FC-Profi im InterviewWarum Skhiri über den Sieg bei Schalke 04 wütend war

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Abstiegskampf pur: Kölns Ellyes Skhiri (r.) im Duell mit Schalkes Amine Harit

  • Kölns Mittelfeldspieler Ellyes Skhiri über seine Fähigkeiten, Härte im Spiel und seine Wut über einen Sieg bei Schalke 04.

Herr Skhiri, Anfang Februar herrschten Minustemperaturen im Rheinland. Im südwestfranzösischen Montpellier, wo sie vor Ihrem Engagement in Köln gespielt haben, hatten Sie damit eher nichts zu tun. War das ein Wetterschock für Sie?

Ellyes Skhiri: Eine derartige Kälte – das war ich aus Montpellier in der Tat nicht gewohnt. Es war neu für mich mit Mütze und Handschuhen zu trainieren. Aber es war nötig hier, so kalt war es. Umso besser, dass die Temperaturen wieder gestiegen sind. Das schöne Wetter mit dem vielen Sonnenschein ist wirklich ein Geschenk. Die Sonne hebt die Laune bei den Menschen, du siehst immer ein Lächeln in ihren Gesichtern. In der Region Languedoc-Roussillon bei Montpellier, in der ich aufgewachsen bin, ist das Wetter eigentlich immer richtig schön. Das ermöglicht natürlich ein wunderbares Leben im Freien.

Bei diesen vielen Aufenthalten im Freien haben Sie und Ihr Umfeld gewiss sehr schnell gemerkt, dass Sie in der Disziplin Laufen keiner abhängt.

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Das war immer eine meiner ganz besonderen Fähigkeiten, eine Qualität, die ich von Geburt an mit meinen Genen in die Wiege gelegt bekommen habe. Meine Ausdauer war im Vergleich zu Gleichaltrigen immer außergewöhnlich. Ich liebe es, zu laufen. Manchmal habe ich sogar hier nach den Trainingseinheiten den Eindruck, dass mir etwas fehlt, dass ich noch Zusatzlaufeinheiten benötige.

Sie haben sich früh für den Fußball entschieden. Gab es mal Abwerbungsversuche von Leichtathletik-Klubs?

Als ich noch sehr jung war, so im Alter von elf Jahren, hat mich tatsächlich mal ein Leichtathletik-Klub kontaktiert. In Frankreich haben wir an den Schulen Wettbewerbe im Crosslauf. Ich bin immer als deutlich Jüngerer bei den Älteren gestartet und habe dabei nicht nur gewonnen, sondern auch mal einen Rekord gebrochen. Daraufhin hat ein Verantwortlicher eines Leichtathletik-Klubs meine Eltern und mich bei uns daheim besucht, um zu fragen, ob ich nicht zur Leichtathletik wechseln wolle. Aber ich habe das abgelehnt, ich war schon ganz gut drin im Fußball. Und auch da erfolgreich.

Das Laufen ist auch auf dem Platz Ihr Markenzeichen. Sie gehören zu den Spielern, die pro Spieltag die meisten Kilometer abspulen. Was zeichnet Ihr Spiel darüber hinaus aus?

Ich bin jemand, der auch im Spiel das Laufen liebt, der sich zudem aber um den Zusammenhalt der Mannschaft während einer Partie bemüht. Meine Position im zentralen defensiven Mittelfeld ermöglicht es mir, das Spiel zu lesen und die Aktionen des Gegners zu antizipieren, um meine Mannschaft im Gleichgewicht zu halten, sie zu stabilisieren.

Lange hatte es den Anschein, als benötigten Sie Jonas Hector an Ihrer Seite im defensiven Mittelfeld, um sich besonders entfalten zu können. Jetzt, wo Hector schon lange verletzt ausfällt, scheinen Sie sich emanzipiert zu haben. Sehen Sie das auch so?

Ich habe auch mit Jonas immer versucht, mein Spiel zu machen. Dafür ist es letztlich egal, ob Jonas oder jemand anderes neben mir spielt. Ich bin immer darum bemüht, mein Spiel aufzuziehen, um für die Gruppe einen Beitrag zum Erfolg zu leisten. Was die Wirksamkeit betrifft, ablesbar in Toren oder Assists, kann ich gewiss noch was aufholen.

