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FC-Sportdirektor Heldt im Interview„Ich schaue als Erstes in den Nachwuchsbereich“

Lesezeit 15 Minuten
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Horst Heldt im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger”

  • Horst Heldt hat keine Lust auf eine weiteres Jahr in der 2. Liga.
  • Der neue Sportdirektor des 1. FC Köln gibt im Gespräch ein klares Bekenntnis zu den Führungsspielern Timo Horn und Jonas Hector.
  • Ein Interview über den Ernst der Lage beim FC, den teuren Spieler-Kader und das Misstrauen zwischen dem Club und den Fans.

Wie viel Optimismus muss man für Ihren Job beim 1. FC Köln mitbringen? Insbesondere auch nach dem vergangenen Spieltag, der alles andere als gut für den FC verlief? Horst Heldt: Sagen wir mal so: Er verlief suboptimal für uns, um es freundlich zu beschreiben. Insgesamt ist die Situation kritisch. Ich bin zwar erst eine kurze Zeit wieder beim FC, aber nach meinen ersten Eindrücken habe ich das Gefühl, dass das noch nicht jeder in Köln verstanden hat. Das beinhaltet nicht automatisch, dass man Panik verbreiten muss. Aber keiner hat doch Lust, noch einmal durch die Zweite Liga zu tingeln. Das gilt es mit aller Macht zu verhindern. Und ich bin davon überzeugt, dass wir unser Ziel, den Klassenerhalt erreichen können. Wir haben auch Nachteile, aber der FC hat vor allem Vorteile gegenüber der Konkurrenz. Und wenn wir diese Vorteile bündeln, dann werden wir das schaffen.

Ist die Situation mit „kritisch“ nicht zu harmlos formuliert?

Das kurzfristige Ziel bis zur Winterpause ist es, noch so viele Punkte wie nur möglich zu holen. Dann muss man einen Strich ziehen. Manche meinen, dass die kommenden Aufgaben Augsburg und Union Berlin schon zwei Endspiele für uns sind, die wir nicht verlieren dürfen. Diese Gefühlswelt kann ich nachvollziehen, aber auch nach diesen zwei Spielen geht die Saison für uns weiter. Es sind extrem wichtige Spiele gegen direkte Konkurrenten, aber auch dann ist noch nicht einmal die Hälfte der Saison absolviert. Entscheidend wird sein, dass wir schnell den Boden finden, stabiler werden und nicht weiter fallen. Wir müssen Nackenschläge, sofern sie kommen sollten, besser wegstecken und dürfen nicht abreißen lassen.

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Viele in Köln haben noch die Abstiegssaison 2017/18 im Kopf. Welche Rolle spielt das?

Das ist von Typ zu Typ unterschiedlich. Es gibt sicher Menschen, die denken bestimmt: Jetzt geht der ganze Mist wieder von vorne los. Wenn man diese Gedanken hat, dann fehlt es ganz automatisch an Kraft, sich aufzuraffen und gegen Widerstände zu stemmen. Dann ergibt man sich schneller. Man kann es aber auch anders angehen. Und zwar nach dem Motto: Ich weiß ja, wie das damals gelaufen ist, welche Fehler gemacht wurden, wo man zu nachlässig war. Ich habe mich selbst überprüft, damit auseinandergesetzt und weiß, was ich zu tun habe und wie ich es besser machen kann. Man hat also Erfahrungen und Ansätze. Wir dürfen keine Angst vor der Situation haben, wir dürfen uns nicht runterziehen lassen, sondern wir müssen von unserem Wissensvorsprung profitieren. Dann kann das genauso ein Vorteil für uns sein.

Hat sich der FC denn genügend mit der Abstiegssaison auseinandergesetzt und sie aufgearbeitet?

Die Mannschaft hat sich damals zwar gewehrt und gelitten, aber tendenziell herrschte bereits vor der Winterpause eher das Gefühl, dass der FC zu weit abgeschlagen und der Klassenerhalt nicht mehr möglich ist. Zu diesem Zeitpunkt wurde sofort das Ziel direkter Wiederaufstieg formuliert und angegangen, der dann ja auch auf Anhieb erreicht wurde. Damals war ich zu weit weg vom FC, um alles beurteilen zu können. Aber es kann sein, dass keine richtige Aufarbeitung stattfand. Der Rheinländer lässt sich ja auch schnell begeistern.

Kurz vor dem Erreichen des Ziels verlor die Mannschaft dann ihren Trainer. Markus Anfang musste drei Spieltage vor Saisonende gehen.

