Abo

Als Reservist in die neue SaisonSchwierige Rolle für Kölner Urgestein Timo Horn

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt

FC-Trainer Steffen Baumgart (l.) und Torhüter Timo Horn

Köln – Wenn am Montagvormittag Steffen Baumgart beim 1. FC Köln zur ersten Trainingseinheit in der Vorbereitung bittet, wird die Situation für Timo Horn eine ungewohnte und neue sein. Der gebürtige Kölner, der bis dato sagenhafte 328 Pflichtspiele für den FC absolvierte, wird als Nummer zwei in die neue Saison gehen. Zum ersten Mal seit zehn Jahren. Marvin Schwäbe hat ihm in der vergangenen Spielzeit den Rang abgelaufen. Als sich Horn im November am Knie verletzt hatte, schlug die Stunde des 27-jährigen Neuzugangs von Bröndby Kopenhagen, der seine Chance nutzte, starke Leistungen bot und nahezu fehlerfrei blieb.

Nach vielen Jahren als Stammtorhüter ist Horn plötzlich der Herausforderer. Baumgart spricht auch nicht von einem offenen Rennen zwischen den Pfosten, der Trainer hat sich festgelegt und sieht auch keinen Grund, warum er auf dieser Position etwas ändern sollte. „Wenn Timo bleibt, ist der Kampf um die Nummer eins gegeben. Aber nicht in der Form, dass ich sage, es sind beide auf Augenhöhe – das wäre nicht die Wahrheit. Die Wahrheit ist, dass Marvin als Nummer eins ins Rennen geht und Timo als Nummer zwei“, sagt Baumgart.

Das könnte Sie auch interessieren:

Horn steht noch bis 2023 beim Bundesligisten unter Vertrag. Der 29-Jährige ist einer der Top-Verdiener beim FC und soll rund drei Millionen Euro pro Saison kassieren. Horn hatte seinem Heimatverein nach dem Abstieg 2018 die Treue geschworen, sein Vertrag war vorzeitig verlängert worden. In der 2. Bundesliga verdiente er noch deutlich weniger, doch nach der Rückkehr ins Oberhaus ist sein Salär auch wieder erstklassig. Der 1. FC Köln ist bekanntlich zum Sparen gezwungen und kann sich solch einen teuren Reserve-Keeper eigentlich nicht leisten, allerdings hat sich Horn auch  überhaupt nichts zu Schulden kommen lassen. „Was seine Zukunft angeht, da sind wir ganz klar: Es wird niemand zu Timo gehen und sagen: Du musst den Verein verlassen. Er ist einer der verdientesten Spieler, die der FC hat. Einer, der mit Leib und Seele diesen Verein lebt. Timo ist ein Vollprofi“, meint Baumgart, der lobend erwähnt, dass Horn trotz seines neuen Status nicht die beleidigte Leberwurst spielt, sondern professionell mit seiner Rolle umgeht und Schwäbe unterstützt.

Alles zum Thema Timo Horn

An Horns Situation wird sich allerdings vorerst nicht viel ändern. In der Transfer-Gerüchteküche wird sein Name selten gehandelt. Angeblich sollte Hertha BSC zuletzt Interesse an Horn gehabt haben. Bei den Berlinern ist Andreas Menger Torwarttrainer, der 49-Jährige hatte mit Horn von Januar 2018 bis Juni 2021 beim FC zusammengearbeitet. Doch richtig konkret wurde es offenbar nicht. Obwohl die Berliner Keeper Alexander Schwolow an Schalke ausliehen, Marcel Lotka zu seinem Stammklub  Dortmund zurückgekehrt ist und Nils Körber den Abflug nach Rostock machte, sind sie nicht auf der Suche nach einem neuen Torhüter. Hertha setzt auf den 23-jährigen Dänen Oliver Christensen, zudem steht noch der erfahrene Rune Jarstein (37) unter Vertrag.

Stand jetzt wird Horn also  in seine elfte Profi-Saison am Geißbockheim gehen. Das sagt auch Thomas Kessler, der Leiter der FC-Lizenzspielerabteilung, der selbst jahrelang die Nummer zwei im Kölner Tor hinter Horn war. „Timo hat sich absolut vorbildlich verhalten in einer schwierigen und für ihn ungewohnten Situation. Sollte Timo eine Veränderung anstreben, ist ihm bekannt, dass wir uns ergebnisoffen damit auseinandersetzen werden. Stand heute gehe ich davon aus, dass Timo in der kommenden Saison unser Spieler sein wird.“

Schwieriger Markt für Torhüter

In der Bundesliga sind die Planstellen im Tor so gut wie alle besetzt, für Horn scheint es im Inland keine Alternative zum FC zu geben. „Insbesondere für Torhüter ist der Markt sehr schwierig. Die Vereine müssen Geld sparen und viele meinen, dass man als erstes auf der Torwartposition sparen sollte. Im letzten Jahr hat es international eigentlich nur drei größere Torhütertransfers mit großen Ablösen gegeben, Gregor Kobel war eine große Ausnahme im internationalen Transfermarkt. Dazu kommt, dass sich der Markt internationalisiert hat und für deutsche Keeper der eigene Markt nochmal kleiner geworden ist. Es gibt mittlerweile viele ausländische Spieler in deutschen Toren“, sagt der Kölner Spielerberater Jörg Neblung, der seit Jahren viele Torhüter vertritt.

Neblung rechnet ebenfalls nicht damit, dass sich für Horn schnell etwas Neues ergeben könnte, das für diesen auch finanziell interessant sein könnte. „Timo hat einen starken Vertrag, den er woanders so nicht mehr bekommen wird. Er wird im Sommer lange warten müssen, bis sich auf dem Markt was ergeben könnte. Ich gehe davon aus, dass er die Saison beim FC beginnen wird. Die Frage ist auch, ob er sich in diesem Markt überhaupt verändern will. Wie gesagt, die Situation für Topverdiener im Tor mit Ende 20 ist nicht einfach, wenn man erst mal eine Zeit nicht mehr gespielt hat“, sagt Neblung, der mit Stefan Ortega ebenfalls einen 29-jährigen Torhüter berät. Dieser war in der vergangenen Saison der herausragende Akteur bei Absteiger Bielefeld. Sein Weg führt ins Ausland, Ortega steht vor der Unterschrift bei Top-Klub Manchester City. Er soll beim Guardiola-Team die Nummer zwei hinter Stammkraft Ederson werden.

Jahrelang hatte die Torhüterausbildung hierzulande einen exzellenten Ruf, deutsche Keeper waren begehrt. Doch diese Zeiten sind passé, meint Neblung. „In der Talentförderung speziell auf den defensiven Positionen haben wir ein Problem, das sieht man auch daran, dass es in der deutschen U-21-Auswahl in den vergangenen Jahren keinen herausragenden Torhüter mehr gab, das sind alles Ersatzspieler in ihren Vereinen. Die Engländer beispielsweise machen das besser, in vier bis fünf Jahren werden sie uns auch auf unserer Paradeposition überholt haben.“

Horn wird das nicht mehr großartig tangieren. Doch mit 29 Jahren ist er eigentlich  im besten Torhüter-Alter und sollte motiviert genug sein, wieder die Nummer eins zwischen den Pfosten zu werden. Und wenn dies schon nicht bei seinem Heimatklub  funktionieren sollte, dann wohl woanders. Selbst wenn der Markt für Torhüter schwierig sein sollte, so steht das Transferfenster noch über zwei Monate bis zum 31. August offen.

KStA abonnieren