Die Proficlubs, deren akute finanzielle Sorgen verständlich sind, vertun dabei die Chance, proaktiv zu handeln. Wenn Mainz 05 seine Zuschauerkapazität freiwillig von 30.000 auf 27.000 Menschen reduziert, ist das ein von anderen Clubs ausbleibender Impuls und auch eine gutgemeinte Geste. Ein echtes Signal ist es aber nicht.

Der Profifußball scheint in Bezug auf seine mit Detailarbeit entwickelten Hygienekonzepte abzuwarten, bis Bund, Länder und Gesundheitsämter wegen der kritischen Pandemie-Lage wieder ernst machen. Ein echtes Entgegenkommen – in Form von eigenhändigen Zuschauerreduzierungen – ist bisher nicht zu beobachten. (dpa)

KStA abonnieren