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Wobei Sie durchaus schon als Torschütze auf sich aufmerksam gemacht haben, etwa mit Ihrem ersten Bundesliga-Tor, einem Alleingang in Freiburg 2019, dazu mit ihren beiden Toren in Dortmund in dieser Saison und zuletzt auch mit einem Treffer bei der Niederlage in München.

Das waren natürlich sehr, sehr schöne Momente. Das Tor in Freiburg war zudem sehr wichtig, weil es der Mannschaft damals geholfen hat, dort zu gewinnen. Darauf kann ich mich aber nicht ausruhen, ich muss immer weiter arbeiten.

Ihr Trainer Markus Gisdol zeigt sich sehr zufrieden mit Ihren Leistungen, bemängelt aber hin und wieder, dass Sie bisweilen auch mal ein wenig härter zur Sache gehen könnten. Wie kommt das bei Ihnen an?

Darüber habe ich auch schon mit dem Trainer gesprochen. Ich kenne seine Erwartungen. Er stellt sich auf meiner Position einen Spieler vor, der noch aggressiver zur Sache geht, gerade gegen die direkten Gegenspieler. Daran arbeite ich jetzt, um die Bälle noch besser und schneller von meinen Gegenspielern zu erobern. Allerdings glaube ich auch nicht, dass wir da über ein großes Defizit sprechen. Trotzdem versuche ich immer, mich in allen Bereichen zu verbessern, das gehört für einen Profi dazu.

Wie erleben Sie Köln und den FC – gerade im Vergleich zur Ligue 1, wo die Stimmung in den Stadien in pandemiefreien Zeiten deutlich bedächtiger ist als in der Bundesliga.

Das stimmt. Es war eine sehr große Veränderung für mich. Der FC ist ein spezieller Klub, der in der Stadt und im täglichen Leben der Menschen hier sehr wichtig ist, der eine große Ausstrahlung hat. Für uns als Spieler ist das eine große Verantwortung. Leider fehlt uns gerade jetzt die Unterstützung unserer Fans im Stadion. Das ist ein großes Handicap für die Mannschaft. Montpellier war demgegenüber etwas kleiner und familiärer. Wir hatten einen Schnitt von elf- bis zwölftausend Zuschauern in einem Stadion, in das 25 000 Menschen hineinpassen. Das ist schon ein großer Unterschied zu den 50 000, die in Köln in normalen Zeiten in einem immer ausverkauften Stadion ihren Klub anfeuern.

Wie gestaltet sich Ihr Alltag in Köln?

Hier in Köln wohne ich mit meiner Freundin zusammen. Es war mir sehr wichtig, dass sie mit mir nach Deutschland kommt, um gerade in der ersten Zeit nicht alleine zu sein. Wir fühlen uns sehr wohl hier. Ich liebe die Natur und mag es, mich an der frischen Luft zu bewegen, zumal wir einen Hund namens Perle haben, ein Mischling, der uns fast die gesamte Zeit des Tages beschäftigt. Ein Hund ist eine gute Gelegenheit, die Umgebung und auch Menschen kennenzulernen.

Nach dem 2:1-Sieg des FC in Schalke konnten die Zuschauer Sie in der FC-Dokumentation 24/7 als sehr frustrierten Gewinner erleben, obwohl das Team gewonnen hatte. Was war da los?

Das, was da passiert ist, war paradox. Ja, wir haben ein wichtiges Match gewonnen. Aber ich war wütend. Weil ich den Eindruck hatte, dass das, was wir da gespielt haben, nicht ausreicht, um in der Bundesliga zu bestehen. Das Ergebnis war wichtig für uns. Doch bei mir blieb ein bitterer Nachgeschmack, weil wir nicht das gezeigt haben, was wir zeigen müssen, um den Klassenerhalt zu schaffen.

Haben Sie darüber auch mit dem Trainer und der Mannschaft gesprochen?

Auf jeden Fall. Ich habe meine Meinung klar dargelegt. Ich hoffe, dass jeder bei uns verstanden hat, dass wir mehr geben müssen. Denn von der Qualität her sollten wir es auf jeden Fall schaffen, die Klasse zu halten. Zumal wir das aus eigener Kraft schaffen können.

Das Gespräch führte Stephan Klemm

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