Wenn man sich drei Spieltage vor Schluss dazu entscheidet, den Trainer zu wechseln, dann muss schon viel im Argen liegen. Das war sicher nicht grundlos.

Diesen Trainerwechsel hatte ihr Vorgänger Armin Veh zu verantworten. Haben Sie sich jetzt mit ihm ausgetauscht?

Wir pflegen seit unserer gemeinsamen Zeit ab 2007 in Stuttgart eine intensive Freundschaft und tauschen uns regelmäßig aus. Ich habe ihm 2017 gratuliert, als er beim FC anfing und habe ihn auch zweimal im Trainingslager besucht. Wir werden immer in Kontakt bleiben.

Haben Sie sich dann auch mal bei ihm beschwert, was für einen Trümmerhaufen er ihnen in Köln hinterlassen hat?

(lacht). Nein, erstens ist das kein Trümmerhaufen. Zweitens habe ich keinen Grund, mich zu beschweren, sondern bin dankbar, dass ich für den FC arbeite. Drittens bin ich genauso überzeugt davon, dass es ein guter Kader ist. Das Problem ist: In dieser Form ist der Kader nicht auf Abstiegskampf ausgerichtet. Aber wie auch? Man macht sich vor jeder Saison Gedanken, wo man mit dem Verein hin will und plant den Kader entsprechend. Er ist gespickt mit Spielern, die viel Qualität haben, aber vielleicht auch noch Zeit benötigen.

Aber der FC ist ein Aufsteiger. Ist es da nicht oberste Pflicht, erst einmal darüber nachzudenken, wie der Verein den Klassenerhalt schaffen kann?

Das würde ich mit einem Jein beantworten. Das ist für einen Klub wie den FC ein schmaler Grat. Vereine wie Union Berlin oder Paderborn haben bewusst eine Spielidee entwickelt, mit der sie die für sich besten Chancen sehen, in der Liga zu bleiben. Ich weiß nicht, ob das als Anspruch für den FC passt. Wir haben einen qualitativ besseren Kader als einige Konkurrenten, aber wir müssen schnell den Boden und die Stabilität wiederfinden. Auch im Hinblick auf den Kader ziehen wir zur Winterpause einen Strich und entscheiden, ob es Sinn macht, Wintertransfers zu machen. Das ist ja auch kein einfacher Markt.

Hat der Mannschaftsrat vor dem Spiel gegen Leipzig im Gespräch mit dem Trainer gesagt: „Stell uns auf, dann wird es besser“ – und wurde dann tatsächlich aufgestellt?

Das wäre zu einfach, dann könnte das ja jeder machen (lacht).

Ja, das denkt man tatsächlich manchmal. Oder wollten Sie den Wortführern nur beweisen, dass es gegen eine Mannschaft wie Leipzig nicht reicht?

Abgesehen davon, dass es so nicht war, ist die Aufstellung nicht mein Thema. Wir haben eine klare Hierarchie. Markus und ich tauschen uns aus, aber Taktik, Mannschaftsaufstellung, Kaderbesetzung: Da hat einzig und allein der Trainer das Sagen. Ich habe viele Gespräche mit Spielerräten gehabt. Dieses war vorbildlich offen. Wir haben das gemacht, um gemeinsam agieren zu können. Markus hat erklärt, dass jeder seine Chance bekommt, und so wird es auch sein. Bei der Aufstellung ging es darum, Stabilität zu bekommen mit drei Sechsern und dann umzuschalten. Wir haben schnelle Spieler in der Offensive, haben aber leidvoll erfahren müssen, dass Leipzig nicht nur vorn schnell ist, sondern auch in der Defensive. Das sind Maschinen, und wir waren komplett unterlegen. Unabhängig davon hat jeder die Chance, mit Trainingsleistungen auf sich aufmerksam zu machen, da geht es nicht nach Status. Denn wenn das Leistungsprinzip außer Kraft gesetzt wird, kann man gleich den Spielbetrieb einstellen.

Was ist aktuell eigentlich Ihre Aufgabe?

Hier mit Ihnen zu sitzen. (lacht)

Und wir freuen uns sehr, dass Sie da sind. Aber am Kader können Sie ja derzeit tatsächlich nicht viel tun.

