FC-Manager Heldt„Wir müssen verweigern, dass Spieler zu Länderspielen fahren“

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Horst Heldt

  • Das rheinische Derby zwischen dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach musste wegen des Coronavirus ohne Zuschauer stattfinden.
  • Nun geht FC-Geschäftsführer Horst Heldt in die Offensive: Er fordert eine weltweite Lösung für den Fußball von Fifa und Uefa.
  • So sollte man überlegen, die Europameisterschaft zu verschieben. Die Spieler des 1. FC Köln müssten – wenn es nicht anders geht – von Länderspielen zurückgehalten werden, so Heldt.

Köln – Während der Betrieb in vielen großen Ligen des Kontinents am Donnerstag zum Stehen kam, hielt man beim 1. FC Köln zumindest auf sportlicher Seite noch den Schein von Normalität aufrecht. Die Profis begaben sich um 10 Uhr auf eine Joggingrunde durch den Grüngürtel. Am Freitag werden die Kölner die Vorbereitung auf die Partie gegen den FSV Mainz 05 aufnehmen. Auch die wird ohne Zuschauer stattfinden und damit im tatsächlich etwas gespenstischen Rahmen eines Geisterspiels. Doch immerhin wird der Ball noch einmal rollen, das ist an vielen Orten außerhalb Deutschlands derzeit nicht mehr denkbar. Und auch in Deutschland könnte die Liga nach diesem Wochenende vorerst gestoppt werden.

Keine Normalität

Geisterspiele werden damit wohl nicht zur Normalität; überhaupt wird Normalität auch im Fußball zunächst nicht hergestellt werden können. Horst Heldt, der Geschäftsführer des 1. FC Köln, richtete am Donnerstag  warnende Worte an die großen Verbände; an Weltverband Fifa und die Uefa, die den europäischen Fußball organisiert und in drei Monaten die Europameisterschaft in zwölf Ländern des Kontinents ausrichten will. Es sei „klar und sinnvoll“ gewesen, das Derby am Mittwoch ohne Publikum auszutragen, sagte Heldt, „aber ich glaube, dass das nicht mehr nur national gesehen werden kann“.

Problem Europameisterschaft

Der 50-Jährige hält es für sinnvoll, den kommenden Bundesligaspieltag noch ohne Fans auszutragen. Am Montag aber werde sich die DFL-Spitze treffen und beraten, wie weiter zu verfahren ist. Die Zeichen stehen  auf Unterbrechung der Saison, um den Wettbewerb nach einer Pause wieder aufzunehmen. Allerdings wird die Zeit dann knapp, denn die EM steht an, davor liegen noch Abstellungsphasen für die Nationalmannschaften. Doch Heldt fordert drastische Maßnahmen – und ein klares Signal der Verbände: Er fordert, die anstehenden Länderspiele abzusagen: „Ich erwarte, dass wir gemeinschaftlich denken und die Frage beantworten, warum wir eine Europameisterschaft nicht im nächsten Jahr stattfinden lassen. Ich finde es unverantwortlich, dass da keine Entscheidung getroffen wird.“

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Die Uefa berief immerhin eine Krisensitzung ein – allerdings erst für kommenden Dienstag. Dann soll das weitere Vorgehen für „alle nationalen und europäischen Wettbewerbe, einschließlich der EM 2020“, diskutiert werden. Vertreter aller 55 Mitgliedsverbände, die Vorstände der Europäischen Klubvereinigung ECA und der Vereinigung der europäischen Ligen sowie der Spielergewerkschaft FIFPro wurden zu einer Videokonferenz eingeladen.

Die DFL trifft sich bereits tags zuvor, und Horst Heldt würde es sogar auf den ganz großen Konflikt ankommen lassen, jedenfalls droht er damit. Schon für die nächste Abstellungsphase im März würde Heldt den Kölner Nationalspielern die Abstellung verweigern. „Wir können nicht anders. Wir sollen unsere Nationalspieler um die Welt schicken, während jeder sagt, dass es gerade nicht sinnvoll ist, sich in Bewegung zu setzen. Wenn es nicht anders geht, müssen wir einfach verweigern, dass die Spieler zu den Länderspielen reisen. Dann könnten wir abwarten, was passiert.“

Es drohen Sperren – und das Chaos

Die Sanktionen seitens der Verbände wären klar: Den Spielern, die den Einladungen ihrer Nationalmannschaften nicht folgen, drohten Sperren in den Klub-Wettbewerben. „Dann müssten die nationalen Verbände sich einig sein und sagen, dass Sperren sie nicht interessieren und sie untereinander akzeptieren, dass die Spieler trotzdem spielen. Es wäre nicht das absolut vernünftigste, deswegen ist meine Erwartungshaltung auch, dass die Verbände proaktiv vorweg marschieren und klare Ansagen machen“, sagt Heldt.

Terminnot wegen Klub-WM

Es geht damit längst nicht mehr darum, ob es nun Spaß macht, ein Spiel im Fernsehen anzuschauen, bei dem keine Zuschauer im Stadion sind. Abseits von der Gesundheit geht es um gewaltige Interessen, die am Fußball und vor allem den Spielern zerren: Denn nicht nur sind die Vereine auf die Einnahmen aus dem Spielbetrieb ihrer nationalen Ligen angewiesen. Die Uefa hat Rechte an Champions League, Europa League und der EM vergeben. Die Fifa wiederum wird Schwierigkeiten haben, ihre Termine herzugeben, denn selbstverständlich ist auch die Fifa daran interessiert, dass zum Beispiel ihre reformierte und auf 24 Mannschaften vergrößerte Klub-Weltmeisterschaft im kommenden Sommer an acht Spielorten in China stattfindet.

China ist ein riesiger Markt, auf dem etwa die globalen Sportartikelriesen derzeit gewaltige Umsatzeinbrüche verzeichnen – Unternehmen, die den Verbänden als Sponsoren verbunden sind. Ein globales Fußballevent wird die Fifa kaum wegen einer EM verschieben – oder gar bereit sein, die Klub-WM ohne die Stars aus Europa auszutragen.

Heldt will den Wettbewerb retten

Doch Horst Heldt muss zunächst auf die Vereine blicken, wo die Fußballer aus aller Welt ihre sportliche Heimat haben. Der Ex-Nationalspieler legt großen Wert auf die Integrität des Wettbewerbs. Einen Ligabetrieb einzustellen und Titel, Qualifikationen zu europäischen Wettbewerben sowie Auf- und Abstiege festzulegen, ohne dass jeder zweimal gegen jeden gespielt hat, kommt für den Kölner nicht in Frage. „Als Sportler gefällt mir das nicht. Viele Menschen sagen, dass die Wahrheit erst nach 34 Spieltagen in der Tabelle steht. Daher ist es für mich zu priorisieren, dass es am Ende klare Positionen gibt.“

DFL-Gipfel am Montag

Am Montag werden sich die Vertreter der deutschen Profivereine bei der DFL in Frankfurt treffen, es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie den Spielbetrieb dann vorerst aussetzen. „Ich glaube, dass es sinnvoll ist, in Ruhe verschiedene Szenarien durchzusprechen. Ich gehe davon aus, dass wir da mit einem Ergebnis rausgehen werden. Wir müssen uns aber die Zeit nehmen, intensiv über die Szenarien zu sprechen. Das Schlimmste wäre, die Liga vorzeitig zu beenden. Ich kann aber auch wenig damit anfangen, permanent ohne Zuschauer zu spielen. Deswegen ist aus meiner Sicht der Schlüssel, nach hinten heraus Zeit zu bekommen. Das müssen die Verbände leisten.“

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