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1. FC KölnÖzcans Sprung aus den Startlöchern

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Salih Özcan am Samstag im Spiel gegen den FC Bayern

Köln – Sein persönlicher Neustart drohte schon wieder ein Rückfall zu werden, Salih Özcan schien zuletzt auf geradem Weg zurück in die Perspektivlosigkeit. Im Pokal gegen Altglienicke reichte es für den 1. FC Köln zwar zu einem ungefährdeten Sieg, und Özcan stand immerhin von Beginn an auf dem Platz. Doch wegen der Personalnot nur als Linksaußen, nicht auf seiner Hauptposition im Mittelfeld. Eine Woche später war er nach seiner Einwechslung nicht unbeteiligt am Gegentor, das die 2:3-Niederlage gegen die TSG Hoffenheim besiegelte, der Trend schien damit einmal mehr klar: Auch nach einem Jahr Ausleihe nach Kiel würde der Ehrenfelder allenfalls als Lückenbüßer aufgestellt werden und ansonsten kaum über Kurzeinsätze hinauskommen. Salih Özcan, 22 Jahre altes Kölner Eigengewächs,  schien weiter in den Startlöchern festzustecken.

Positive Entwicklung

Doch die Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht. Am Samstag stand der Kapitän der deutschen U-21-Nationalmannschaft gegen den FC Bayern in der Startelf und war maßgeblich daran beteiligt, dass der 1. FC Köln beim 1:2 einen bemerkenswerten Auftritt bot. „Es war eine gute Mannschaftsleistung, da war es bitter, dass wir zwei doofe Tore bekommen. Aber wir versuchen, darauf aufzubauen“, sagte Özcan am Dienstag.

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Es sei nicht einfach gewesen, im ersten Startelf-Einsatz der Saison gleich auf die Bayern zu treffen. „Aber ich habe einfach Gas gegeben und versucht, unseren Plan umzusetzen. Wir wollten im Zentrum aggressiv sein und den Bayern wehtun. Das mögen sie nicht so, wenn sie aus der Champions League nach Köln reisen und denken, das würde ein Sonntagskick. Wir haben sie gut geärgert in den Zweikämpfen, sie haben erst spät ins Spiel gefunden.“ 80 Prozent seiner Pässe kamen zum Mitspieler, 57 Aktionen hatte er am Ball und lief 11 Kilometer weit. Eine saubere Leistung, zumal gegen den Rekordmeister.

Alles zum Thema Jonas Hector

„Weltspieler auf dem Platz“

Punkte holten die Kölner zwar nicht, nach sechs Saisonspielen stehen sie weiter ohne Sieg auf dem drittletzten Tabellenplatz. Doch sieht Özcan die Leistung, nicht nur das Resultat: Es geht ihm um die Frage, ob Köln grundsätzlich in der Lage ist, eine anständige Bundesligasaison zu spielen. Und die hat er für sich mit einem klaren Ja beantwortet. „Man hat gegen Bayern gesehen, dass wir es ganz einfach können. Das ist keine 08/15-Mannschaft, da standen Weltspieler auf dem Platz. Wir können es lauftechnisch, kämpferisch. Es fehlt vielleicht noch ein bisschen Glück“, sagt Özcan vor der Partie am Freitagabend (20.30 Uhr) bei Werder Bremen.

90 Minuten gegen eine Spitzenmannschaft auf der Paradeposition im Zentrum, für einen 22-Jährigen sind das entscheidende Partien. Nach einem starken Jahr in der Zweiten Liga hoffte er, in Köln einen Kaderplatz nah an der ersten Elf zu finden und seinen Rhythmus aufzunehmen. „Es ist wichtig, Spielzeit zu bekommen und damit Selbstbewusstsein. In Kiel habe ich auch mal schlechte Spiele gemacht, aber ich habe das Vertrauen der Trainer bekommen. Man hat mir das Gefühl gegeben, dass ich wichtig bin. Das hat mir gutgetan, dann kommt eine Konstanz rein.“

Gastjahr an der See

An der Ostsee sollte Özcan auch einen Schritt aus der Familienblase tun, in Köln lebte er doch arg behütet. „Nach 20 Jahren mal auf eigenen Füßen zu stehen, das war schon was“, berichtet er. Zwar kam die Familie oft zu Besuch, „aber natürlich sind dann zwischendurch mal andere Dinge zu erledigen wie Wäsche waschen oder Essen machen. Probleme hatte ich zum Glück keine, es gibt ja auch in Kiel gute Restaurants“, sagt er lächelnd. Tatsächlich wird ein Bundesligaprofi nicht daran gemessen, wie gut seine 40-Grad-Wäsche gelingt; und Özcan weiß selbst, dass seine Entsendung in den Norden mehr bezwecken sollte, als ihm zu vermitteln, wie man etwas zu essen auf den Tisch bringt. Er sollte Ruhe finden, sich fokussieren. „Es hat mir gut getan, mal für mich zu sein, mit dem Kopf voll bei der Sache“, sagt er.

Bei Holstein Kiel stand er 26 Mal in der Startelf, erzielte fünf Tore – eine bessere Saison hat er noch nicht gespielt in seiner Karriere. Nun soll es auch in Köln weitergehen für ihn, die Chancen dazu stehen gut. Am Dienstag trainierte der am Nacken verletzte Jonas Hector noch nicht wieder mit der Mannschaft, und an dessen Vertreter Elvis Rexhbecaj (22) hat sich Özcan vorerst vorbeigeschoben. Die größten Kölner Nöte im Mittelfeld waren am Samstag nicht mehr zu sehen, „Salih hat seine Aufstellung absolut gerechtfertigt“, sagte Trainer Markus Gisdol nach dem Spiel.

Skhiri im Tief

Gegen Werder könnte Özcan eine weitere Chance erhalten, Verantwortung zu übernehmen. Als spielstarker Mann vor der Abwehr wird er vor allem Ellyes Skhiri eine Hilfe sein müssen, der Tunesier hatte gegen München vor allem die Aufgabe, Räume zu schließen und war damit nicht einmal erfolglos. Dann aber verlor er den entscheidenden Ball an Joshua Kimmich vor dem 0:2, es war nicht die erste unglückliche Aktion des 25-Jährigen in dieser Saison. „Ellyes fehlt meiner Ansicht nach Jonas Hector, der ein Stabilitätspunkt für ihn war. Es liegt viel auf seinen Schultern, er läuft unheimlich viel zu und hat das Pech, dass aus seinem Ballverlust direkt das Gegenteil fällt. Aber er ist ein sehr anerkannter Mannschaftsspieler und wird sich da auch wieder herausarbeiten“, beschreibt Gisdol. Salih Özcan könnte seinem Kollegen eine wichtige Hilfe sein. Er wird auch diese Aufgabe gern annehmen.

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