In der Vorstellung vieler Leute kann ein Sportdirektor nach dem Ende der Transferzeit in den Urlaub gehen. Das ist nicht der Fall. Eigentlich bereitet man jetzt die Kaderplanung für die nächste Saison vor. Jetzt haben wir das Problem, dass wir nicht genau wissen, in welcher Liga wir dann spielen. In der Saison begleitet man Mannschaft und Trainer. Hinzu kommt, dass ich ja auch Geschäftsführer und damit für viele andere Dinge verantwortlich bin, nicht nur für die Lizenzspieler. Dazu gehört auch die Gesamtverantwortung für das Nachwuchs-Leistungszentrum. Im Moment geht es für mich vor allem darum, eine Gemeinschaft herzustellen – im Klub und außerhalb. Erstmal ist die kurzfristige Planung wichtiger als die langfristige, denn was nutzt die langfristige Planung, wenn wir nächstes Jahr in der Zweiten Liga spielen. Das macht es ja so schwierig für Fahrstuhlmannschaften, denn sie müssen ständig ihre Planung über den Haufen werfen. Ich muss alle kennenlernen, Entscheidungen treffen und marschieren. Mich nicht anstecken lassen von Panik, Angst und Sorge. Und ganz viele Menschen vereinnahmen.

Der Winter-Transfermarkt ist schwierig, zumal Sie bereits einen großen und im Unterhalt nicht gerade günstigen Kader haben. Was können Sie noch tun?

Das werden wir jetzt herausfinden. Das werde ich zusammen mit meinem Geschäftsführerkollegen Alex Wehrle und den Gremien besprechen. Das werden wir in den nächsten zwei Wochen tun, wenn wir einen besseren Überblick haben. Dann müssen wir die Grundsatzentscheidung treffen, inwieweit wir bereit sind, ins Risiko zu gehen. Der Schlüssel zur Rettung ist aber nicht zig weitere Zugänge, sondern die Bereitschaft, den Extrameter zu gehen. Die ist absolut vorhanden. Aber es ist zurzeit nicht jeder in der Lage, diesen Extrameter zu gehen. Wir werden herausfinden, woran das liegt. Und wenn es um Neuzugänge geht, schaue ich als erstes in den Nachwuchsbereich. Da sind wir sehr gut aufgestellt, dahin geht mein erster Blick.

In der Vergangenheit hatte der Verein Schwierigkeiten, den Nachwuchs zu integrieren.

Bei meinen bisherigen Stationen war das immer ein ganz wichtiges Thema für mich. Wenn man merkt, was es für Vorteile bringt, mit den Spielern aus dem eigenen Nachwuchs zu arbeiten, guckt man immer erst ins Leistungszentrum. Dazu muss man mutig sein und den passenden Trainer in der Lizenzspielerabteilung haben.

Hat der Verein in der Zweiten Liga da eine Chance versäumt? Oder ist es einfach zu schwierig für einen 18-Jährigen?

Vielleicht ist es sogar einfacher, wenn man 18 ist. Ein Jugendlicher, der gar nicht viel denkt – das kann von Vorteil sein. Aber die Begleitung muss stimmen, auch von den Fans. Ich habe Joel Matip bei Schalke erlebt, der ist mittlerweile Champions-League-Sieger mit Liverpool. Der war der erste, den die Fans ausgepfiffen haben – als Eigengewächs. Man muss das Einbauen von Talenten konsequent durchziehen, auf allen Ebenen. Wir haben hier in Köln eine sensationelle Basis. Wenn wir uns eines nicht einkaufen müssen, dann ist das Emotionalität. Die Möglichkeiten in dieser Stadt – wir müssen anfangen, das als Vorteil zu definieren und nicht als Hindernis. Wenn wir das schaffen – wer soll uns dann auseinanderbringen?

Die Einheit des Vereins scheint derzeit zu fehlen.

Die Geschlossenheit ist ein bisschen verloren gegangen. Aber das ist eine intakte Mannschaft. Ich sehe da keine Spieler, die das eigene Ich herauskehren wollen. Vielleicht ist sie zu brav, zu lieb. Das hat aber mit der Generation zu tun. Wir sind da anders aufgewachsen. Man schluckt heutzutage zu viel runter. Zur gesunden Entwicklung gehört die Konfrontation.

Nach innen oder dem Gegner gegenüber?

Sowohl als auch. Wir müssen unsere Überzeugung wiederfinden, das ist die größte Herausforderung. Ich kann das sagen, weil ich es selbst erlebt habe. Wenn ich ein unsicheres Gefühl auf dem Platz hatte, habe ich mich hinter meinem Gegenspieler versteckt. Unser Uhrwerk läuft gerade nicht. Da sind ein paar Schrauben gebrochen, und die müssen ersetzt werden.

Glauben Sie, die Mannschaft hat ein Problem mit der Hierarchie?

