FC-Talent Jan ThielmannNach Abitur und Rettung soll die nächste Stufe folgen

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ThielmannTor

Jan Thielmann bei seinem Tor im Test gegen den FC Bayern

Köln – Neulich ist es Jan Thielmann wieder aufgefallen, da saß er auf der Hotelterrasse des Öschberghofs in Donaueschingen, und sein Blick blieb an Salih Özcan hängen. Thielmann wird regelmäßig verwechselt mit Özcan, vor allem nun, da er an seiner Statur gearbeitet hat und mittlerweile ähnlich muskulös ist wie sein 23-jähriger Kollege. Die Frisur, der Bart – aus der Entfernung sehen beide einander tatsächlich sehr ähnlich. „Verrückt“, lacht Thielmann: „Auf den ersten Blick dachte ich gerade, da säße ich.“

Bemerkenswerte Entwicklung

Thielmann hat in den vergangenen Monaten eine bemerkenswerte Entwicklung genommen: Im Frühjahr legte der 19-Jährige sein Abitur ab, parallel zu seinen Aufgaben als Profi des 1. FC Köln. Es war eine große Belastung, wenngleich Thielmann nicht unbedingt sagen will, dass die Schule unter dem Fußball gelitten hat. Zwar hat er das Abitur nicht gerade mit Glanz und Gloria bestanden, aber darum geht es nicht, wenn man nebenher den 1. FC Köln in der Bundesliga halten will. „Wäre ich kein Fußballprofi, wäre mein Abitur nicht viel besser gewesen“, sagt er: „Ich habe versucht, rechtzeitig mit dem Stoff durchzukommen. Und es ist ja gelungen.“

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Seine Nerven hatte Thielmann immerhin im Griff, er ist seit Jugendzeiten daran gewöhnt, auf den Punkt Leistung zu bringen. Das hat ihn mit den B-Junioren des 1. FC Köln zur Deutschen Meisterschaft geführt, und auch beim Abitur hat es nicht geschadet, schließlich hat er schon vor 50.000 Zuschauern in Müngersdorf gespielt. „Wenn man so eine  Situation wie im Stadion schon mal erlebt hat, hilft das schon. Da geht man gelassener in eine Klausur. Aber das Stressniveau ist nicht zu vergleichen, auf dem Rasen im Stadion gibt es immer mehrere Lösungen. Neben der großen Öffentlichkeit vor allem einen Gegner, gegen den man arbeiten muss.  Wobei Thielmann auch in der Schule auf Hindernisse traf: „Der größte Gegner war immer Mathe, vielleicht auch Französisch“, sagt er und macht dabei ein Gesicht, als sei er ganz glücklich damit, sich zunächst ausschließlich auf den Fußball konzentrieren zu dürfen.

Alles zum Thema Steffen Baumgart

In diesem Sommer ist er auch offiziell dem Juniorenalter entwachsen, in der vergangenen Saison hätte er noch für die U19 spielen dürfen. Im Mai ist er 19 geworden, 36 Bundesligaspiele hat er seit seinem Debüt unter Markus Gisdol im November 2019 absolviert, damals war er der erste Spieler des Jahrgangs 2002, der jemals in der Bundesliga eingesetzt wurde. In der vergangenen Saison erzielte Thielmann seine ersten beiden Bundesligatreffer; einen beim 2:2 gegen Wolfsburg, den anderen zum 2:1-Sieg in der Nachspielzeit auf Schalke.

Entscheidender Sieg auf Schalke

Der Sieg beim abgeschlagenen Tabellenletzten war damals aber womöglich tatsächlich entscheidend dafür, dass Köln auf Kurs Klassenerhalt blieb und die Schalker im Keller den Lichtschalter nicht fanden. „Es war ein schwieriges Spiel für uns und ein wichtiges Tor, gerade für unser Selbstvertrauen“, sagt er. Auch die Rückrunde lief nicht von allein für den FC. „Wir haben dann irgendwie die Punkte zusammengekratzt und die Relegation erreicht. Nur das hat am Ende gezählt.“

Im April verlängerte er seinen Vertrag beim FC bis zum Jahr 2024, es war die Anerkennung für starke Leistungen und aus Sicht des Vereins der richtige Zeitpunkt, ein großes Talent langfristig zu binden. Nun ist er Vollprofi ohne schulische Verpflichtungen, in der Sommerpause zog er aus dem FC-Internat in die erste eigene Wohnung. Man wird schnell erwachsen als Fußballprofi, auch seine Position im Mannschaftskreis verändert sich. Steffen Baumgart lege Wert darauf, dass sich auch die jüngeren Spieler zu Wort melden. Er sehe sich zwischen Alt und Jung, sagt er: „Klar müssen wir jungen Spieler uns auch mal hinten anstellen. Was die Älteren sagen, ist erst einmal Gesetz. Auf dem Platz bin ich aber mittlerweile ein bisschen lauter. Der Trainer will, dass wir uns gegenseitig pushen, die Jüngeren genauso wie  Älteren.“

In Baumgarts Spielsystem mit zwei Spitzen erweist sich Thielmann in den ersten Wochen der Vorbereitung als starke Besetzung. Sein Tor im Test gegen den FC Bayern (3:2) am vergangenen Wochenende blieb in Erinnerung. Es stört ihn nicht, in die Verantwortung zu rücken. „Ich kann sehr gut damit leben, wenn ich auffalle“, sagt er, allerdings auch: „Es war ein Vorbereitungstor wie jedes andere.“ In der vergangenen Saison kam Thielmann oft von der Bank, mit seiner enormen Laufstärke und wilder Entschlossenheit warf er sich in die Duelle und stürzte die Gegner ins Chaos, eine Spezialaufgabe. „Ich habe meine Einsatzzeiten bekommen, deshalb konnte ich mit der Rolle, reinzukommen und  Alarm zu machen, gut leben.“

„Ich glaube, dass für uns etwas gehen kann“

Der Klassenerhalt hat Thielmann von einer Last befreit. „Wir haben uns vor Augen geführt, ob wir in der nächsten Saison in den tollsten Stadien kicken oder in der Zweiten Liga, wo  jeder von uns erwartet, dass wir aufsteigen. Deshalb war der Sieg in Kiel schon eine große Erleichterung“, sagt er – und blickt zuversichtlich auf die neue Saison: „Jetzt können wir voll angreifen. Nicht viele rechnen mit uns. Aber ich glaube schon, dass für uns etwas gehen kann.“ Dass Steffen Baumgart sogar in Aussicht stellt, gegen die Bayern auf Sieg zu spielen, wundert Thielmann nicht, im Gegenteil: „Wir wollen mutig spielen, wir wollen eine freche Truppe sein und Akzente setzen. Ich mag diese Spielweise.“

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