1. FC KölnDer Traum von Europas größter Stehplatztribüne

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Alexander Wehrle richtet den Blick nach oben.

  • Alexander Wehrle will den 1. FC Köln mit dem neuen Vorstand nachhaltig wachsen lassen.
  • Der Schwabe plant, die Frage des Stadionausbaus im nächsten Jahr zu entscheiden.
  • Zuletzt gab es immer wieder Interesse an Alexander Wehrle aus seiner schwäbischen Heimat.

Köln – Er meint das nicht ernst, von Zeit zu Zeit hat Alexander Wehrle bloß Freude daran, Themen aus ungewöhnlichen Winkeln zu betrachten. Zum Beispiel seine Arbeit. So ein erweitertes Rhein-Energie-Stadion in Müngersdorf für 75 000 Zuschauer – das könnte man natürlich auch bleiben lassen; gar nicht erst drüber nachdenken.

Dann habe er weniger Stress, „dann sähe meine Woche viel besser aus, ohne so ein Projekt“, sagt der Geschäftsführer des 1. FC Köln und lächelt. Ein leerer Schreibtisch am Morgen, keine Termine und keine Großprojekte vor der Brust. Das wäre nur scheinbar der wahrgewordene Traum des 44-Jährigen, der auch nach sieben Jahren beim 1. FC Köln lieber groß denkt als klein.

Wohl auch deshalb hängt er am Kölner Stadionprojekt, das mit der zweiten Machbarkeitsstudie wieder Fahrt aufnimmt. Auf der Mitgliederversammlung des FC vor sechs Wochen präsentierte Wehrle die Visualisierung eines Fußballpalasts in Müngersdorf, die bei den Mitgliedern Emotionen hervorrief. Er habe die Leute ins Bild setzen wollen. „Die Mitglieder haben doch das Recht, zu erfahren, womit wir uns beschäftigen. Das ist ja keine Legofantasie. Das hat Hand und Fuß“, sagt Wehrle. Ein verschließbares Dach, 28 000 Plätze allein auf der Südtribüne, die damit die größte Stehplatztribüne Europas wäre, wahrscheinlich der Welt: „Sieht gut aus“, fragte Wehrle die Mitglieder in der Lanxess-Arena, und die applaudierten. Wehrle mag solche Momente, dafür arbeitet er schließlich in der Unterhaltungsbranche.

„Total überrascht“

Wehrle sagt, er sei „total überrascht“ gewesen, als die Machbarkeitsstudie des Hamburger Planungsbüros Gerkan, Marg und Partner ergab, dass in Müngersdorf tatsächlich realistisch erweitert werden könne. Ein solches Stadion könnte Köln als Wahrzeichen dienen und als Leuchtturmprojekt. „Man kann doch auch mal zeigen, dass etwas geht in dieser Stadt. Man hat ja ständig das Gefühl, dass alles über die Kölner lacht. Wir können zeigen, dass wir eine Sportstadt sind und nicht nur Kultur und Karneval veranstalten“, sagt Wehrle, verweist aber auch darauf, dass bei so einem Vorhaben politisch „dicke Bretter“ zu bohren wären. Zunächst werde man intern über Sinn und Machbarkeit sprechen. „Wir werden uns mit dem neuen Vorstand in den nächsten Monaten an das Thema setzen und im neuen Jahr eine Entscheidung treffen, ob wir mit der Politik in Gespräche einsteigen“, sagt Wehrle. Es gehe darum, den 1. FC Köln auf ein solides Fundament zu stellen, und da gehöre es dazu, sich mit Einnahmen aus dem Spielbetrieb zu beschäftigen. Aber eben auch mit der Möglichkeit, zehn Jahre in der Zweiten Liga zu spielen, ohne unter der finanziellen Last einer Erweiterung zu kollabieren. So ein Neubauprojekt birgt schließlich gefahren, das zeigt etwa das Beispiel von Alemannia Aachen.

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Die Animation des ausgebauten Stadions.

Köln wird im Jahr 2024 Spiele der Europameisterschaft ausrichten, erst danach könnten die Baumaßnahmen beginnen. Bis zur Fertigstellung würde es mindestens vier weitere Jahre dauern, und es gibt zurecht eine Diskussion darüber, ob dann überhaupt noch Menschen im Stadion Fußball gucken werden. Im US-Sport werden Milliarden in neue Stadien investiert, doch beim 1. FC Köln geben sie sich mit Verweis auf neue Möglichkeiten der virtuellen Realität zögerlich. Doch rechnet Wehrle eher mit einem Anhalten des Booms, womöglich sogar einer Verstärkung durch die Heim-EM 2024. Technologisch könnte sich auch Wehrle vorstellen, den Fußball als Erlebnis digital zu den Menschen auf die Couch zu bringen, etwa als zusätzliches Angebot, sollte Köln einst wieder internationale Auswärtsspiele absolvieren. Im Zentrum soll das Heimspiel als Hochamt bleiben, das will auch der neue Vorstand so. Die Kölner analysieren ihre Fans, die auch ihre Kunden sind, sehr genau. 36 Jahre alt ist der FC-Fan im Schnitt, der wird also auch in 30 Jahren noch ins Stadion gehen und sich von 2028 an womöglich an einem sehr großen Stadion erfreuen. „Ich verstehe die Diskussion. Aber ich glaube nicht, dass wir in 15 Jahren ein halbleeres Stadion haben werden“, sagt Wehrle.

Womöglich ist der Stadionbesuch in der Zukunft eines der letzten Abenteuer unserer Gesellschaft. Fest steht, dass der 1. FC Köln bereits in den kommenden Wochen in der Stadionfrage „Geschwindigkeit aufnehmen“ will: „Wir schauen uns die Studie genauer an. Dann werden wir die Schrittfolge abstimmen“, sagt Wehrle.

Der Ruf der Heimat

Das Stadion, der Ausbau des Geißbockheims, Digitalisierungsthemen, die weitere Internationalisierung des Vereins – der 1. FC Köln bietet Alexander Wehrle auch nach sieben Jahren noch Möglichkeiten. Das ist nicht ganz unwichtig, denn zuletzt rief immer wieder die Heimat: Der VfB Stuttgart suchte einen Vorstandsvorsitzenden – und nach dem Einstieg der Daimler AG einen zweiten Investor. Die Schwaben haben enormes Potenzial, zumal für einen neuen Klubchef, der in der Zweiten Liga einen einfachen Einstieg hätte. Doch beim VfB hat in der vergangenen Woche Thomas Hitzlsperger übernommen, der beliebte Ex-Nationalspieler. Eine Option weniger für Alexander Wehrle, der jedoch nicht gerade enttäuscht sein wird, zumal in Stuttgart im Dezember Präsidiumswahlen anstehen, die den Verein erneut in unruhige Zeiten leiten könnten. Da bleibt Wehrle lieber am Rhein, wo einstweilen Ruhe herrscht, jedenfalls im Rahmen der Möglichkeiten eines 1. FC Köln.

Mit Investoren wird sich Wehrle wohl wenn überhaupt erst beschäftigen müssen, sollte es wirklich einst darum gehen, die Stadionfinanzierung auf die Beine zu stellen. An der 1. FC Köln KGaA wird jedoch niemand Anteile kaufen können, das war ein Wahlversprechen des Vorstands. Der FC soll langsam wachsen. Alexander Wehrle hat nichts dagegen.

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