FC-Legende Pierre Littbarski wird 60Ein Virtuose am Ball

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Ball eng am Fuß, der Blick in die Ferne gerichtet:  Pierre Littbarski 1991 im Dress des 1. FC Köln

  • 15 Jahre lang spielte Pierre Littbarski für den 1. FC Köln.
  • Der Weltmeister von 1990 bezeichnet die Phase als „die beste Zeit“ seines sportlichen Lebens.
  • Littbarski wird am Donnerstag 60 Jahre alt.

Köln – Es war bei der Weltmeisterschaft  1990, erzählt Pierre Littbarski, als er einen Streich ersann, der  die Zeiten überdauerte. Littbarski, in jener Zeit einer der Topspieler des 1. FC Köln, hatte sich den Medizinkoffer von Adolf Katzenmeier besorgt, das Heiligtum des damaligen Physiotherapeuten der Nationalelf. Alle Inhalte hatte Littbarski ausgeräumt und stattdessen einen lebenden weißen Hasen ins Innere hüpfen lassen. Auf ein Zeichen hin ließ sich Mitspieler Andreas Brehme beim Training fallen und schrie: „Adi, komm sofort.“ Katzenmeier eilte zu dem vermeintlich Verletzten, öffnete seinen Koffer und wäre beinahe in Ohnmacht gefallen, als ihm das Tier entgegen hoppelte. Vor allem aber war der Mann der 1000 Arzneien entsetzt, weil seine wertvollen Essenzen verschwunden waren.

Noch heute muss Littbarski über diesen Scherz lachen, er sitzt via Videoanruf zugeschaltet auf der Couch in seinem Wolfsburger Wohnzimmer, grau sind die Haare geworden, schlank ist die Statur geblieben. „Solche Sachen haben mir immer großen Spaß bereitet“, sagt Littbarski, der sich Zeit seiner Karriere eben auch über Schelmereien definiert hat. Gar nicht lustig jedoch findet er, dass er nun, an diesem Donnerstag, 60 Jahre alt wird. Er wäre gerne noch mal jung.

406 Bundesligaspiele für den 1. FC Köln

Die Zeit als Profi beim FC, für den er 406 Bundesligaspiele bestritt und dabei 116 Tore erzielte, und seine 73 Spiele für die Nationalmannschaft von 1981 bis 1990,  sei die beste Zeit seines sportlichen Lebens gewesen, erzählt er. Doch dass er nicht nur 60 werde, sondern im Sommer auch noch seit 30 Jahren Weltmeister ist, nimmt ihn schon mit: „30 Jahre, 60 Jahre, das sind enorme Zeiträume.“ Andererseits: Als sein Vater 60 wurde, habe er gedacht, „puh, der ist richtig alt. Ich sehe mich jetzt anders. Ich fühle mich gut, kann noch Sport treiben und bin im Kopf jung geblieben.“ Allerdings zeigt ihm sein Sohn Lucien, der in der U17 des VfL Wolfsburg spielt, für den Littbarski derzeit als Markenbotschafter arbeitet, immer wieder auf, wie weit der Fußballstar von einst von seinen besten Tagen auf dem Platz entfernt ist: „Der macht mich dauernd platt, auch gerade jetzt bei uns im Garten.“

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Littbarski, der 1978 von Hertha Zehlendorf zum FC wechselte, war Teil der erfolgreichen Kölner Elf der 1980er Jahre, die mit ihm dreimal Vizemeister wurde. Er war beidfüßig ausgebildet, seine Dribblings waren spektakulär, präzise Flanken waren seine Spezialität, am Ball war er ein Virtuose und vor dem Tor gefährlich. Es war Littbarski, der den Treffer  zum 1:0-Sieg für den FC gegen Fortuna Köln im Kölner DFB-Pokal-Finale von 1983 schoss. In jene Zeit fielen auch Littbarskis drei WM-Teilnahmen. Während er beim Vize-Titel 1982 und beim Triumph von 1990 in den Endspielen durchspielte, kam  er 1986 im Halbfinale und im verlorenen Finale nicht zum Einsatz. Zurecht, wie er findet, nach einer Verletzung habe  ihm die nötige Fitness gefehlt.

Nach dem Turnier verließ Littbarski Köln für etwas mehr als eine Saison, ein großer Vertrag – eine Million Mark Jahresgehalt, damals eine immense Summe – lockte ihn zu Racing Paris. Doch dort konnte er sich nicht durchsetzen, fühlte sich nie wohl und beteiligte sich selbst finanziell an seiner Rückkehr nach Köln im Spätsommer 1987. „Ich habe 500 000 Mark vorfinanziert“, sagt er. Es war ein erfolgreicher Wechsel, sagt Littbarski,  es folgten „meine drei schönsten Jahre in Köln“ unter dem Trainer Christoph Daum.

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Pierre Littbarski, Weltmeister 1990

Der Abschied vom FC im Jahre 1993 verlief unschön, der Klub war in  Abstiegsgefahr geraten, es setzte laute Kritik, Littbarski wurde als Kapitän abgelöst – da kam ihm ein Angebot aus Japan  gelegen. Littbarski nahm es an und entdeckte eine neue Welt, die ihn prägen und begeistern sollte.  Allerdings scheiterte wegen seines Japan-Engagements die Ehe mit Jugendliebe Monika,  aus der zwei Töchter hervorgegangen waren. Doch Littbarski fand in Japan privat ein zweites Glück und heiratete 1996 die Japanerin Hitomi Koizumi, mit der er zwei Söhne hat.

Erinnerungen an die Nacht von Sevilla 1982

 Als Trainer ist Littbarski nach seiner aktiven Zeit viel herumgekommen: Japan, Australien, Iran, Liechtenstein gehören zu seinen Stationen, aber auch Bayer Leverkusen als Co-Trainer unter Berti Vogts 2001, der MSV Duisburg und der VfL Wolfsburg als Co- und Interimstrainer. Die Ex-Klubs, die ihm am Herzen liegen – er nennt Yokohama, den FC Sydney, Wolfsburg und den FC – „verfolge ich. Dem FC wünsche ich, dass er es mit einer Mannschaft mal wieder in die Top-Drei der Liga schafft. Das hätten Klub und Fans verdient.“

Das „großartigste Spiel seiner Karriere“, sagt Littbarski, habe er im Dress der Nationalmannschaft erlebt, mit 22 Jahren im spanischen Sevilla. WM-Halbfinale 1982 gegen Frankreich, Littbarski erzielt das 1:0, ist in der Verlängerung maßgeblich an den Toren zum 2:3 und 3:3 beteiligt und schlenzt im Elfmeterschießen seinen Versuch lässig in den Winkel. „Diese Dramaturgie und dass ich dazu beigetragen habe, dass wir das Spiel doch noch gewonnen haben mit entsprechend riesigem Glücksgefühl – das hatte ich danach nie mehr, auch nicht nach dem WM-Gewinn“, sagt Littbarski.

Seinen Geburtstag will er still feiern. Er mag große Treffen mit Freunden und Verwandten nicht  – „das stresst mich“. Zu viert werden sie am Donnerstag  Sushi essen daheim in Wolfsburg – Littbarski, seine Frau und die beiden Söhne.

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