Die Rolle des RasensIst der Trainingsplatz für die FC-Verletzten verantwortlich?

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Christian Clemens, zuletzt mehrfach verletzt, läuft auf dem Hybridrasen am Geißbockheim, der von UV-Lampen bestrahlt wird.

Christian Clemens, zuletzt mehrfach verletzt, läuft auf dem Hybridrasen am Geißbockheim, der von UV-Lampen bestrahlt wird.

Köln – Den Clegg Hammer gibt es zurzeit im Sonderangebot, bei einem Online-Versand ist er für 2990 Euro und 90 Cent zu bekommen. Das Gerät besteht aus einem 2,25 Kilogramm schweren Hammer, der durch ein Führungsrohr fällt und beim Aufschlag anhand der Entschleunigung die Härte von Fußballplätzen misst. Auf dem Display erscheint dann ein Wert, im Fall des 1. FC Köln ist das die Zahl 80. Eine normale Härte.

Bemerkenswert hohe Verletzungsquote

Wie hart das Schicksal ist, lässt sich nicht mit Geräten messen. Das Schicksal des 1. FC Köln in dieser Saison scheint extrem hart. Und die Frage, wie hart ein Fußballplatz ist, spielt eine gewisse Rolle in der Diskussion über den aktuellen Niedergang des von Platz fünf ans Tabellen-Ende gestürzten Bundesligaklubs. Denn die Kölner verzeichnen zurzeit eine bemerkenswert hohe Verletztenquote. Dominique Heintz, Simon Zoller, Dominic Maroh und Marco Höger fallen mit Muskelverletzungen langfristig aus. Auch Leonardo Bittencourt und Christian Clemens fehlten zuletzt wegen Schwierigkeiten mit der Muskulatur, Jhon Córdoba war ebenfalls wochenlang verletzt. Und es gibt Stimmen, die behaupten, der Untergrund sei Schuld.

Seit Sommer 2016 trainieren die Kölner auf einem Hybridrasen. Der besteht aus Gras, in das Kunststofffasern eingearbeitet sind. Ein solcher Platz ist extrem widerstandsfähig, besonders im Winter haben die Kölner dadurch verlässliche Bedingungen und konnten zuletzt auf Trainingsaufenthalte im Süden verzichten. Allerdings gelten die Plätze als härter. Bänder und Muskulatur könnten stärker beansprucht werden als auf Naturrasen, dadurch mürbe werden und im Wettkampf reißen.

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Der FC Arsenal etwa legt in seinem Stadion Wert auf einen Härtegrad von 85, der Hybridrasenplatz im Emirates Stadium ist damit etwas härter als der am Geißbockheim, aber grundsätzlich weicher als die meisten Plätze in der Premier League, wo im Sinne eines schnellen Spiels die Härtegrade bei 100 und darüber liegen.

Ein Trainingsplatz von höchster Qualität

Pep Guardiola wollte in seiner Zeit als Trainer des FC Bayern an der Säbener Straße ebenfalls auf perfektem Untergrund arbeiten – und wegen seiner auf schnellen Pässen basierenden Spielidee den Rasen besonders hart haben. Im Jahr 2014 wurde ein Hybridrasen verlegt, auf dem die erste Mannschaft nach wie vor trainiert. Ersetzt wurde nur der Hybridrasen in der Allianz-Arena. Allerdings nicht wegen Schwierigkeiten mit der Härte. Sondern wegen einer Pilz-Infektion des Platzes. Die Kölner haben feinstes Geläuf verlegt: Die Tragschicht ihres Hybridrasens ist mit Kork versetzt, der für Dämpfung sorgt. Korkschichten sind der letzte Stand der Technik – solche Plätze kosten mehr als 750.000 Euro.

Doch haben Vereine, die auf Hybridrasen trainieren, tatsächlich mehr Verletzte? In der Bundesliga arbeiteten in der abgelaufenen Saison acht Klubs auf Hybrid-, zehn auf Naturrasen. Das Portal fussballverletzungen.com hält die Krankenstände der Bundesligaklubs nach. Durchschnittlich kamen die Hybridrasenvereine in der vergangenen Saison auf 1491 Verletzungstage, die Naturrasenvereine auf 1451 – kein signifikanter Unterschied also. Der Verein mit den wenigsten Verletzungstagen war Absteiger FC Ingolstadt, der auf Hybridrasen trainiert und trotzdem über die Saison nur auf 401 Ausfalltage kam. Die meisten Kranktage hatte Eintracht Frankfurt mit 2380, die Hessen trainieren auf Naturrasen. Der 1. FC Köln lag mit 1171 Tagen deutlich unter dem Schnitt.

In der aktuellen Saison ist der Kölner Krankenstand klar höher, dabei ist der Platz derselbe. Durch die Qualifikation zur Europa League ist allerdings die Belastung der Spieler höher, und Müdigkeit ist immer ein Faktor, wenn es um Verletzungen geht. Gerade Muskelverletzungen passieren oft aus Überanstrengung. Statistisch verletzen sich Fußballer eher in der zweiten als in der ersten Halbzeit und im Saisonfinale im Frühjahr öfter als im Herbst.

Die Ursachen sind nicht benennbar

Die Kölner kamen allerdings von einem auffallend niedrigen Niveau, als sie im Sommer 2016 ihren Hybridrasen verlegten. In der Saison davor hatten sie nur 511 Verletzungstage und damit über die vergangenen drei Jahre in der Bundesliga nur ungefähr ein Drittel so viele wie der Durchschnitt. Mit dem neuen Rasen normalisierte sich der Wert der FC-Spieler im Vergleich zur Konkurrenz – doch verglichen mit den eigenen Werten des Vorjahres verdoppelte er sich.

Peter Stöger muss mit den Folgen leben, die Ursachen kann er nicht benennen. Ist es doch der Platz? Oder mangelhaftes Fitnesstraining? „Ich weiß es nicht. Ob der Untergrund mit den Verletzungen zu tun hat? Ich würde eher Nein sagen. Aber wenn man kein hundertprozentiges Gegenargument hat, sagt man am besten: Ich weiß es nicht.“

Stöger hat im Vergleich zu seinem Kollegen André Breitenreiter aus Hannover vergleichsweise geringe Probleme mit seinem Trainingsplatz. Die Niedersachsen trainieren auf einem völlig ramponierten Naturrasen. Stürmer Jonathas rutschte vor einer Woche auf dem schlechten Platz aus und riss sich eine Sehne. Im Sommer hatte bereits Kapitän Edgar Prib auf dem Platz einen Kreuzbandriss erlitten.

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