Das glaube ich nicht. Ich stelle mir diese Frage auch gar nicht. Meine Erwartung ist, dass jeder den Kopf rausstreckt – egal, ob jemand 19, 28 oder 33 Jahre alt ist. Dafür brauche ich nicht mit dem Finger auf einzelne zu zeigen und zu sagen „Du bist Führungsspieler“. Jeder ist gefordert. Niemand kann in der jetzigen Situation, in der wir stecken, auf den Nebenmann gucken und sagen „Du musst uns jetzt führen“. Jeder Spieler muss bei sich selber anfangen. Mein Job ist es, bei jedem einzelnen herauszufinden, was er dazu beitragen kann, damit wir erfolgreich sind. Da geht es auch um so ganz einfache Fragen wie: „Ernähre ich mich richtig? Schlafe ich genug? Und wo kann ich ansetzen, damit wir noch besser werden?“ Bei dem einen ist vielleicht alles in Ordnung, beim nächsten sind aber vielleicht noch ein paar Prozentpunkte nach oben möglich. Das heißt für mich Verantwortung. Ich brauche keine elf Schreihälse auf dem Platz. Ich will damit sagen, dass wir jeden einzelnen brauchen: Egal, ob es der Mittelstürmer ist, der Platzwart oder die Stadt Köln.

Was meinen Sie mit der Stadt?

Die Stadt Köln ist für den Rasen im Rhein-Energie-Stadion verantwortlich. Wenn der Platz richtig gut ist, macht das auch ein paar Prozentpunkte aus.

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Zurück zu den Spielern. Glauben Sie, es ist notwendig, einem Bundesligaprofi zu erklären, wie er zu schlafen und zu essen hat?

Es ist grundsätzlich meine Aufgabe, auf jedes Detail zu achten und es im Zweifel zu hinterfragen. Und wenn dazu ein Spieler-Gespräch über Ernährung notwendig ist, dann mache ich das. Viele Spieler sind noch jung. Auch das kenne ich noch aus meiner aktiven Zeit. Ich habe früher auch viel Blödsinn gemacht. Ich war damals sicher nicht doof, aber naiv. Mit 20 wusste ich noch nicht, wie ich mich richtig ernähre. Ich hatte mehr Lust auf Döner, Pommes und Pizza als auf gesunde Lebensmittel. Ich wusste auch, dass es sicher nicht gut ist, ein Bier nach dem Spiel zu trinken – und trotzdem habe ich es gemacht. Mit der Zeit lernt man aus diesen Fehlern. Und wenn ich unseren Spielern behilflich sein kann mit meiner Erfahrung, dann mache ich das sehr gerne.

Was kann Markus Gisdol jetzt bewirken, was seine Vorgänger nicht geschafft haben?

Es geht darum, neue Reize zu setzen. Eins ist klar: Hand auflegen und Wunderheiler – das sind weder Markus noch ich. Wir haben keine Zeit, aber es braucht ein Stück weit Zeit. Wir haben zwölf Spiele und nur sieben Punkte. Wir müssen zusehen, dass wir schnellstmöglich punkten, daran wird er alles setzen. Die Mannschaft war im freien Fall und ob sie einen Boden gefunden hat, ist noch nicht klar.

Wie wollen Sie es schaffen, dass die Mannschaft „den Boden findet“?

Wir müssen herauszufinden, woran es liegt, dass wir da unten stehen. Und da gibt es nicht nur eine Antwort. In der Kürze der Zeit haben wir schon viele Dinge ausgemacht, die wir jetzt angehen wollen. Es sind Maßnahmen, die wir nun treffen müssen.

Gibt es schon konkrete Überlegungen, junge Spieler einzubauen?

Die Überlegungen sind abgeschlossen. Die Trainer haben sich damit beschäftigt und wir werden das zeitnah umsetzen. Das ist wie Jogi Löw sagt: Die Tür ist offen – nach oben und nach unten. Aber es muss Sinn machen, wir machen keinen populistischen Mist.

Muss man auch harte Entscheidungen treffen wie eine zweite Trainingsgruppe?

Da bin ich kein Freund davon. Beide Seiten haben einen Vertrag geschlossen. Aber: Wenn einer nicht mitzieht, werden wir nicht auf ihn warten. Da haben wir keine Zeit zu. Wenn wir das Gefühl haben, einer nimmt sich wichtiger: Status, Name, Alter, Vertrag – völlig egal. Nichts steht über dem Verein.

Timo Horn hadert mit sich und der Kritik in den sozialen Medien. Wie kann man ihm helfen oder braucht er mal Druck durch Konkurrenz?

