1. FC Köln und Markus AnfangDie Geschichte einer Trennung

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Markus Anfang am Freitagabend während des Spiels gegen Darmstadt

  • Markus Anfang muss als Tabellenführer gehen, weil der Verein mehr wollte von ihm als Tore und Punkte
  • Teile der Mannschaft verweigerten sich dem Trainer, eigentlich ein indiskutables Verhalten.
  • Für den Coach wurden auch seine Assistenten zum Problem, deren Defizite er nicht auffangen konnte

Köln – Wer den 1. FC Köln in den vergangenen Monaten nicht hat Fußballspielen sehen, dürfte sich gewundert haben angesichts der Nachrichten aus dem Geißbockheim: Cheftrainer Markus Anfang ist nach nur zehn Monaten im Amt beurlaubt worden. Drei Spieltage vor dem Ende der Saison, als Tabellenführer mit acht Punkten Vorsprung auf den Relegationsrang. Ein außergewöhnlicher Vorgang.

„Negativer Trend“

In der Mitteilung des Vereins war die Rede von einem „negativen Trend“. Nach dem 1:2 am Freitagabend gegen Darmstadt habe man etwas verändern müssen, „um unser Ziel nicht in Gefahr zu bringen“. Eher eine drohende Gefahr also als eine gegenwärtige, und tatsächlich könnten die 59 Punkte, die der 1. FC Köln in dieser Saison unter Anfangs Verantwortung geholt hat, sogar schon reichen für den Aufstieg. Womöglich hätte Köln ohne Trainer weitermachen können. Oder eben einfach: mit Anfang.

Doch die Verantwortlichen wollten es nicht darauf ankommen lassen. Anfangs Abschied nach dieser Saison hatte sich zuletzt mehr und mehr abgezeichnet; nicht erst, als Geschäftsführer Armin Veh (58) im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ ein Bekenntnis zum Trainer vermied. Anfang schien sich sogar an den Gedanken gewöhnt zu haben, dass es für ihn nicht über den Sommer hinaus weitergehen würde. Er hätte damit leben können, als Aufstiegstrainer hätte Anfang seinen Platz in der FC-Historie sichergehabt, wenn auch nicht in der ersten Reihe. Doch der Verein versagte ihm diese Möglichkeit.

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Peter Stöger äußert sich

Es ist kurios, dass sich Peter Stöger gerade am Sonntag zu Wort meldete, der ehemalige Trainer der Kölner, der im Winter 2017 nach einer beispiellosen Serie des Misserfolgs beurlaubt worden war und einen Kader hinterlassen hatte, an dem Anfang anderthalb Jahre später gescheitert ist. Ein Trainer, sagte Stöger, könne durchaus Verständnis dafür aufbringen, wenn ein Verein eine Trennung in der Sommerpause wolle: „Wir sind nicht so dumm, wie man meint“, sagte der Österreicher in einer Tonlage, wie sie Markus Anfang in all seinen Monaten beim FC keinmal auch nur halb so charmant hinbekommen hat.

Anfangs Unverständnis

Das alles ist keine Dummheit, eher fehlende Empathie. Anfang, 44 Jahre alt, Abitur mit den Leistungskursen Mathematik und Sport, ist Analysen durchaus zugänglich. Daher klang in seinen Statements zur Trennung Unverständnis durch. Er habe die Entscheidung zu akzeptieren, sei aber überzeugt, dass es die Mannschaft  ins Ziel schafft. Als habe er sagen wollen: Wir hatten doch genug Punkte. Warum habt ihr mich nicht einfach in vier Wochen rausgeworfen?

