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FC-Torwart Kessler im Interview„Bin total optimistisch, dass wir das schaffen“

Lesezeit 6 Minuten
Kessler

Thomas Kessler

  • Der 1. FC Köln steckt mitten in der Krise. Der Verein steht im Tabellenkeller, Achim Beierlorzer und Armin Veh haben den Verein verlassen.
  • Nun sind Trainer Markus Gisdol und Sportdirektor Horst Heldt dafür zuständig, den FC in der Liga zu halten.
  • Ersatz-Torwart Thomas Kessler ist zuversichtlich, dass Köln den Klassenerhalt schafft.

Herr Kessler, Ihr Vertrag beim 1. FC Köln läuft in einem halben Jahr aus. Stellen Sie sich schon auf Ihren Abschied vom Profifußball ein?

Überhaupt nicht. Ich bin Torwart im besten Alter und habe mich noch nie besser gefühlt, auch körperlich nicht. Man weiß zwar nie, was im Sport passiert. Aber ich werde Stand heute nicht im Sommer aufhören, professionell Fußball zu spielen.

Haben Sie das Gefühl, sich jenseits der 30 als Torhüter noch zu verbessern?

Auf jeden Fall habe ich den Eindruck, dass mir das Alter zugutekommt. Ich kann viele Dinge besser einschätzen, kenne meinen Körper und weiß, was gut für mich ist und was nicht.

Sie haben sich sehr lang im Profifußball gehalten. Gibt es einen Faktor, dem Sie das verdanken?

Vor allem ist das absolute Disziplin. Profifußball ist kein Job, den man nebenbei macht; keine Zwei-Stunden-Angelegenheit. Es gehört sehr viel mehr dazu als die Arbeit auf dem Platz. Allein, den Körper auf das Training vorzubereiten. Das lernt man immer besser, je älter man wird. Ich bin zwei Stunden vor dem Training da und bereite mich mit all meinen Routinen vor – im Anschluss daran steht Nachbereitung auf dem Programm.

Der Fokus muss auf dem Sport liegen. Das sage ich auch jungen Profis, weil ich glaube, dass es viele verbotene Früchte gibt, die verlockend sind, die vor allem Ablenkung vom Wesentlichen bedeuten. Die Anforderungen sind mittlerweile viel höher als in meinen Anfängen vor 14 Jahren. Früher wurde man hier und da auf der Straße erkannt. Heutzutage muss man nicht mal das Haus verlassen, um positiv wie negativ die volle Rückmeldung zu bekommen. Früher gab es nur Zeitungen, heute muss ich nur mein Smartphone in die Hand nehmen und habe 150 Meinungen zu meiner Person.

Wie beurteilen Sie derzeit die Situation beim 1. FC Köln?

Die Momentaufnahme ist, dass wir uns noch früh in der Saison befinden, nicht gut gestartet sind und viel schlechter dastehen, als wir es erwartet haben. Wir haben uns wieder einmal neu erfinden müssen mit einem neuen Geschäftsführer Sport und einem neuen Trainerteam. Und jetzt wollen wir die Kurve kriegen, am besten noch vor Weihnachten. Denn wir wissen, dass das Programm zum Start der Rückrunde nicht einfach wird.

Sie haben schon viele Trainer und Manager kommen und gehen sehen. Nehmen Sie solche Wechsel einfach hin oder stört Sie das?

Es ist zwar immer wieder eine Herausforderung, aber auch unglaublich lehrreich. Ich habe unglaublich viele Charaktere kennengelernt. Viele Arten, wie man eine Mannschaft oder einen Verein führen kann. Wenn man nicht nur auf sich selbst schaut, kann man sich gute Dinge abschauen. Und lernen, was man besser lassen sollte. Ich erfahre hier seit 14 Jahren eine Ausbildung im Profifußball, die ich auf keiner Uni dieser Welt bekäme.

Hilft da Ihre Position als Nummer 2?

Definitiv, auch im Umgang mit der Mannschaft. Gerade in solchen Phasen sind viele Spieler im Tunnel, weil sie sich nur auf das nächste Spiel konzentrieren. Wenn man wie ich schon länger im zweiten Glied steht und die Erfahrung hat, direkt funktionieren zu können, ohne permanent im Tunnel zu sein, kann man auf Dinge achten, die andere übersehen. Es kommt vor, dass wir in der Mannschaft Dinge diskutieren, zu denen mir Kollegen sagen: Verrückt, dass dir das auffällt. Dann sage ich: Das ist mein Job.

