1. FC Köln im KellerGisdols Kampf gegen den Fehlerteufel

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Markus Gisdol zum Beginn der neuen Trainingswoche

Köln – Horst Heldt ist ein Mann mit Erfahrung, das hilft ihm im Umgang mit der aktuellen Krise des 1. FC Köln, dessen Sportchef er ist. Was derzeit am Geißbockheim geschieht, hat der ehemalige Mittelfeldspieler schon erlebt, zum Beispiel vor ziemlich genau einem Jahr. Auch da war der 1. FC Köln nach einer Niederlage gegen Union Berlin in höchster Abstiegsnot, wobei sich die Lage von der aktuellen unterschied. Etwa darin, dass durch den verspäteten Saisonstart in diesem Jahr erst acht Spiele absolviert sind, obwohl schon keine Blätter mehr an den Bäumen sind. Damals war Köln Anfang Dezember nach dem 14. Spieltag Letzter, vier Zähler hinter dem Relegationsplatz. Ganz so schlimm ist es derzeit noch nicht, doch das kann sich rasch ändern, zumal die Kölner am Samstag bei Borussia Dortmund spielen, einer Mannschaft, die zurzeit maximalen Schrecken verbreitet.

Erinnerungen an 2019

Vor einem Jahr nahm Horst Heldt den Tag nach der Pleite gegen Union zum Anlass, die Mannschaft in die Verantwortung zu nehmen. „Auch die Niederlage gestern war vermeidbar“, sagte er am 9. Dezember des vergangenen Jahres, seinem 50. Geburtstag. An diesem Montag sprach er von einer „Niederlage, die wir hätten vermeiden können“; der Elfmeter zum 1:2 am Sonntag sei einer „unnötigen Fehlerkette“ entsprungen, „weil wir im Ballbesitz waren“. Vor einem Jahr sagte Heldt: „Wir machen zu viele Fehler, das 0:1 resultiert aus unserem Ballbesitz.“

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Die Dinge wiederholen sich also, allerdings folgt die Kölner Krise derzeit auch einem recht konventionellen Muster: Eine Mannschaft, der niemand viel zugetraut hat, gerät in die erwarteten Schwierigkeiten. Der Druck steigt, die Nervosität auch. Irgendwann häufen sich die Fehler, die Stimmung gerät ins Rutschen. Dann muss etwas passieren.

Vor einem Jahr war eines schon passiert, bevor Köln gegen Union verlor: Man hatte Achim Beierlorzer beurlaubt und Markus Gisdol verpflichtet. Viele Möglichkeiten hatte er also nicht mehr, daher nahm Horst Heldt damals die Mannschaft in die Pflicht: „Wir werden in dieser Woche beobachten, wer bereit ist, sich zu wehren“, erklärte er.

Trainerwechsel vorerst ausgeschlossen

Theoretisch haben die Kölner zwar in diesem Herbst noch die Möglichkeit, ihren Trainer zu ersetzen. Doch schließen sie das derzeit praktisch aus. Deshalb richtete Heldt am Montag zunächst wieder den Scheinwerfer auf die Mannschaft. „Wir müssen Leute suchen, die bereit sind, konsequenter zu arbeiten. Danach müssen wir filtern“, sagte der Sportchef. Tatsächlich waren die Kölner auch gegen Union in vielen Daten auf Augenhöhe, es entschieden einmal mehr die individuellen Fehler. Gisdol hatte bereits versucht, eine aktuelle Fehlerquelle trockenzulegen: Sebastiaan Bornauw hatte vor zweieinhalb Wochen in Bremen mit einem kuriosen Handspiel den Elfmeter zum späten Ausgleich verursacht und anschließend auch im Trikot der belgischen Nationalelf schlimm gepatzt. Daher hatte Gisdol Jorge Meré aufgestellt, der dann zwar das Kopfballduell vor dem 0:1 verloren, insgesamt aber gut gespielt und wegen seiner Qualitäten im Spielaufbau der Mannschaft geholfen hatte. Beide Gegentore hatte dann Rafael Czichos verschuldet, der als Persönlichkeit der geborene Abwehrchef ist, sportlich jedoch nicht dauerhaft das Niveau erreicht. In Dortmund vor einem Jahr erlebte Czichos beim 1:5 eine seiner schwärzesten Stunden im Kölner Trikot. Am Wochenende droht das nächste Duell mit der Wunderoffensive aus Westfalen. Womöglich wäre das Duo Bornauw/Meré trotz der Jugend beider Spieler eine Möglichkeit in Dortmund.

