Gewaltiges ComebackAnthony Modeste: Erst in Topform und bald im Kölner Trainerteam?

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Modeste_Leipzig

Gruß zum Himmel: Anthony Modeste nach seinem 1:0 gegen Leipzig

Köln – Timo Horn war im Spiel gegen Leipzig mit seinen Paraden zwar der beste Mann im Kölner Team, doch der Hauptdarsteller vollbrachte seine Taten am anderen Ende des Platzes: Anthony Modeste ist derzeit mit nun vier Toren aus den ersten fünf Saisonspielen der unerwartete Held von Müngersdorf. Der Auftritt des 33-Jährigen beim gewaltigen 1:1 der Kölner gegen den Vizemeister am Samstagabend war der vorläufige Höhepunkt eines atemberaubenden Comebacks.

Schwierige Rückkehr

Seit seinem Abschied vom 1. FC Köln im Sommer 2017 nach China hat man den Franzosen nicht mehr in dieser Weise auftreten sehen. Seine Rückkehr nach Köln im Herbst 2018, der Vertragsschluss unter heftiger Gegenwehr des chinesischen Ex-Klubs – anschließend das monatelange Warten auf die Spielgenehmigung: Es war auch eine psychische Zermürbung für den Spieler, der in dieser Zeit zudem seinen Vater verlor.

Substanzverlust im Sommer

Sportlich steckte Modeste ebenfalls im Tief. Schon vor seinem Wechsel nach China hatte er die für Profis so entscheidende Sommervorbereitung verpasst. Als er China 2018 verließ, verbrachte er den Sommer vereinslos. Zwar mit privaten Fitnesstrainern, doch Spielfitness kann sich ein Fußballer nur im Mannschaftstraining erarbeiten. Modeste verlor viel Substanz in dieser Zeit, nicht gut für einen Profi jenseits der 30. Allerdings trug er zum direkten Wiederaufstieg bei, etwa mit seinen beiden Treffern beim 3:1 gegen Sandhausen, mit dem die Kölner die entscheidende Serie starteten.

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Vor einem Jahr verpasste Modeste wegen Knieproblemen erneut eine Vorbereitung und floh im Winter nach Frankreich, ohne beim FC auch nur ein Spiel über die volle Distanz absolviert zu haben. Bei AS St. Etienne wurde es kaum besser. Früh in der Rückrunde ließ sich Modeste an der Leiste operieren, zudem wurden zwei Zähne entfernt, die im Verdacht standen, ursächlich zu sein für die ständigen Muskelbeschwerden.

Teurer Stürmer

Kein Tor erzielte Modeste in der Saison 2020/21, das war ein Problem: Zwar hatte der Franzose den Kölnern bei seinem Wechsel nach China 28 Millionen Euro eingebracht und war später ablösefrei zurückgekehrt, was nach wie vor kein schlechtes Geschäft ist. Allerdings erhielt Modeste auch deswegen einen großen Vertrag. Aber nicht nur: Weil die Erstligisten Schalke 04 und VfB Stuttgart heftig um Modeste buhlten und auch Fenerbahce Istanbul mit viel Geld lockte, musste der damalige Zweitligist ein großes Paket schnüren: Fünf Jahre plus fünf Jahre Anschluss, ein Ewigkeitsvertrag.

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Artistisch: Anthony Modeste auf dem Trainingsplatz 

Zwar kehrte Modeste für ein eher unterdurchschnittliches Zweitligagehalt zurück. Doch mit dem Wiederaufstieg verbesserte er sich beachtlich: Sein Bundesligavertrag hat die dritthöchste Dotierung beim FC. Als im Winter Kräfte aus der Fanszene in der Kölner Innenstadt Schmähplakate gegen Geschäftsführer Alexander Wehrle anbrachten, waren auf einem Motiv die vermeintlichen Transferflops geführt, für die Wehrle verantwortlich sein sollte. An erster Position: Anthony Modeste – ein Spieler, der aktuell beim Verein unter Vertrag stand, dessen Bestes die Aktivisten mit ihren Plakaten angeblich wollten. Abgesehen davon, dass derartig gestaltete Plakate einen fragwürdigen Debattenbeitrag darstellen, erwies sich Modeste als schlecht gewähltes Opfer – und als guter Beleg dafür, sich im Fußball nicht vorschnell festzulegen. Erst recht nicht, wenn es um Stürmer geht.