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So wird der Bundesliga-Aufstieg in der Vita des Trainers fehlen, obwohl er es verdient gehabt hätte. Denn obgleich in den vergangenen Monaten alles, was den Kölnern auf dem Platz gelang, mit der individuellen Stärke des Kaders erklärt wurde: Anfang hat sportlich etwas bewegt. Hat einer Mannschaft, die jahrelang einen extrem defensiven Stil gepflegt und in ihrer besten Zeit hauptsächlich von Torjäger Anthony Modeste gelebt hatte, eine Spielidee gegeben. Mit 76 Toren in 31 Spielen sind die Kölner auf dem Weg zu einem Vereinsrekord, und obwohl 41 Gegentreffer schon jetzt doppelt so viele bedeuten wie beim Aufstieg 2014 unter Peter Stöger, stellt Köln sogar in diesem scheinbar chaotischen Jahr die viertbeste Abwehr der Liga. Doch dem Verein fehlte die Perspektive. Man wollte mehr von Anfang als Tore und Punkte.

Ideen gingen nicht auf

Viele seiner Fußballideen sind nicht aufgegangen, dennoch war Anfang dem sportlichen Ziel sehr nah. So nah, dass sein Nachfolger im ersten Spiel als Profitrainer gleich den Aufstieg schaffen könnte. Für Anfang ist das bitter, selbst wenn Trennungen Teil des Geschäfts sind und die Betroffenen in der Regel üppig abgefunden werden. Doch sogar die finanzielle Seite der Trennung ist in Anfangs Fall speziell: Der 1. FC Köln schert ein wenig aus der üblichen Abfindungspraxis im deutschen Fußball aus. Üblicherweise werden Verträge bis zum Ende der Laufzeit ausbezahlt. In Köln sind Abfindungen für Führungskräfte auf ein Jahresgehalt gedeckelt – außer bei Jörg Schmadtke. Dem Geschäftsführer standen bei seiner Trennung anderthalb Jahresgehälter zu, doch rettete das die Kölner immer noch davor, Schmadtke weitere fünfeinhalb Jahre bezahlen zu müssen. So kostete die Trennung sie nur rund 3 Millionen Euro statt mehr als zehn.

Prämie fraglich

In Anfangs Fall gilt eine Einschränkung: Der Trainer hat in Köln einen Vertrag zu sehr ordentlichen Zweitligakonditionen unterschrieben, der aber erst durch die Aufstiegsprämie wirklich attraktiv wird. Doch die Prämie steht ihm nach Informationen dieser Zeitung vertraglich nur zu, wenn er am Tag des Aufstiegs noch amtiert.

Fehlende Empathie

Das fühlt sich so tragisch an wie der ganze Vorgang um den Trainer, der alles gab und trotzdem scheiterte. Doch Anfang war zu wenig Menschenfänger, um seine vielen Gegner im Verein für sich einzunehmen. Womöglich hat er es gar nicht erst versucht. Manchmal schien es, als empfinde er Wärme im Umfeld einer Profimannschaft als Mangel an Sachlichkeit. Das ist eines der Felder, auf denen Anfang versagte: Ein Profitrainer muss mehr haben als eine Spielidee, und findet er sie noch so überzeugend. Profis, die sich auf den Weg nach oben machen wollten, brachte er zwar hinter sich. Jhon Córdoba etwa, dessen Potenzial Anfang nach einem schlimmen ersten Kölner Jahr auf Anhieb hob. Aber auch Zugänge wie etwa Dominick Drexler, der wie Anfang zum FC kam, um seine Eignung für die Bundesliga unter Beweis zu stellen. Drexler gelang das. Anfang nicht.

Inakzeptables Verhalten

Spieler dagegen, die sich auch nach dem Abstieg  noch für Leistungsträger hielten, waren nicht bereit, sich von Anfang den Fußball erklären zu lassen – eigentlich inakzeptabel und ein Fall für die Sportliche Leitung. Früh drehte sich die Stimmung auch gegen die Assistenten. Und Anfang ist nicht der Typ, der menschliche Defizite seiner Mitarbeiter ausgleichen kann.

So bleibt Peter Stöger Anfangs krasses Gegenbeispiel. Der Österreicher ging damals trotz einer sagenhaft schlechten Bilanz unter Applaus. Markus Anfang dagegen hinterlässt beim FC kaum mehr als 59 Punkte aus 31 Zweitligaspielen. Und die Gewissheit, dass es nicht gereicht hat für einen Großverein wie den 1. FC Köln.

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