Ich habe von vielem Ahnung, aber vom Torhüterspiel habe ich keine Ahnung. Da verlasse ich mich auf die Experten. Timo hat in Leipzig eine gute Partie abgeliefert. Abgesehen von Leistung bin ich jemand, der viel Wert auf Emotionalität und Loyalität legt. Da hat Timo genau wie Jonas einen Bonus, weil er sich in der Zweiten Liga zum FC bekannt hat. Er hat seinen Anteil am Abstieg. Genauso wie am Aufstieg. Das ist für mich ganz viel wert, er wird von mir und vom Trainer bedingungslos unterstützt. Er ist unsere Nummer eins und er wird das auch bleiben. Er ist in keiner leichten Phase, aber er wird gestärkt daraus hervorkommen.

Die Wucht des Klubs ist enorm. Haben Sie das Gefühl, dass sich zwischen dem Klub und den Fans eine Mauer des Misstrauens und der Resignation aufgebaut hat?

Es fühlt sich zumindest so an. Dieses Gefühl rührt sicher auch noch aus der Vergangenheit. Das ist echt schade. Denn der 1. FC Köln hat ein großes Faustpfand: das sind die Fans. Mit der großen Identifikation, der Stimmung, die sie machen und der unendlichen Liebe zum Klub. All das müssen wir uns wieder viel mehr zu eigen machen. Da müssen wir mehr rausholen. Da kann man unglaublich viel Energie freisetzen. Wir brauchen Ideen, wie wir die Fans wieder komplett auf unsere Seite ziehen. Wir brauchen hier eine Aufbruchsstimmung. Denn die Mannschaft braucht die Unterstützung von allen Seiten. Da ist jeder gefragt. Denn es gab in der Vergangenheit immer wieder Traditionsvereine, die mit ähnlicher Wucht in den Niederungen des Fußballs abgetaucht sind.

Kann das auch dem FC passieren?

Das glaube ich nicht. Davon sind wir zum Glück noch weit entfernt. Aber die Hemmschwelle zur Resignation sinkt natürlich bei Misserfolg. Wenn du diese Anzeichen der Gleichgültigkeit hast, dann hilft selbst der Karneval nicht mehr. Dem müssen wir mit aller Macht entgegensteuern.

Was entgegnen Sie den Kritikern, die Vorbehalte gegenüber Ihrer Person haben?

Für mich sind Kritik und Skepsis in erster Linie Ansporn. Manchmal habe ich das Gefühl, dass einem im Fußballgeschäft Erfahrung heutzutage als Nachteil ausgelegt wird. Das ist dann geprägt von Vorurteilen. Ich habe da meine eigene Sichtweise drauf. Ich weiß, was ich kann und was ich nicht kann. Mein Schwager ist Prof. Dr. Wolfgang Jenewein. Er hat mehrere Bücher zum Thema Leadership geschrieben. Es geht um Führung von Menschen und die Frage: Wie kann ich Menschen zu Höchstleistungen treiben. Ich sitze also an der Quelle, was das betrifft. Ich bin allerdings auch nicht der Wundermann, den man in Köln immer gerne hätte – egal auf welcher Position.

Wie haben Sie die Häme mit dem Headhunter aufgenommen?

Ich fand das gar nicht schlecht. Du begegnest jemandem, der weiß was er macht. Du absolvierst eine Art Prüfung, um Führungsqualität zu zeigen. Natürlich braucht man keinen Headhunter, um Horst Heldt zu finden. Aber Horst Heldt muss auch zeigen, dass er sich eignet. Der Prozess war in jeglicher Hinsicht absolut hilfreich. Das war zeitgemäß.

Dass das Werben um Trainer öffentlich wurde, war weniger glücklich.

Es geht immer besser, es ist jetzt aber auch egal.

Es läuft ja gerade ein kurioses Experiment: Der Trainer, der kürzlich noch mit dem FC 1:2 gegen Hoffenheim verlor, gewinnt jetzt mit 5:1 gegen den gleichen Gegner. Was haben Sie da gedacht?

Gar nichts, ehrlich gesagt. Ich beschäftige mich nur mit Themen, die ich beeinflussen kann. Trotzdem ärgert es mich, wenn Mainz 05 in der jetzigen Situation 5:1 gewinnt. Achim Beierlorzer war vom ersten bis zum letzten Tag mit Herzblut hier. Aber: Er ist nicht mehr Trainer des 1. FC Köln. Deshalb interessiert mich das nicht.

Wie viele und welche Mannschaften lässt der FC denn noch hinter sich?

Genügend, um über den Strich zu stehen. Lieber zwei als drei, denn die Relegation würde ich mir gern ersparen.

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