Ruinöse Fehlerketten

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Die FC-Verteidiger haben in den ersten acht Spielen der Saison zu oft gepatzt. 

Mit der Niederlage gegen Union Berlin ist der 1. FC Köln auf den vorletzten Rang abgerutscht. Die individuellen Fehler sorgen dafür, dass die Mannschaft leicht schwächer punktet, als die Daten vermuten ließen. Darauf deutet etwa das noch halbwegs ordentliche Torverhältnis von 8:14 hin, vier Teams stehen schlechter da. Köln ist insgesamt recht stabil: Vier Mannschaften haben weniger Ballbesitz als Gisdols Team, zudem haben Mainz, Augsburg und Bremen eine schwächere Passquote als Köln. Und: nur der FC Bayern, Union Berlin, Leverkusen, Dortmund und Leipzig lassen weniger Schüsse zu. Doch sorgen die FC-Profis mit ihren Fehlern dafür, dass sie   einfache Gegentore kassieren – und mit nur drei Punkten so schlecht dastehen wie Schalke auf Platz 18. (ksta)

Einfach jeden Profi auszutauschen, der selbstzerstörerische Fehler begeht, wird die Kölner allerdings nicht weit bringen, das gibt ihr Kader nicht her. Denn schlimme Patzer unterlaufen fast jedem Spieler, angefangen bei Torwart Timo Horn, der sich nach einer furchtbaren Startphase jedoch stabilisiert hat. „Man kann es nicht nur an einem festmachen“, sagt Heldt beinahe bedauernd, man wisse ja nicht, wer als nächstes wieder „sowas macht“.

Ungeschick im eigenen Strafraum

Allein fünf Strafstöße kassierten die Kölner bislang, was unter anderem darin begründet liegt, dass sie im eigenen Strafraum ständig Gegenspieler ungeschickt angehen. Köln hat die meisten Gelben Karten der Liga gesehen, keine Mannschaft begeht so viele Fouls wie der FC. Und dennoch fehlt Gisdol grundsätzlich die Aggressivität seiner Spieler. Das klingt seltsam, ist aber die Wahrheit: Dass etwa Ellyes Skhiri im Kampfspiel bei Werder Bremen pausierte, dürfte ein Zeichen in diese Richtung gewesen sein. Der Tunesier genießt größte Wertschätzung am Geißbockheim, doch wünschte man sich, dass er hier und da mal zupacken würde,  bevor es richtig gefährlich wird. So wie Marius Wolf, der im Mittelfeld Gegner niederstreckt, ohne seine Mannschaft dadurch gleich entscheidend zu schwächen. Deswegen muss Wolf derzeit die rechte Abwehrseite besetzen, statt seine Offensivkraft entfalten zu können. Denn Kingsley Ehizibue hat in 312 Einsatzminuten dieser Saison drei Gelbe Karten gesehen und einen Elfmeter verursacht, das ist deutlich zu viel. Seit seiner Auswechslung in der 17. Minute des Spiels in Stuttgart hat der Niederländer nicht mehr in der Startelf gestanden, aus Sicherheitsgründen. Gegen Union wurde er nun eingewechselt, womöglich hofft Gisdol, Ehizibue habe sich stabilisiert und könne Wolf in der Abwehrkette ablösen. Doch zu ganz großen Veränderungen fehlt dem Trainer wohl das Personal.

Aus der Krise zur Serie

Vor einem Jahr war das anders. Da strich Gisdol nach der Niederlage gegen Union die Spieler Schmitz, Sobiech, Verstraete, Höger, Terodde und Córdoba aus der Startelf und ließ gegen Bayer 04 Leverkusen den 17-jährigen Jan Thielmann debütieren. Sobiech, Verstraete und Höger standen anschließend für den Rest der Saison nicht mehr in der Startelf. Es war der Beginn einer sensationellen Serie mit acht Siegen in zehn Spielen. In diesem Jahr bleibt zunächst der Appell des Sportchefs. „Am Ende müssen die Spieler es richten, wir können sie nur begleiten“, sagt Heldt.

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