Merken Sie, wie sich der Verein um Sie verändert, Sie aber als Konstante bleiben?

Es ist im Profisport völlig normal, dass sich die Personen ändern. In solchen Situationen werde ich dann gefragt, wie ich die Lage einschätze. Ich bin in dieser Stadt aufgewachsen und lange in diesem Klub. Da habe ich dem einen oder anderen ein bisschen was voraus, weil ich weiß, was auf einen zukommt, wenn sich die Dinge so entwickeln.

Sind Sie auch ein Machtfaktor? Immerhin sind Sie Mitglied des Mannschaftsrats.

Das Thema Mannschaftsrat wurde in den vergangenen Wochen viel zu sehr aufgebauscht. In der heutigen Generation gibt es keine klassischen Leitwölfe mehr, die eine Mannschaft anführen. Wir haben hier viele Jungs, die sich viele Gedanken über diese Mannschaft und diesen Klub machen. Das wird ausdiskutiert, und am Ende ist klar: Wenn der Trainer oder der Manager etwas besprechen wollen, ist der Mannschaftsrat da.

Und umgekehrt: Wir repräsentieren die Mannschaft und vertreten sie, wenn es darum geht, bei den Verantwortlichen Dinge zum Wohl des Teams anzusprechen. Da geht es nie um persönliche Befindlichkeiten. Aber: Jeder in dieser Mannschaft darf Verantwortung übernehmen. 

Kann der Mannschaftsrat einen Trainer entlassen?

Das steht uns doch überhaupt nicht zu. Wir sind Angestellte dieses Klubs. Der hat einen Geschäftsführer, der in diesem Fall Horst Heldt heißt. Und der stellt den Trainer ein. Wir Spieler können niemanden entlassen.

Es gab Kritik daran, dass beim 1. FC Köln keine junge Nummer 2 benannt wurde, die den Stammtorwart unter Druck setzt. Wie nehmen Sie das wahr?

Die Diskussion halte ich persönlich für unsachlich. Die Leistung von meinen Torwartkollegen und mir muss jeweils individuell betrachtet werden. Wenn ich für den 1. FC Köln in den vergangenen sieben Jahren zum Einsatz kam, habe ich immer meine Leistung gebracht.

Ich habe in der Phase regelmäßig gespielt, in der es der Verein erstmals nach 25 Jahren wieder nach Europa geschafft hat. Aber es ist nicht meine Aufgabe, zu bewerten, ob Timo mit einem anderen Torwartteam besser performen würde. Ich bin dafür verantwortlich, dass ich gute Trainingsleistungen bringe und am Wochenende zu hundert Prozent in der Lage bin, zu spielen.

Die bessere Geschichte für die Öffentlichkeit wäre, dass ein junger Torwart dem etablierten Mann den Platz streitig macht.

Es geht aber nicht um Geschichten. Wir haben ja 20-jährige Torhüter beim 1. FC Köln. Aber ich sitze nicht auf der Bank, weil ich ihnen im Weg stehe. Sondern weil ich mir das mit Leistung täglich im Training erarbeite. Fakt ist: Ich bin der zweitbeste Torwart hier. Und wenn einer besser ist, kann er gern den Platz haben, den Druck auf die Nummer 1 erhöhen und am Ende sogar spielen.

Als der FC in der Saison 2017/18 abstieg, war es zur Winterpause schon beinahe vorbei. Diesmal haben Sie noch nicht abreißen lassen. Wie steht es um Ihre Zuversicht?

Wir stehen natürlich nicht da, wo wir stehen wollen. Aber wir haben jetzt ein Trainerteam bekommen, von dem ich total positiv überrascht bin. Ich habe selten einen Trainer gehabt, der auf mich einen so guten ersten Eindruck gemacht hat. Der Trainer beobachtet sehr intensiv, wir trainieren sehr ausgiebig, machen Videositzungen und versuchen in der Kürze der Zeit, unseren Spielstil anzupassen.

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Wir nutzen die Zeit in meinen Augen perfekt, deswegen bin ich total optimistisch, dass wir das schaffen. Wir müssen jetzt auf dem Punkt gegen Augsburg aufbauen, konzentriert trainieren und dem Trainer zuhören. Denn ich habe den Eindruck, dass er genau weiß, was diese Mannschaft kann und was nicht. Ich habe großes Vertrauen.

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