Daum über Derby gegen Bayer 04„Für mich ist der FC leicht favorisiert"

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Christoph Daum (r.) und FC-Trainer Steffen Baumgart verfolgten am Sonntag in Leverkusen das Topspiel zwischen Bayer 04 und dem FC Bayern.

Köln – Herr Daum, Sie haben auf der Tribüne der BayArena direkt neben Kölns Trainer Steffen Baumgart die 1:5-Demütigung der Leverkusener gegen den FC Bayern verfolgt. Sie haben in Ihrer Karriere wohl alles erlebt. Doch hat Sie diese erste Halbzeit nicht auch überrascht?

Christoph Daum: Ja, mit dem Spielverlauf war ja nicht zu rechnen. Den Bayern ist wie gegen Barcelona einfach alles gelungen. Und die Leverkusener wohnten als Zuschauer dem Spektakel bei. Nicht nur auf den Rängen, sondern auch auf dem Platz. Die Mannschaft, die zuvor in der Saison so oft überzeugen konnte, hatte diesmal erhebliche Aussetzer dabei, die die Bayern gnadenlos bestraft haben. Leverkusens Matchplan ist überhaupt nicht aufgegangen.

Und der wäre gewesen?

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Die Leverkusener hatten sich sicherlich vorgenommen, hoch zu attackieren und mit geschickten Zwischenraum-Pässen durch die Nahtstellen des Gegners ihre schnellen Flügelstürmer einzusetzen. Doch im Mittelfeld klafften immer wieder riesige Lücken, ganz besonders zwischen Amiri und Demirbay. Ich sehe da weniger einen falschen Matchplan des Trainers, sondern vielmehr eine schlechte Umsetzung durch die Spieler.

Liegen also zwischen Bayer und Bayern doch noch sportlichen Welten?

Da muss man nur mal den Kaderwert der Mannschaften vergleichen. Die Bayern spielen da in Deutschland in einer eigenen Liga. Sie sind natürlich nicht unbezwingbar, Frankfurt hatte das am vorletzten Spieltag mit viel Glück auch geschafft.

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Doch dann muss der Gegner schon einen herausragenden Tag haben und die Bayern einen, an dem sie nicht ihre Bestform erreichen. Solche Tage auf beiden Seiten sind selten.

Droht der Bundesliga im Titelrennen wieder die gähnende Langeweile? Oder wird das überbewertet?

Es ist Ihre Aufgabe als Journalist, das über zu bewerten und zu dramatisieren (lacht). Solche Spiele zeigen eindrucksvoll, welche Ausnahmestellung die Bayern im deutschen Fußball haben. Ich weiß, viele Fans wünschen sich, dass die Konkurrenz die Lücke zu den Münchenern schließen kann. Aber auf absehbare Zeit sehe ich für keinen Konkurrenten eine reale Möglichkeit. Die Bayern sind zu gefestigt, das unterstreichen auch ihre Auftritte in der Champions League. Und solche Spiele wie in Leverkusen sind dann eine Machtdemonstration.

Wie kam es dazu, dass Sie neben Baumgart saßen?

Das war ein ausgeklügelter, seit Wochen von uns beiden vorbereiteter Plan, den wir dann umgesetzt haben (lacht). Nein, Spaß beiseite: Das war reiner Zufall. Steffen war sehr konzentriert auf das Spiel, da lässt man den Trainer in Ruhe. Ich kenne das gut von mir. Aber natürlich tauscht man sich vor dem Spiel, in der Pause und nachher aus. Und natürlich haben wir auch über die Entwicklung des 1. FC Köln gesprochen.

Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?

Ich habe Steffen gesagt, dass ich es bewundernswert finde, dass man seine Handschrift schon so sieht. Der FC tritt endlich wieder mit Leidenschaft, Emotionen und Mut auf. Das hat er der Mannschaft eingeimpft. Das Heimspiel gegen Fürth taugt da als gutes Beispiel. Nach dem frühen Gegentor herrschte im gesamten Stadion die Stimmung, dass der FC das noch umdrehen kann und wird. Es gab keine großen Bedenken – schon gar nicht bei der Mannschaft. Das war früher anders. Steffen lebt diese Einstellung vor und ist dazu noch ein absoluter Fachmann. Trotz der hohen Niederlage in Hoffenheim ist für mich der FC neben Freiburg die Mannschaft der Stunde. Doch Freiburg leistet seit Jahren ja hervorragende Arbeit, die Kölner dagegen standen zuvor zweimal unmittelbar vor dem Abstieg.

In Sinsheim war der Aufprall aber gewaltig. Ist das 0:5 kein herber Rückschlag für den FC?

Es hat sich gezeigt, dass der FC Führungsspieler wie Ellyes Skhiri in Partien bei starken Gegnern nicht so einfach ersetzen kann. Sein Ausfall ist bedauerlich. Aber insgesamt sehe ich das Spiel nicht als großen Rückschlag an, denn dafür wirkt die Mannschaft zu gefestigt.

Leverkusen verfolgt andere Ansprüche als die Kölner. Doch die erwiesen sich zuletzt als sehr heimstark. Wer ist Ihr Favorit am Sonntag?

Ja, Bayer hat andere Ansprüche, will Platz vier erreichen und hat dazu auch das Potenzial. Aber die Mannschaft muss schon mit einer ganz anderen Einstellung zu Werke gehen, um in Köln einen Punkt zu holen.

Einen Punkt?

Ja, das Spiel wird zu einer riesigen Herausforderung für Leverkusen. Der FC ist nach der Pleite in Hoffenheim ebenfalls auf Wiedergutmachung aus. Für mich ist der FC vor den eigenen Fans leicht favorisiert.

Der FC trauert immer noch Jungstar Florian Wirtz hinterher. Die Kölner Fans unter den 50000 dürften ihn sicherlich nicht mit offenen Armen empfangen.

Florian Wirtz ist neben Kai Havertz und Jamal Musiala das größte Talent in Deutschland. Seine Karriere hat erst begonnen, aber er hat das Zeug zu einer großen. Es ist doch logisch, dass die Kölner ihm hinterhertrauern. Ich will nicht bewerten, wie sein Wechsel über die Bühne ging. Aber die Fans sollten seine sportliche Leistung anerkennen. Und sollten die Kölner Fans ihn frostig empfangen, dann muss er da durch. Für Florian Wirtz ist das die nächste Reifeprüfung, an solchen Erlebnissen kann man auch wachsen. Ich denke, er wird damit umgehen können.

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