Anschlussvertrag für kleines Geld

Zu Modestes Vertrag gehört eine Anschlussvereinbarung für die Zeit nach der Spielerlaufbahn. Von Juli 2023 an wird der Franzose Teil des Kölner Trainerstabs sein, die Konstruktion erfolgte damals auf Wunsch des Spielers, dessen Plan es im Winter 2018 war, seinen Lebensmittelpunkt auch nach der Karriere in Köln zu haben. Finanziell ist der Anschlussvertrag nach Bundesliga-Maßstäben ohne größere Bedeutung: Sollte Modeste seinen Job im Sommer 2023 tatsächlich antreten, wird er als Trainer ohne Ausbildung deutlich unter 100 000 Euro jährlich verdienen. Es geht dem Spieler um einen ersten Schritt in den Trainerberuf – und darum, nach dem Ende der Karriere nicht ohne Beschäftigung zu sein.

Sein Torhüter sieht die Entwicklung mit Freude. „Tony musste viel wegstecken in den vergangenen zwei Jahren. Aber er hat einen enormen Ehrgeiz und sich wieder herangekämpft. Man konnte schon in der Vorbereitung beobachten, wie er von Woche zu Woche immer stärker wurde“, sagt Timo Horn. Der Keeper beobachtete das Wirken seines Kollegen gegen Leipzig aus der Entfernung – und war beeindruckt von Modestes Abläufen. „Im Sechzehner – das verlernt man nicht. Das hat man. Er hatte vorher ja schon das Abseitstor riesig reingemacht. Das 1:0 dann auch – total abgeklärt. Wir sind froh, dass wir ihn wieder in dieser Verfassung haben. Das hat uns in der letzten Saison sicherlich gefehlt: Ein Stürmer, den man auch mal anschießen kann – und der Ball geht rein.“

Tränen nach dem Treffer

Ein Abseitstor, zuvor bereits die Aktion, als er Mark Uth mit einer perfekten Hereingabe von der rechten Seite bedient hatte, dessen Treffer aber wegen einer Abseitsstellung annulliert worden war: Modeste ertrug das alles stoisch, mit ausgebreiteten Armen zwar und Posen des Bedauerns. Aber ohne die Konzentration zu verlieren. Er ist duldsamer geworden, und das alles zahlte sich in der 53. Minute aus, als ein missglückter Befreiungsschlag vor Modestes Füße trudelte und der Stürmer mit dem ersten Kontakt satt abschloss. Ein großartiger Rechtsschuss unter die Latte – auch diesmal verging viel Zeit mit der Prüfung durch den Schiedsrichter, doch als der Treffer zählte, brach Modeste in Tränen aus – am Samstag hätte sein Vater Geburtstag gehabt.

Auf der Tribüne jubelten Modestes Frau und die zwei Kinder, die in den vergangenen Monaten viel Zeit in Monaco verbracht hatten und rechtzeitig zur fußballerischen Wiedergeburt von Ehemann und Vater zurück sind. Manchmal passt eben alles zusammen.

Baumgarts Einfluss

Modeste ist zwar körperlich fit, läuft jedoch nicht unbedingt mehr als in der vergangenen Saison. Steffen Baumgart hat einen sehr genauen Plan, wie Modeste Teil des gnadenlosen Kölner Pressingsystems sein kann. Allerdings ist klar definiert, wann der Franzose sich an der Jagd auf Ball und Gegner beteiligt – und wann er sich im Strafraum freischleichen soll, um dann frei in unmittelbarer Tornähe an den Ball zu kommen. Modeste weiß, was gefordert ist – und wie in seiner stärksten FC-Phase unter dem Empathiekünstler Peter Stöger profitiert er vom Trainer, der ihm vom ersten Spieltag an größte Aufmerksamkeit und Wertschätzung gibt. „Ich liebe ihn“, hat der sensible Modeste neulich über seinen manchmal so schroff wirkenden Coach gesagt: „Wenn der Trainer hinter dir steht, macht das alles einfacher. Ich versuche, das zurückzugeben – meinem Trainer, meinem Team.“

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