FC-Trainer Beierlorzer im PorträtDer Pädagoge am Geißbockheim

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Achim Beierlorzer, der neue Cheftrainer des 1. FC Köln, gibt sich bisher offen und nahbar. Samstag gibt er in Wolfsburg sein Bundesliga-Debüt.

  • Achim Beierlorzer startet als Trainer des 1. FC Köln seine erste Saison in der Bundesliga.
  • Doch wer ist der Mann, der die Kölner zum Erfolg führen will?
  • Wie aus dem Gymnasiallehrer ein Bundesligatrainer wurde. Ein Portrait.

Köln – Der Abend war schwül-heiß, der Andrang groß, die Situation etwas unübersichtlich. Einen Tag nach dem Trainingsauftakt bestritt der 1. FC Köln an diesem hochsommerlichen Freitag, dem 5. Juli, sein erstes Testspiel unter dem neuen Cheftrainer. Der 7:1-Sieg beim Mittelrheinligisten SpVg Frechen 20 lieferte nun wirklich keine großen Erkenntnisse. Interessanter war zu beobachten, wie sich an diesem Abend der neue Fußballlehrer des Bundesligisten gab: Engagiert, lautstark, direkt, aber auch positiv an der Seitenlinie. Gelassen und freundlich danach.

Nach dem Abpfiff scharten sich Dutzende Fans hinter der kleinen Tribüne um Achim Beierlorzer, der geduldig sämtliche Autogramm- und Fotowünsche  erfüllte. 25 bis 30 Minuten lang. Da kann man auch schon mal die Lust und Contenance verlieren. Nicht so Beierlorzer.

Auch in den kommenden Wochen blieb der 51-Jährige seiner nahbaren Art treu. Sie scheint nach Köln und zum wuchtigen, stets etwas hektischen und divenhaften Traditionsklub FC zu passen. Beierlorzer weiß, dass am Ende die fachliche Kompetenz und vor allem die nackten Ergebnisse zählen. Aber die erste Chemie stimmt schon mal, was ja nicht so schlecht ist.

Beierlorzer unterscheidet sich deutlich von Anfang

Seine Art unterscheidet sich von der seines Vorgängers Markus Anfang (45). Der ist gebürtiger Kölner, war ganz sicher nicht unfreundlich, gab sich zuverlässig, aber diese Nahbarkeit und Authentizität ging ihm doch ab. Typsache eben, bei Beierlorzer wirkt wenig aufgesetzt. Er ist damit als Franke vielleicht kölscher als Anfang. Beierlorzer versucht, alle mitzunehmen: Mannschaft, Stab, Verein, Fans, Umfeld. Der Teamgedanke, das Kollektiv, steht über allem.

Der Franke sieht die Aufgabe beim FC als Privileg an

Man spürt, dass der Ex-Fußballer, der als Aktiver im Gegensatz zu seinem Bruder Bertram (1. FC Nürnberg, FC Bayern, VfB Stuttgart) maximal auf Regionalliga-Niveau mit der SpVgg Fürth spielte, die Aufgabe beim 1. FC Köln als Privileg und Chance betrachtet. Er geht sie aber nicht devot, sondern gelassen und fleißig an. Denn er weiß: Es gab für ihn ein Leben davor, es wird auch eines danach geben. Er ist auf dem „zweiten Bildungsweg“ in der Bundesliga gelandet.

17 Jahre lang Gymnasial-Lehrer für Mathe und Sport

Denn der Franke, der das jüngste von neun Geschwistern ist und selbst drei Kinder hat, war 17 Jahre Gymnasial-Lehrer für Mathematik und Sport. Noch vor zehn Jahren hat er einen kleinen Verein  in der Bezirksliga trainiert und „niemals“ mit dem Sprung ins ganz große Geschäft gerechnet. In diesem Sommer hat der Pädagoge indes seinen Beamten-Status aufgeben müssen; er wird es verkraften, schließlich mischt er ganz oben mit. Zum ersten Mal. Er steht vor seinem Bundesliga-Debüt am Samstag in Wolfsburg (15.30 Uhr).

Karriere nicht auf dem Reißbrett geplant

Beierlorzer hat sich hochgearbeitet, seine Karriere war nicht wie bei den Nagelsmännern der Branche auf dem Reißbrett geplant. Schwabach, Kleinsendelbach, Greuther Fürth U17, 2014 der große Schritt zu RB Leipzig, wo er als Jugend-, Co- und Interimstrainer der Profis bekannter wurde. 2014 schloss er   den Fußballlehrer-Lehrgang ab  – als Bester mit der Note 1,0.  Da sei er „bisschen ein Streber“ gewesen. 2017 folgte der Wechsel zu Jahn Regensburg, mit dem er zwei erfolgreiche Spielzeiten in der 2. Bundesliga spielte. Es folgte der Ruf aus Köln.

Das könnte Sie auch interessieren:

In Leipzig, da hatte er mit dem damaligen Cheftrainer Ralf Rangnick (61) zusammengearbeitet, zusammenarbeiten müssen. Rangnick eilt der Ruf voraus, ein detailverliebter Besessener zu sein, der brutal viel von den Mitarbeitern fordert. Beierlorzer lernte aber ein hoch professionelles Arbeitsumfeld kennen, entwickelte seine Spielphilosophie und Trainingssteuerung weiter.

Vertreter der „Gegenpressing-Trainer"

Er gilt als Vertreter der durch Jürgen Klopp bekannt gewordenen Bewegung der „Gegenpressing-Trainer“, die insbesondere in Leipzig interpretiert wird. „Wir wollen immer aktiv sein, den Gegner hoch anlaufen und ihn vom Tor weghalten. Mit der aggressiven Arbeit gegen den Ball und unserem Umschaltspiel haben wir  enorme Wucht“, beschreibt Beierlorzer den Spielstil, der im 4-4-2-System umgesetzt werden soll.

Der Plan ist also klar. Jetzt geht es an die weitere Umsetzung und Verfeinerung. Das erste Pflichtspiel hat gezeigt, dass Optimierungsbedarf da ist. Beim Sieg im Elfmeterschießen in der ersten Pokalrunde bei Zweitliga-Aufsteiger SV Wehen Wiesbaden fehlte die „Balance im Spiel“, so Beierlorzer. Die Lücken zwischen Abwehr und Mittelfeld waren noch zu groß.

Veh: „Trainerteam wird auch in einer Krise funktionieren"

Armin Veh, der Geschäftsführer Sport, der den Chefcoach verpflichtet hat, stellt bisher seinem neuen Trainerteam um Beierlorzer und den beim FC bereits bekannten Assistenten Manfred Schmid (48) und André Pawlak (48) ein gutes Zeugnis aus: „Das Trainerteam funktioniert so, wie ich mir das gewünscht habe. Und es wird auch funktionieren, wenn es mal Krisen gibt. Ich bin ruhig, weil die Mannschaft in guten Händen ist.“ In den Händen eines Pädagogen.

Veh hatte den Spieler Beierlorzer 1996 als Trainer in Fürth  einst aussortiert. Doch das, erklärten beide unisono, sei im Prinzip vergessen und  kein Problem mehr. Denn was man auch schon sehen konnte: Nicht nur die Chemie zwischen Mannschaft und Trainer und Trainer und Fans scheint zu stimmen, sondern auch die zwischen dem Coach und seinem Vorgesetzten. Veh kann mit Beierlorzer gut reden. Und das mag der heitere Augsburger über alle Maßen.

KStA abonnieren